Energie in Steinen speichern Mehr als nur heiße Luft

Ziel des FES-Speicherkonzepts ist es, die von Windturbinen erzeugte Energie kostengünstig zwischenzuspeichern, sofern sie im Stromnetz nicht gebraucht wird oder wegen Überlastung nicht transportiert werden kann.

05.04.2017

Schwankungen liegen in der Natur der Windenergie. Damit die Netze dennoch stabil bleiben und überschüssige Energie nicht verloren geht, sind effektive Speichersysteme notwendig. Mit FES stellt Siemens nun ein Konzept vor, das auf einer Steinschüttung beruht.

Ein Sturmtief kann auch Positives bewirken. Das zeigte sich beispielsweise am 1. Dezember 2016: Die Unwetterfront „Theresa“ sorgte dafür, dass deutschlandweit zeitweise mehr als 31.000 MW Windstrom ins Netz eingespeist wurden. Normalerweise fällt der Stromertrag jedoch deutlich niedriger aus und schwankt in Abhängigkeit von den Windverhältnissen. Folglich entstehen Fluktuationen, die ausgeglichen werden müssen, um die Netzstabilität zu sichern. Speichertechnologien werden deshalb immer wichtiger.

Mit Future-Energy-Solution (FES) stellt Siemens nun ein neues Speicherkonzept vor. Ziel ist es, die von Windturbinen erzeugte Energie kostengünstig zwischenzuspeichern, sofern sie im Stromnetz nicht gebraucht wird oder wegen Überlastung nicht transportiert werden kann. Eine in Hamburg installierte Demonstrationsanlage kann Strom über einen Zeitraum von mehreren Stunden bis zu einem Tag speichern.

Der Elektrotechnik-Spezialist entwickelte FES in Zusammenarbeit mit der TU Hamburg-Harburg und dem Energieversorger Hamburg Energie. Zudem förderte das Bundeswirtschaftsministerium das Vorhaben im Rahmen des Projekts „Future Energy Systems“.

Der Energiekreislauf von FES

Die Anlage wandelt überschüssige Windenergie in Wärme um, die anschließend in eine mit einem Isoliermantel geschützte Steinschüttung geleitet wird. Die Steine erhitzen sich dadurch auf Temperaturen von über 600 °C. Besteht Bedarf an der gespeicherten Energie, wird ein Luftstrom über die Steine geleitet und erhitzt, um damit einen Dampfkreis zu betreiben. Somit entsteht erneut Strom. Der Aufbau mit Natursteinen ist kostengünstig und macht den Wärmespeicher zu einer wirtschaftlichen Lösung. Die Technik könnte sich damit zu einer sinnvollen Ergänzung bereits bestehender Speichersysteme für die Energiewende entwickeln.

Um das Konzept zu optimieren, untersucht die Corporate Technology (CT) von Siemens seit 2016 in einer Testanlage in Erlangen den Wärmetransport innerhalb der Steinschüttung. „Der thermische Speicher ist das Herzstück der Hamburger Anlage“, sagt CT-Projektleiter Vladimir Danov. „Um ihre Gesamteffizienz zu erhöhen und die Anlage auch im Kraftwerksmaßstab bauen zu können, ist es besonders wichtig, die Wärmetransportphänomene im Speicher zu verstehen.“ Danov und sein Team interessieren sich mitunter für die Strömungs- und Wärmeverteilung, deren Schwankungen sowie die Verluste des Energiespeichers. Denn je genauer sie den Wärmetransport in der Schüttung nachvollziehen können, desto besser lässt sich der Wärmespeicher an die Erfordernisse der Gesamtanlage anpassen.

13.000 Keramikkugeln helfen, den Wärmetransport zu untersuchen

Die etwa fünf Meter lange Anlage ist in einem Container verbaut. Statt Steinen lagern zu Testzwecken rund 13.000 Keramikkugeln in dem Speicher. „Ihr Vorteil: Sie haben alle die gleiche Größe und Form, sodass der Wärmetransport und die Vorgänge in der Schüttung leichter zu berechnen sind“, erklärt Danov. „Keramikkugeln verwenden wir aber nur in der aktuellen Testphase. Im nächsten Schritt füllen wir den Speicher mit Natursteinen, um den Einfluss unregelmäßiger Formen und verschiedener Stoffdaten auf den Wärmetransport zu untersuchen.“ Für die großtechnische Umsetzung kommen Keramikkugeln aber nicht in Frage, da ihr Einsatz zu teuer ist. Die Forscher suchen derzeit noch nach dem idealen Gestein. Die wichtigste Eigenschaft ist dessen thermische Stabilität. Je höher sie ausfällt, desto langlebiger und effizienter wird der Speicher.

Eine Herausforderung stellt auch die Beobachtung der Wärmetransportvorgänge in der Schüttung dar. Hierzu haben die Forscher rund 50 Thermoelemente in den Speicher verbaut. Diese messen an verschiedenen Punkten in der Steinschüttung die Temperatur. Daneben überwachen die Experten den Luftvolumenstrom sowie den Druckverlust im Innern des Speichers. „Unsere Erkenntnisse helfen, das Anlagenkonzept künftig in einen größeren Maßstab zu überführen“, sagt Jochen Schäfer, Leiter der Forschungsgruppe Distributed Energy Systems and Heat Conversion innerhalb der CT.

Geschätzter Wirkungsgrad von bis zu 50 Prozent

Zuvor aber ist es das Ziel, einen Speicher als Gesamtanlage, also mit dem technologischen Part der Rückverstromung, zu bauen. Dieser Teil nämlich fehlt derzeit noch bei den Prototypen in Hamburg und in Erlangen, da der Fokus bislang auf dem Wärmefluss durch die Schüttung lag. Anfang 2018 soll auf dem Gelände der Aluminiumhütte Trimet in Hamburg-Altenwerder eine Komplettanlage, bestehend aus Speicher und Rückverstromung, entstehen. Ihr Wirkungsgrad wird 25 Prozent betragen. Der Wirkungsgrad einer großtechnischen Anlage mit einer Leistung von mehr als 100 Megawatt könnte sogar bis auf 50 Prozent ansteigen.

Bildergalerie

  • Gemeinsam mit dem Energieversorger Hamburg Energie und der TU Hamburg-Harburg haben Siemens-Experten der Division Wind Power and Renewables einen kostengünstigen Wärmespeicher für überschüssige Windenergie entwickelt.

    Gemeinsam mit dem Energieversorger Hamburg Energie und der TU Hamburg-Harburg haben Siemens-Experten der Division Wind Power and Renewables einen kostengünstigen Wärmespeicher für überschüssige Windenergie entwickelt.

    Bild: Siemens

  • Fast 13.000 Keramikkugeln werden in der Siemens-Testanlage eingesetzt. Sie erleichtern es den Forschern, den Wärmestrom zu untersuchen und zu optimieren. Im nächsten Schritt werden sie die Kugeln dann durch echtes Gestein ersetzen.

    Fast 13.000 Keramikkugeln werden in der Siemens-Testanlage eingesetzt. Sie erleichtern es den Forschern, den Wärmestrom zu untersuchen und zu optimieren. Im nächsten Schritt werden sie die Kugeln dann durch echtes Gestein ersetzen.

    Bild: Siemens

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