Smart Grids Wie viel Vernetzung und Intelligenz ist sinnvoll?

Bild: iStock, ktsimage
07.11.2017

Im Zuge der Energiewende verändert sich die Stromversorgung grundlegend und wird Schritt für Schritt von einigen wenigen zentralen Großkraftwerken auf viele kleine, überwiegend dezentrale Anlagen übertragen. Dabei entstehen zwei Herausforderungen: Wie kann die Energie so gemanagt werden, dass sich Verbrauch und Erzeugung im Netz zu jedem Zeitpunkt perfekt decken? Und wie können die vielen dezentralen Erzeugungsanlagen lokal in das Stromnetz integriert werden, sodass die Stabilität zukünftig auch gewährleistet werden kann?

Eine Lösung für ein effizientes Energiemanagement sind virtuelle Kraftwerke, die viele kleine, dezentrale Anlagen in größeren Pools auf einer Aggregationsebene zusammenführen, um den Strom beispielsweise an der Strombörse vermarkten zu können. Cyber-Attacken wie WannaCry verdeutlichen allerdings, dass eine solche Vernetzung Kritischer Infrastrukturen so abgesichert sein muss, dass diese möglichst nicht gehackt und lahmgelegt werden können. Eine weitere technische Lösung hierfür setzt auf die sogenannten Rundsteuersignale, die bis vor einigen Jahren zur Umschaltung zwischen Tag- und Nachttarif genutzt wurden.

Mittlerweile wurde die Rundsteuertechnik dahingehend weiterentwickelt, dass sie bis zu 96 Tarifwerte pro Tag übermitteln kann. Die Übertragung eines Tarifsignals bietet den Betreibern dezentraler Anlagen den Anreiz, sich entsprechend dieses Tarifs zu verhalten. Hierbei liegt zwar die Intelligenz, dieser Tarifcharakteristik zu entsprechen, in jeder einzelnen kleinen dezentralen Anlage. Allerdings ist die Kommunikation zwischen Anlagen- und Netzbetreibern einfach und sicher. Konkret installiert in diesem Fall jeder Erzeuger einen Rundsteuerempfänger, der das Tarifsignal aus dem auf das Stromnetz modulierten Signal filtert.

Intelligentes Stromnetz

Der Anlagenbetreiber übernimmt selbst die Aufgabe, bei welchem Tarif er beispielsweise sein Blockheizkraftwerk einschaltet. Der große Vorteil dieser Lösung: Cyberkriminelle, die die Rundsteuertechnik hacken wollen, benötigen physischen Zugriff auf das Stromnetz und müssen mit einem aufwändigen Störsender ein Signal aufprägen. Dieser Vorgang ist zum einen kompliziert, räumlich begrenzt und lässt sich zum anderen relativ schnell lokalisieren und unschädlich machen.

Dabei stellt sich die grundlegende Frage: Wie viel Vernetzung und Intelligenz ist sinnvoll – und vor allem sicher auf dem Weg hin zu einer effizienten Deckung des Energiebedarfs aus Erneuerbaren Energien? Derzeit beschränkt sich die fortgeschrittene Intelligenz im Stromnetz ohnehin auf die Übertragungsnetzebene. „Untere“ Ebenen im Verteilnetz entziehen sich aktuell allerdings der intelligenten Erfassung von Betriebszuständen – ein Missstand, der auf dem Weg hin zur flächendeckenden Stromversorgung aus Erneuerbaren Energiequellen erhebliches Potenzial brachliegen lässt.

Adaptive statt fixe Stromnetz-Parametrierung

Abhilfe schaffen hier intelligente Messsysteme – sogenannte Smart Meter –, die allerdings nur für Erzeugungsanlagen und größere Verbraucher in Betrieb genommen werden, um einen besseren Einblick in die Verteilnetze zu bieten. Entscheidend ist dabei jedoch die zeitliche Auflösung der Messdatenerfassung. Bislang werden viele Smart Meter nur zu Abrechnungszwecken eingesetzt, was beispielsweise keine Datenübermittlung in Echtzeit erfordert. Für Prozesse wie Netzregelung hingegen müssen automatisiert Daten im Sekunden- oder sogar Subsekundenbereich erhoben und übermittelt werden.

Momentan dürfen die Netzbetreiber PV-Anlagenbetreibern die Blindleistung ihrer Anlage in Abhängigkeit von der Spannung vorgeben. Netze sind bedingt durch Schalthandlungen oder Umbau nicht statisch, damit muss auch ihre Regelung stetig adaptiert werden. Um die den Anlagen zugewiesenen Charakteristiken kontinuierlich zu aktualisieren und die unterschiedlichen Charakteristiken adaptiv und fehlerrobust zu koordinieren, muss eine gewisse Intelligenz in das Stromnetz integriert werden. Wie eine derart intelligente adaptive Parametrierung aussehen könnte, erforscht derzeit das Fraunhofer ISE gemeinsam mit EWE Netz und weiteren Partnern aus Industrie und Wissenschaft im Rahmen des Projekts Green Access.

Fraunhofer-Weiterbildungskurse: Expertise für eine nachhaltige Entwicklung

Für eine dauerhafte Etablierung nachhaltiger erneuerbarer Strom- und Wärmeerzeugung ist insbesondere hochqualifiziertes Personal notwendig. Die Fraunhofer Academy und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE haben auf diese Anforderung reagiert und bieten das Diploma of Advanced Studies (DAS) „Energiesystemtechnik“ an. Die Teilnehmenden erwartet ein ganzheitliches Angebot auf Basis aktueller Forschungserkenntnisse des Fraunhofer ISE, das Fragen der Energiesystemtechnik und Energieversorgung systemisch vermittelt. Weitere Informationen zu den Weiterbildungsangeboten der Fraunhofer Academy finden Sie hier.

Bildergalerie

  • Spannungsverlauf im Niederspannungsnetz mit Erzeugung und Verbrauch: Die Spannung stellt eine entscheidende Größe für die Netzregelung dar. Über- und Unterspannung in Folge lokaler Erzeugungs- und Verbrauchsüberschüsse werden durch die in Green Access entwickelte Regelung vermieden, ohne das Netz aufwendig zu verstärken.

    Spannungsverlauf im Niederspannungsnetz mit Erzeugung und Verbrauch: Die Spannung stellt eine entscheidende Größe für die Netzregelung dar. Über- und Unterspannung in Folge lokaler Erzeugungs- und Verbrauchsüberschüsse werden durch die in Green Access entwickelte Regelung vermieden, ohne das Netz aufwendig zu verstärken.

    Bild: Fraunhofer ISE

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