Der Gebäudebestand in Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Gebäudebesitzer und -betreiber, Investoren und Facility Manager, aber auch Unternehmen stehen damit mehr denn je vor der Herausforderung, den CO2-Fußabdruck ihrer Liegenschaften und Infrastrukturen zu reduzieren. Neue Gesetze, wie zum Beispiel das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie die aktuelle EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), sorgen für zusätzlichen Druck.
Digitale Gebäudetechnik spielt an dieser Stelle eine Schlüsselrolle: Denn durch den Einsatz von IoT-Technologien und intelligenten Lösungen lassen sich Dekarbonisierungsmaßnahmen so umsetzen, dass sich die CO2-Bilanz der Liegenschaften nachhaltig verbessert. Dafür ist es notwendig, Transparenz über die Verbrauchsdaten in einem Gebäude zu haben. Deshalb ist es wichtiger denn je, Energieflüsse und andere relevante Daten zu monitoren.
Ein solches Energiemonitoring, wie es auch das GEG für Nichtwohngebäude mit einer heiz- oder klimatechnischen Nennleistung von mehr als 290 kWh vorschreibt, ist nicht neu und inzwischen in vielen Bereichen implementiert. Der Fortschritt in der Digitalisierung bringt nun neue Möglichkeiten, Energie- und Verbrauchsdaten nicht mehr nur einfach zu erfassen, sondern auch intelligent zu nutzen. Dies schafft die Grundlage dafür, den Gebäudebetrieb Schritt für Schritt auf die genannten Klimaziele auszurichten und diese greifbar zu machen.
Energiedaten + Management = Energiedatenmanagement
Ein systematisches Energiedatenmanagement macht aus den von Energiemonitoringsystemen gelieferten Daten wertvolle Informationen –mit denen sich wiederum die Energieeffizienz und der gesamte Betrieb in zunehmend automatisierten Smart Buildings optimieren lassen. Der eigentliche Weg zur Dekarbonisierung und Energieeffizienz erfolgt dann in einem iterativen Prozess in vier Schritten:
Transparenz schaffen: Wo können Optimierungspotenziale liegen?
Planen und priorisieren (Management): zum Beispiel Einzelgebäude analysieren, Definition von quantifizierbaren Zielen oder spezifische Zuteilung von Energiebudgets
Optimierung: Umsetzung der geplanten Dekarbonisierungsmaßnahmen, zum Beispiel bauliche und betriebliche Maßnahmen, Anlagenoptimierung
Prozessautomatisierung und kontinuierliche Weiterentwicklung durch Wiederholung/Loops
Monitoring und Management greifen demnach beim Energiedatenmanagement ineinander und das auf zwei Ebenen: Zum einen geht es darum, wie die Gebäudedaten erfasst und aufbereitet werden, und zum anderen um ihre gezielte Analyse und Nutzung zur Optimierung des Energieverbrauchs und des Gebäudebetriebs.
Möglich wird dies durch die Nutzung von Cloud-Technologien. Sie erschließen den Speicherplatz für riesige Datenmengen, die sowohl eine hohe Transparenz in der Breite als auch eine feine, detaillierte Analyse in der Tiefe erlauben. Darüber hinaus lassen sich mit einem cloudbasierten Energiedatenmanagement auch alle weiteren Cloud-spezifischen Vorteile nutzen: Der Zugang kann – mit entsprechender Berechtigung – einfach und ortsabhängig von jedem webfähigen Gerät aus erfolgen. Das System ist durch automatische Updates immer auf dem neusten Stand. Und nicht zuletzt können Drittsysteme und die vorhandene IT-Infrastruktur (wie zum Beispiel Wetter-Apps) problemlos integriert und angebunden werden.
Auch in der Betriebssicherheit bringen cloudbasierte Systeme einen großen Vorteil: Die lokal betriebene Gebäudeautomation oder -leittechnik wird nicht durch zusätzliche Auswertungen und Aufgaben belastet. Zudem können vorhandene Systeme einfach wie gewohnt und erprobt weiterbetrieben werden. Aufwändiges Datenspeichern, Analysieren, Berechnen und Verarbeiten findet ausgelagert in der Cloud statt und damit in einer unbegrenzten Ressource. Intelligente IT-Security-Mechanismen, wie sie in professionellen Cloud-Systemen angewendet werden, übertreffen zumeist die Schutzmaßnahmen, die in lokal betriebenen Softwareumgebungen eingesetzt werden, und sind nur in den wenigsten Fällen ein Einfallstor für Schadsoftware und Angriffe.
Seine besonderen Stärken zeigt ein cloudbasiertes Energiedatenmanagement damit bei der Vernetzung und Erfassung von vielen verteilten Liegenschaften oder von komplexen Gebäudestrukturen. Davon profitieren nicht nur Industrieunternehmen, sondern zum Beispiel auch Krankenhäuser, Universitäts-Campus, Einkaufszentren, Unternehmen mit verschiedenen Bürostandorten oder Gebäudeportfolios.
Digitaler Gebäude-Zwilling mit Building X
Ein solches System ist die offene, interoperable und vollständig cloudbasierte Smart-Building-Suite Building X von Siemens Smart Infrastructure, die auf der ebenfalls offenen, digitalen Business-Plattform Siemens Xcelerator basiert. Building X vereint die Daten aus unterschiedlichen Quellen zu einem digitalen Zwilling des Gebäudebetriebs und verbindet so die reale und die digitale Welt von Gebäuden. Damit bietet die Lösung alle Funktionen zur Digitalisierung, Verwaltung und Optimierung des Gebäudebetriebs und fungiert damit als „Single Source of Truth“. Alle am Gebäudebetrieb Beteiligten können also ihre Gebäudedaten aus unterschiedlichen Quellen, Gewerken und Systemen auf einer einzigen Plattform digital zusammenführen und nutzen. Die herstellerunabhängige Konnektivität und offene Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs) ermöglichen die Integration vorhandener Software und Ökosysteme, auch von Drittanbietern, in Building X. Alle Daten können dann zum Beispiel an CSRD-Plattformen übergeben werden.
Eine zentrale Applikation innerhalb von Building X ist der Energy Manager. Er schafft Transparenz in Bezug auf den Energieverbrauch, die Kosten und die CO2-Emissionen eines oder mehrerer Gebäude und ermöglicht somit bei Bedarf frühzeitige Korrekturmaßnahmen. Zudem erstellt er Prognosen für den Energieverbrauch auf Grundlage historischer Daten und unterstützt Nutzer bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele.
Energiedatenmanagement in der Praxis
Auch die Stadtwerke Stuttgart setzen bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele auf Building X. Die Stadt Stuttgart möchte bis 2035 klimaneutral sein, zehn Jahre früher als es das Klimaschutzgesetz für Deutschland vorsieht. Dafür müssen jährlich 3,6 Megatonnen CO2-Äquivalente eingespart werden – eine große Herausforderung. Das kommunale Versorgungsunternehmen versteht sich dabei als Umsetzungspartner der baden-württembergischen Landeshauptstadt und Motor der Energiewende in der Region.
In dieser Rolle gehen die Verantwortlichen der Stadtwerke Stuttgart-Gruppe beispielhaft voran und fangen damit bei ihrem Hauptsitz in der Stuttgarter Kesselstraße an: Mit Siemens setzt das Unternehmen beispielsweise im Rahmen einer Technologiepartnerschaft ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept um. Produkte, Lösungen und Services kommen in zahlreichen Effizienz-, Energie- und Quartiersprojekten zum Einsatz, darunter auch Building X. Konkret sieht das so aus: Siemens stellt Sensorik und Software bereit. Mit den daraus resultierenden Möglichkeiten und Daten entwickelt Siemens gemeinsam mit den Energieexperten der Stadtwerke Stuttgart Energie- und Wärmekonzepte, die in Systeme von Kundinnen und Kunden integriert werden können. Die Modernisierung des neuen Firmensitzes ist die erste konkrete Maßnahme der Technologiepartnerschaft zwischen Siemens und der Stadtwerke Stuttgart-Gruppe. Im Juli 2024 wurde das Gebäude eingeweiht.
Ein weiteres Beispiel für einen nachhaltigen Gebäudebetrieb ist die Funke Mediengruppe mit ihrer neuen Unternehmenszentrale im Herzen der Essener Innenstadt. Auf rund 37.000 m2 ermöglicht das innovative Bürogebäude den über 1.000 Mitarbeitenden ein kreatives Arbeitsklima. Auch für die Erreichung der ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele spielt die Digitalisierung der Zentrale eine entscheidende Rolle: Durch eine intelligente Steuerung des Gebäudebetriebs ist Funke energieeffizient und zukunftssicher aufgestellt. „In so einem riesigen Gebäude haben wir ungefähr 12.000 Datenpunkte“, resümiert Heiko Hansler, Leiter Real Estate bei der Funke Mediengruppe. „Siemens hilft uns, die Daten zu verstehen und in Zusammenhang zu bringen, um daraus Ableitungen für den Gebäudebetrieb zu treffen. So können wir das Gebäude nutzungsgerecht, effizient und energiesparend betreiben.“
Fazit
Cloudbasierte Lösungen schaffen die technologische Basis für eine neue Dimension von Energiedatenmanagement, das über herkömmliches Monitoring hinausgeht. Das wiederum ist der Schlüssel für Dekarbonisierung und einen effizienten Gebäudebetrieb.