In der Praxis zählt der Schutz vor Überspannungen längst zu den grundlegenden Anforderungen an die Betriebssicherheit. Transiente Überspannungen, etwa infolge von Blitzeinschlägen oder Schalthandlungen im Netz, sind keineswegs zu unterschätzen. Sie können Spannungen von mehreren tausend Volt erreichen – deutlich oberhalb der zulässigen Grenzwerte für die meisten elektrischen und elektronischen Komponenten.
Ohne geeignete Schutzmaßnahmen können solche Ereignisse nicht nur zu gravierenden und kostspieligen Schäden an Anlagen und Geräten führen, sondern auch zu Produktionsausfällen, Datenverlusten oder im schlimmsten Fall zu Bränden. Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) dokumentiert seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Schadenssummen: Im Jahr 2024 erreichte der Gesamtschaden durch Überspannungen mit 350 Millionen Euro einen neuen Höchstwert in Deutschland – ein eindeutiges Signal für die wachsende Bedeutung präventiver Schutzkonzepte.
Um solche Schäden zu vermeiden, begrenzen Überspannungsschutzgeräte (Surge Protection Devices, SPDs) die bei einem Blitzeinschlag auftretende Überspannung auf ein sicheres Maß, sodass Anlagen und Geräte unbeschädigt bleiben und der Betrieb unterbrechungsfrei weiterlaufen kann. Die Norm DIN EN 61643-11 definiert die Mindestanforderungen an SPDs für Stromversorgungssysteme. Doch in der Praxis sind die Rahmenbedingungen oft erheblich höher – abhängig von der jeweiligen Anwendung und Umgebung. Phoenix Contact hat mit der Entwicklung der getriggerten Carbon-Funkenstreckentechnologie eine Lösung geschaffen, die diesen Anforderungen gerecht wird.
Eigenschaften eines wirkungsvollen Überspannungsschutzes
Ein moderner Überspannungsschutz muss mehr leisten als lediglich hohe Energien ableiten. Besonders in industriellen Anwendungen, bei Telekommunikationsanlagen, Windenergieanlagen oder in der Gebäudeinstallation sind folgende Eigenschaften entscheidend:
Anlagenverfügbarkeit: In der Industrie, wie zum Beispiel der Automobilproduktion erweist sich ein unterbrechungsfreier Betrieb als wesentlich, um Liefertermine einzuhalten und Kosten zu senken. Überspannungsschutzgeräte (SPDs) müssen daher nicht nur Überspannungen sicher ableiten, sondern sofort wieder isolieren. So verhindern sie sogenannte Netzfolgeströme. Dabei handelt es sich um unerwünschte Ströme aus dem Netz, die Sicherungen auslösen und Anlagenstillstände verursachen könnten.
Umfassender Anlagenschutz: Empfindliche Elektronik, wie sie in medizinischen Geräten, Rechenzentren oder Steuerungssystemen verwendet wird, erfordert, dass die auftretenden Überspannungen in der Installation so gering wie möglich gehalten werden. Deshalb ist es wichtig, dass das SPD einen guten Schutzpegel sowie niedrigen Restspannungsverlauf aufweist. Nur so kann die Isolation der zu schützenden Systeme und Anlagen geschont und ein frühzeitiger Ausfall vermieden werden.
Verschleißfreiheit: Wartungsfreie SPDs sind insbesondere in abgelegenen oder schwer zugänglichen Bereichen von Vorteil. Sie reduzieren Betriebskosten und erhöhen die Zuverlässigkeit – beispielsweise bei Mobilfunkstationen oder autarken Messsystemen.
Leistungsfähigkeit: In Regionen mit hoher Blitzdichte oder exponierter Lage – etwa auf Bergen, in Küstennähe oder bei freistehenden Industrieanlagen – müssen SPDs besonders leistungsstark sein. Gefordert sind Geräte, die neben einzelnen auch mehrere starke Blitzimpulse in kürzester Zeit sicher ableiten können, ohne an Schutzwirkung zu verlieren.
Ableitung mehrerer energiereicher Blitzereignisse
Phoenix Contact verbindet bewährte Schutzprinzipien mit neuer Technik. Die neue Technologie basiert auf einer robusten Carbon-Funkenstrecke, die mit einem präzise abgestimmten Triggerkreis kombiniert wird. Dieser begrenzt die Spannung frühzeitig und zündet die Funkenstrecke, die dann die hohen Ströme sicher ableitet. Die eingesetzten Materialien sind sehr temperaturbeständig und robust, was die Langlebigkeit und Leistungsfähigkeit deutlich steigert. Ein spezielles Merkmal stellt die sogenannte Multiimpulsfähigkeit dar: Selbst mehrere energiereiche Blitzereignisse in kurzer Folge werden sicher abgeleitet. Diese Eigenschaft wurde in Tests mit anspruchsvollen Impulsfolgen nachgewiesen, die über die normativen Anforderungen hinausgehen.
Nutzung in vielfältigen Anwendungen
Der Kombiableiter FLT-MB ist das erste SPD auf Basis der neuen Technologie. Er vereint hohe Schutzleistung mit kompakter Bauweise und eignet sich für eine Vielzahl von Anwendungen:
Industrieanwendungen: Der FLT-MB isoliert nach einem Überspannungsereignis sofort wieder, wodurch Netzfolgeströme verhindert werden. Diese könnten sonst zu einer Überlastung der Vorsicherung und damit zu einem Anlagenstillstand führen. Zudem lassen sich Einspeiseströme bis zu 315 A ohne zusätzliche Vorsicherung absichern. Das spart Platz und Kosten. Ein optionaler Fernmeldekontakt ermöglicht die Integration in übergeordnete Überwachungssysteme.
Gebäudeinstallation: Seit 2016 ist Überspannungsschutz in Neubauten verpflichtend. Bei Nachrüstungen, zum Beispiel bei der Installation von Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen oder Wallboxen, wird der Überspannungsschutz ebenfalls gemäß DIN VDE 0100-443 und -534 vorgeschrieben. Der FLT-MB bietet sich durch seine kompakte Bauweise für enge Platzverhältnisse an und kann aufgrund seiner leckstromfreien Technologie ebenso im Vorzählerbereich genutzt werden. Insbesondere in modernen Smart Homes mit empfindlicher Elektronik gewährt er zuverlässigen Schutz.
Telekommunikation und Windenergieanlagen: Diese befinden sich oft an exponierten Standorten und sind daher besonders blitzgefährdet. Die Multiimpulsfähigkeit des FLT-MBs schützt zuverlässig auch bei mehrfachen Blitzeinschlägen. Ein weiterer Vorteil des Kombiableiters liegt in seiner hohen Robustheit – ein entscheidender Faktor für die Minimierung von Wartungsarbeiten. Gerade bei Installationen in abgelegenen oder schwer zugänglichen Regionen – beispielsweise auf Bergkuppen, Offshore-Plattformen oder in ländlichen Versorgungsnetzen - sind Wartungseinsätze mit erheblichem logistischem und finanziellem Aufwand verbunden. Durch seine widerstandsfähige Konstruktion reduziert der FLT-MB diesen Aufwand deutlich und trägt so langfristig zur Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage bei.
Ladesäulen für Elektromobilität: Mit dem wachsenden Bedarf an Ladeinfrastruktur steigt die Bedeutung eines zuverlässigen Überspannungsschutzes. Der FLT-MB lässt sich durch seine kompakte Bauform problemlos in Ladesäulen integrieren, ohne deren Funktionalität oder Design zu beeinträchtigen. So werden sowohl die Ladesäule ebenso wie das angeschlossene Fahrzeug geschützt.
Fazit
Mit der getriggerten Carbon-Funkenstreckentechnologie hat Phoenix Contact einen neuen Standard im Überspannungsschutz gesetzt. Der FLT-MB stellt eine einzigartige Kombination aus Leistungsfähigkeit, Kompaktheit und Verschleißfreiheit zur Verfügung. Er erfüllt die Anforderungen verschiedener Anwendungen – von Industrie über Gebäude bis zu Infrastruktur und Energieversorgung. Die Technologie ist nicht nur ein Fortschritt in Sachen Sicherheit, sondern ebenfalls ein Beitrag zur Effizienz und Nachhaltigkeit elektrischer Systeme.
Getriggerte Carbon-Funkenstrecke
Funkenstrecken erweisen sich als die leistungsfähigsten Bauteile innerhalb von Überspannungsschutzgeräten. Sie können sehr hohe Ströme sicher ableiten. Die Entwicklung reichte von offenen, ausblasenden bis zu gekapselten Funkenstrecken. Nun ist Phoenix Contact einen Schritt weiter gegangen und hat eine neue, besonders leistungsfähige Funkenstrecke entwickelt, die sich aufgrund robuster Materialien und netzfolgestromfreier Technologie als langlebig zeigt. Die getriggerte Carbon-Funkenstrecke übertrifft die aktuellen Marktstandards deutlich. Durch die Technologie lassen sich alle Blitzströme gleichwertig beherrschen, ohne benachbarte Geräte zu beeinflussen. Selbst die hohen Energien mehrerer Impulsfolgen in kurzer Zeit werden sicher abgeleitet.