Können die E-Roller der Post (DXP, DXC) einen Beitrag leisten zur Entlastung und Stabilisierung des Schweizer Stromnetzes, indem die Batterien der Roller als virtuelles Kraftwerk genutzt werden? Und könnte die Post langfristig Geld einsparen, wenn sie variable Tarife nutzt, um von diesen Batterien Strom ins Netz abzugeben? Diese beiden Fragen stehen im Zentrum eines viermonatigen Pilotprojekts in Fribourg, das die Kyburz Switzerland gemeinsam mit der Post und der Hochschule Luzern (HSLU), Institut für Elektrotechnik durchführt. Das Pilot- und Demonstrationsprogramm (P+D) des Bundesamtes für Energie (BfE) unterstützt das Projekt finanziell.
Konkret geht es um das bidirektionale Laden – das Laden und Entladen der Batterien von elektrisch betriebenen Zustellfahrzeugen. Im Pilotprojekt testen die Partner einen AC-Ladevorgang. Die Umwandlung des Wechselstroms in Gleichstrom findet mit Hilfe von On-Board-Ladegeräten im Fahrzeug statt. „Dies ist die Schlüsselinnovation in diesem Projekt. Es handelt sich um die ersten On-Board-Geräte dieser Art, die wir hier einsetzen“, sagt Erik Wilhelm von der Firma Kyburz.
Virtuelles Kraftwerk
Im Rahmen des Projekts testet das Projektteam zusammen mit dem Freiburger Netzbetreiber Groupe-e, ob die Batterien der Roller zusammen als virtuelles Kraftwerk genutzt werden können, um den effizienten Stromnetzbetrieb zu unterstützen. „Sobald die Roller am frühen Nachmittag im Depot eintreffen, berechnen wir Lade- und Entladeprofile gemäß dem variablen Tarif der Groupe-e, um den maximalen Nutzen der Fahrzeuge zur Unterstützung des Stromnetzes zu erreichen“, sagt Severin Nowak von der HSLU.
Einzige Bedingung ist, dass die Batterien morgens um 5 Uhr wieder voll aufgeladen sind, wenn die Zustelltouren beginnen. Die Batterien der Zustellfahrzeuge sollen zum Ausgleich der Netzauslastung genutzt werden können.
Geld verdienen dank variablen Tarifen
Wenn die Post die Batterien ihrer Roller in der Nacht mit einem tiefen Stromtarif lädt und den Strom dafür tagsüber zu einem hohen Tarif ins Netz zurückspeist, könnte sie damit Geld verdienen. Diese Differenz auf Basis von dynamischen Stromtarifen bezeichnet man in der Fachsprache als Arbitrage. Noch sind dynamische Tarife nicht grossflächig verfügbar, daher sind die wirtschaftlichen Bedingungen für die Rückspeisung ins Netz nicht überall in der Schweiz gegeben. Im Netzgebiet der Groupe-e können durch das bidirektionale Laden aber schon heute dank variablen Tarifen entscheidende Einsparungen beim Verbrauch innerhalb desselben Areals erreicht werden.
„Mit dem Projekt in Fribourg wollen die Beteiligten herausfinden, ob die Skaleneffekte durch die hohe Zahl an Rollern groß genug wären, damit die Post mit Hilfe der Arbitrage Geld verdienen könnte“, sagt Michael Graf, der die Post im Projekt vertritt. Gegenwärtig ergeben die Hochrechnungen einen Mehrwert von CHF 2.500 pro Fahrzeug über dessen ganze Lebensdauer. Das Projekt in Fribourg in Zusammenarbeit mit Groupe-e soll aufzeigen, ob diese Modellierung auch dem Realitäts-Check standhält. In Zukunft könnten durch höhere Preisvariabilität noch höhere Erträge möglich werden.
Neben diesen wirtschaftlichen Fragen geht es im Projekt aber vor allem um die technische Machbarkeit des bidirektionalen Ladens mit Wechselstrom (AC). Während der ganzen Projektdauer von vier Monaten läuft der Zustellbetrieb im gewohnten Umfang weiter, die Roller müssen deshalb täglich einsatzbereit sein.
Neun Fahrzeuge werden umgerüstet
Die Firma Kyburz, die schon 2023 Fahrzeuge mit bidirektionaler Ladetechnologie präsentierte, hat die für die Realisierung des Projekts erforderlichen Akteure zusammengebracht. Sie rüstete insgesamt neun Roller der Post um, damit sie für den Test des bidirektionalen Ladens bereit waren. Weitere Installationen im Depot waren nicht nötig. Es ist das erste Mal in der Schweiz, dass das bidirektionale Laden mit Fahrzeugen der letzten Meile getestet wird.
Die Post wechselt für die Dauer des Tests am Standort Fribourg zu variablen Stromtarifen, um den Arbitrage-Effekt ausschöpfen zu können. Die Steuerung der Fahrzeuge erfolgt dabei mit Hilfe des Back-end-Systems von Kyburz Switzerland sowie auf Basis von Lade-/Entlade-Algorithmen der Hochschule Luzern, die direkt auf die jeweils gültigen Tarife von Groupe-e abgestimmt sind.