Netzwerkstörungen oder -ausfälle sind in der Industrie keine Seltenheit. So geben rund ein Drittel der Industrieunternehmen an, ein- bis dreimal im Monat davon betroffen zu sein – bei knapp sieben Prozent treten diese sogar wöchentlich auf. Diese Störungen kosten Unternehmen nicht nur Zeit, sondern vor allem Geld. Thomas Kruse, Produktmanager bei Reichelt Elektronik, erklärt, wie der Predictive-Maintenance-Ansatz auch in der Netzwerktechnologie vielversprechende Vorteile bieten kann.
Herausforderungen und Probleme in der Netzwerkinfrastruktur
Netzwerkinfrastrukturen sind die Basis des Datenverkehrs in Unternehmen. Gleichzeitig sind sie anfällig für eine Vielzahl von Störungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Produktivität und Sicherheit haben können. Von defekten Switches, überhitzten Komponenten und maroden Kabeln bis hin zu Firmwarefehlern oder fehlerhaften Konfigurationen gibt es eine Vielzahl von möglichen Ursachen für Ausfälle. Auch äußere Einflüsse wie Stromausfälle oder klimatische Bedingungen können die physische Integrität der Infrastruktur beeinträchtigen.
Hinzu kommt die wachsende Bedrohung durch Cyberangriffe. DDoS-Attacken, Ransomware oder gezielte Angriffe auf Netzwerkgeräte können Netzwerke gezielt lahmlegen und sensible Daten gefährden. Insbesondere durch die zunehmende Digitalisierung und Remote-Arbeit ist die Netzwerksicherheit ein kritischer Faktor für Unternehmen jeder Größe.
Nicht zuletzt durch den Einsatz von Technologien wie der Cloud oder SDN (Software Defined Networking) sind Netzwerke heutzutage komplexer denn je. Eine manuelle Überwachung und Wartung ebenso wie die Identifizierung von Fehlerquellen wird so immer schwieriger.
Diese Herausforderungen machen deutlich: Herkömmliche reaktive Wartungsansätze stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Um Ausfälle frühzeitig zu erkennen und gezielt vorzubeugen, ist ein neuer Ansatz erforderlich – und genau hier setzt Predictive Maintenance an.
Predictive Maintenance für ein stabileres Netzwerk
Anstatt auf Ausfälle zu reagieren, zielt Predictive Maintenance darauf ab, Fehler zu identifizieren, bevor sie tatsächlich eintreten. Die Grundlage dafür bilden die gemessenen und gesammelten Daten wie Temperatur, Fehlerraten oder die Brandbreitennutzung. Mithilfe von KI, Machine Learning (ML) und statistischer Analyse können aus diesen Daten Vorhersagemodelle erstellt werden, die typische Abweichungen vom Normalbetrieb erkennen. So entsteht ein solides Frühwarnsystem, das Unternehmen hilft, Ausfälle zu vermeiden.
Die Technik der vorausschauenden Wartung wird bereits seit Jahren zum Monitoring von Maschinen erfolgreich eingesetzt. Im Vergleich zur Predictive Maintenance im Maschinenbau unterscheidet sich der Einsatz in Netzwerken vor allem in den verwendeten Datenarten und Modellansätzen. Während bei physischen Maschinen häufig Schwingungen oder Laufzeiten im Fokus stehen, kommen hier primär protokollbasierte und verhaltensbasierte Daten zum Einsatz. Protokollbasierte Daten werden direkt aus den Netzwerkprotokollen gezogen und analysiert, wie etwa Syslog-Nachrichten (Systemmeldungen von Routern oder Switches) oder NetFlow (sammelt und überwacht Daten aus dem Netzwerkverkehr).
Verhaltensbasierte Daten hingegen ergeben sich aus der Analyse des tatsächlichen Nutzungsverhaltens im Netzwerk. So können zum Beispiel Unregelmäßigen im Login- beziehungsweise Zugriffsmuster oder untypische Kommunikationsverhalten von Geräten festgestellt werden. Auch die eingesetzten Modelle variieren: Bei Predictive Maintenance im Netzwerk sind etwa Modelle wie RNN (Recurrent Neutral Networks) und LSTM (Long Short-Term Memory) gefragt. Sie eignen sich besonders zur Überwachung von Sequenzen oder zeitlichen Daten, da sie zum Beispiel sich steigernde Latenzen erkennen. So ermöglichen sie das frühzeitige Identifizieren von Problemen, die sich schleichend ankündigen.
Ein konkretes Anwendungsbeispiel ist die Überwachung der Temperatur eines Routers. Zeigt die Analyse der Temperaturdaten eine regelmäßige Überhitzung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hardwaredefekt vorhanden ist, der schnell zu einem Totalausfall führen kann. Ein anderes Beispiel findet sich im Bereich Performance: Eine kontinuierliche Überwachung der Latenz- und Durchsatzwerte kann Performanceprobleme frühzeitig sichtbar machen, noch bevor Nutzer sie bemerken.
Viel Potenzial, weniger Kosten
Der Einsatz von Predictive Maintenance in der Netzwerktechnologie kann nicht nur technische Probleme lösen, sondern auch wirtschaftliche Vorteile bringen. Zum Beispiel lässt sich damit eine deutliche Reduzierung von Ausfallzeiten erreichen. Statt auf Störungen reagieren zu müssen – oft unter Zeitdruck und mit häufig hohem finanziellem Aufwand – können Wartungen gezielt eingeplant werden. Dies führt nicht nur zu kürzeren Unterbrechungen, sondern senkt auch die Häufigkeit der Ausfälle insgesamt.
Hinzu kommt ein effizienterer Ressourceneinsatz: Durch eine Priorisierung von Wartungsmaßnahmen können sowohl personelle als auch technische Ressourcen gezielter eingesetzt werden. Denn damit müssen nicht mehr alle Systeme regelmäßig geprüft werden, stattdessen richtet sich der Fokus ganz auf die Bereiche mit auffälligen Werten. Auch Ersatzteile oder externe Dienstleister können so besser eingeplant werden. All das führt insgesamt zu einer deutlichen und spürbaren Kostensenkung.
Ausblick: Wachsender Datenverkehr führt zu größerer Belastung
Der Datenverkehr in Netzwerken von Unternehmen wächst ständig und stellt diese zunehmend vor immer größer werdende Herausforderungen. Besonders deutlich wird das beim Einsatz von Technologien wie KI oder Robotik. Denn diese sind stark auf eine verzögerungsarme Kommunikation angewiesen und benötigen leistungsfähige und zuverlässige Netzwerke. Predictive Maintenance wird in diesem Kontext zu einem unverzichtbaren Werkzeug: Es hilft dabei, potenzielle Schwachstellen frühzeitig zu erkennen, gezielt gegenzusteuern und die Netzwerkinfrastruktur resilient und zukunftsfähig zu gestalten.