Auf den richtigen Baukausten kommt es an Modularisierung im Maschinenbau

Turck – Hans Turck GmbH & Co. KG

Bild: iStock, wacomka
10.07.2018

Die Baukasten-Strategie wird hoch gehandelt. Sie soll die Komplexität der Variantenvielfalt verringern, Flexibilität einer Maschine oder Anlage erhöhen sowie individuelle Kundenwünsche erfüllen. Was ist jedoch bei der Modularisierung zu beachten und welche Lösungen gibt es dafür.

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Der Maschinen- und Anlagenbau sieht die Modularisierung seit den 1980er-Jahren als eine Lösung an, die Wettbewerbssituation zu verbessern. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass sich der Prozess dorthin nicht immer nachhaltig gestaltete – Variantenvielfalt und Einzellösungen nahmen über die Jahre wieder zu und damit die Komplexität des Portfolios. Aber genau die soll mit der Modularisierung und der Standardisierung gesenkt werden, ohne den Kundennutzen einzuschränken, wie die Unternehmensberatung Oliver Wymann in seiner Studie „Perspectives on Manufacturing Industries“ zur intelligenten Modularisierung im Maschinenbau schreibt.

Der Zwang nach weniger Komplexität und mehr Flexibilität hat das Thema in den vergangenen Jahren wieder vorangebracht. Durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 sowie dem Wunsch der Verbraucher nach individualisierten Produkten kommt zusätzlich Dynamik hinein, das Baukastenprinzip oder eine Plattformstrategie umzusetzen. Bei der Modularisierung kommt es nicht nur darauf an, mit Gleichteilen oder Modulen egal welcher Art Komplexität sowie Kosten niedrig zu halten und Zeit zu sparen. Die Modularisierung betrifft vielmehr die gesamte Wertschöpfungskette im Unternehmen – von der Entwicklung über Einkauf, Logistik, Produktion bis hin zur Preisgestaltung und Vertrieb. Alle müssen am Prozess teilhaben und zusammenarbeiten.

Funktionsmodule und Komplettlösungen

Entwickler der einzelnen Disziplinen wie Elektrik, Mechanik, Fluidik, Software und so weiter, müssen über ihren Tellerrand schauen und eine interdisziplinäre, bereichsübergreifende Sichtweise entwickeln. Ein Baukastenprinzip lebt davon, dass Baugruppen und Gleichteile produktübergreifend wiederverwendet werden können. Der Maschinenbauer sollte sozusagen einen disziplinübergreifenden mechatronischen Baukasten konzipieren.

Eine Lösung in diese Richtung sind konfigurierbare Maschinenkonzepte, bei denen die endgültige Ausbaustufe eines Maschinentyps festgelegt wird. Mittels eines Konfigurators lassen sich dann bestimmte Funktionalitäten und damit Module für eine Maschinevariante zusammenstellen. Für diese Vorgehensweise sollten Busarchitekturen entsprechend vorbereitet sein. Lenze hat dafür in Ethercat die Funktion „Optionale Teilnehmer“ integriert. Maschinenbauer können so die größte Grundkonfiguration eines Maschinentyps annehmen und daraus eine kundenindividuelle Variante konfigurieren. Es ist zu beobachten, dass Automatisierungs- und Antriebsspezialisten nicht mehr nur Funktionen, sondern auch Komplettlösungen anbieten. Bis dato liegt bei Lenze der Fokus noch darauf, Motion Control Funktionen wie Kurvenscheiben, fliegende Sägen oder elektrische Wellen als anpassbare Standardbausteine ins Engineering zu integrieren. Zukünftig will das Unternehmen auch fertige Maschinenmodule etwa für ein Förderband, eine Siegelstation, einen kompletten Wickler oder einer Stanzeinrichtung anbieten.

Auf diesen Zug ist auch Baumüller aufgesprungen und hat im Jahr 2017 auf der Motek von seinen Engineering-Spezialisten entwickelte Komplettlösungen zum Beispiel für Handlingseinheiten und Schweißroboter vorgestellt. Die Module können zu Maschinen und Anlagen kombiniert oder in neue beziehungsweise bestehende Systeme integriert werden. Mit diesem Trend verschieben sich Entwicklungsaufgaben hin zu Lieferanten, was Maschinen- und Anlagenbauer in ihrer Modularisierungsstrategie bedenken und entsprechend kommunizieren sollten.

Modulare Softwarebausteine

Ausschlaggebend für ein Modul sollte nicht die Technik oder das Aggregat sein, sondern die Funktion. Die Zuordnung von Hardware-Modulen zu Funktionen scheint dabei verhältnismäßig einfach im Vergleich zu Software-Modulen. Lange Zeit fehlten auch die passenden Werkzeuge, die eine applikationszentrierte Arbeitsweise unterstützten. Die Automatisierungsbranche hat dieses Defizit erkannt und in den vergangenen Jahren modulare Software-Bausteine auf den Markt gebracht. So hat Bachmann electronic bereits 2015 eine Entwicklungsumgebung für das M1-Automatisierungssystem vorgestellt, die genau auf diese Modularisierung ausgerichtet ist. Das Unternehmen geht davon aus, dass der Kern eines autonomen Software-Moduls die Beschreibung der Schnittstellen und Eigenschaften darstellt. Basierend auf diesem Modell können Software-Module mit dem Engineering-Tool SolutionCenter von Bachmann electronic miteinander zu einer Gesamt-Applikation verknüpft werden.

Die Vorteile der Modularisierung kommen dann voll zum Tragen, wenn Änderungen an der Maschinenzusammenstellung einfach umzusetzen sind. Ein Beispiel dafür, wie das funktionieren kann, ist die Software-Plattform mapp Technology von B&R. Die vorgefertigten Software-Bausteine kommunizieren automatisch miteinander. Wird etwa eine Maschine mit einem mapp-Alarmsystem um eine Komponente ergänzt, die ebenfalls über ein mapp-Alarmsystem verfügt, übermittelt die Komponente automatisch Alarminformationen an die Maschine. Das Gleiche gilt für ein Energiemanagementsystem oder die Berechnung von Maschinenkennzahlen: Sobald neue Komponenten an das Maschinennetzwerk angeschlossen werden, lassen sich über die entsprechenden mapps Daten automatisch auszutauschen. Zusätzliche Programmierung oder aufwendige Konfiguration ist mit den Software-Bausteinen von B&R nicht notwendig.

Der Automatisierer Sigmatek hebt bei seiner Lösung die objektorientierte Programmierung hervor. Die dazu gehörige Software Lasal ermöglicht ein modulares, mechatronisches Engineering. Das Tool ist in Schichten aufgebaut und bietet einsatzbereite Software-Funktionen, die das Engineering vereinfachen und verkürzen. Schon auf der unteren Ebene befinden sich Standardfunktionen, mit denen laut Sigmatek mindestens 80 Prozent aller notwendigen Funktionalitäten im Maschinenbau bedient werden können. Dazu kommen „Add-Ons“, vorgefertigte Templates, die neben der Ablaufsteuerung auch die Visualisierung beinhalten und sich einfach individualisieren lassen.

Die Schnittstellen der modularen Software-Bausteine sind in der Regel firmenspezifisch. Als global gültige, einheitliche und plattformunabhängige Kommunikationsschnittstelle haben Automatisierer in der Regel OPC UA im Portfolio.

Dezentrale Lösungen

Mit der Modularisierung kommt auch die Dezentralisierung von zum Beispiel Steuerungen. Es wird davon gesprochen, dass modulare Maschinen im Idealfall keinen Schaltschrank mehr brauchen. Das heißt, ein autarkes Modul bringt seine Steuerung selbst mit, die möglichst flexibel sein sollte, um den Kundenwünschen nach Feldbus- oder Ethernet-Protokollen gerecht zu werden. Ein Beispiel hierfür sind die Codesys-3-Steuerungen TBEN-L-PLC von Turck, die ohne Schaltschrank auskommen. Zudem gibt es für modulare Maschinendesigns dezentrale Antriebskonzepte. Beispiele hierfür sind die Servoantriebe der i900-Reihe mit dezentraler Motion-Intelligenz von Lenze, der b maXX 2500 von Baumüller oder die Indra Drive Mi-Reihe von Bosch-Rexroth.

Im modularen Anlagenbau ebenso wie in der Fabrikautomation müssen die einzelnen Module mit einem übergeordneten System oder Leitsystem kommunizieren. Die Herausforderung dabei ist, die unterschiedlichen Kommunikationsprotokolle der Module an diese Systeme anzubinden. Hierfür muss bisher umprogrammiert, übersetzt oder standardisiert werden, was sehr aufwendig ist. Um die Kommunikation zu vereinheitlichen, wird auch hier auf eine herstellerunabhängige Methode gesetzt, beispielsweise auf das DIMA-Konzept für modulare Prozessautomation.

Wissensmanagement

Wie anfangs schon erwähnt, bezieht sich eine Modularisierungsstrategie nicht nur auf die Maschinen selbst, sondern auf das gesamte Unternehmen. Vorhandenes Wissen über die Konfigurierbarkeit eines Produktes sollte daher allen Beteiligten im Unternehmen zur Verfügung stehen. Das ist Voraussetzung für eine durchgängige Modularisierung. Dabei können Software-Lösungen, wie zum Beispiel digitale Unternehmens-Plattformen, helfen.

Siemens PLM Software bietet eine durchgängige Lösung an, die von Angeboten und Risikoanalyse über Produkt- und Prozessentwicklung, Fertigungsplanung und Beschaffung bis zur unternehmensweiten funktionsübergreifenden Integration reicht. Mit Teamcenter lassen sich Informationen zu Teilen und Baugruppen, Prozessen, Standards und Programmen sammeln und für alle am Prozess Beteiligten zugänglich machen – Vertrieb, Marketing, Projektmanagement, Design, Vorproduktion, Herstellung, Inbetriebnahme und Service.

Nachhaltige Modularisierung

Die hier aufgezeigten Lösungen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen vielmehr einen Eindruck vermitteln, welche Möglichkeiten es bezüglich der Automatisierung gibt und was bei einer Baukastenstrategie wichtig sein kann. Der Mehrwert eines Modulkonzepts liegt darin, Zeit besonders fürs Engineering und Kosten einzusparen, trotzt kundenindividueller Produkte. Auch die Zeit für Montage und Inbetriebnahme soll sich mittels der Modularisierung verringern. Ein weiterer Nutzen ist die verringerte Komplexität des Produktportfolios.

Mit den heutigen Technologien lässt sich die Modularisierung in einem Unternehmen durchgängig umsetzten und somit nachhaltiger als in den Anfangsjahren gestalten.

Dieser Artikel ist Teil des Fokusthemas „Modularisierung im Maschinen- und Anlagenbau" aus der A&D-Ausgabe 7+8 2018.

Bildergalerie

  • Reihe mit autarken Maschinenmodulen mit Codesys-3-Steuerungen TBEN-L-PLC von Turck, die ohne Schaltschrank auskommen.

    Reihe mit autarken Maschinenmodulen mit Codesys-3-Steuerungen TBEN-L-PLC von Turck, die ohne Schaltschrank auskommen.

    Bild: Turck

  • Die Software Lasal von Sigmatek ermöglicht ein modulares, mecha­tronisches Engineering.

    Die Software Lasal von Sigmatek ermöglicht ein modulares, mecha­tronisches Engineering.

    Bild: Sigmatek

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