Kommentar Halbleiter-Engpass: Rächt sich jetzt die Abhängigkeit von globalen Lieferketten?

In Sachen Halbleiter ist Deutschland stark von Auslandsimporten abhängig. Wie wirken sich die durch Corona gestörten Lieferketten nun auf produzierende Unternehmen aus?

Bild: iStock, Franck-Boston
09.02.2021

Die Lieferengpässe im Halbleitermarkt werden sich auch in der Preisgestaltung widerspiegeln, sind sich Branchenexperten der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners sicher. Grigori Bokeria, Matthias Frahm und Sylvia Doser erklären, warum Endkunden ebenfalls mit höheren Preisen konfrontiert werden sollten.

Die derzeitige Knappheit im Halbleitermarkt scheint wie die Spitze des Eisbergs. Von der Automobilbranche über die Unterhaltungselektronik bis hin zur Industriegüterbranche sind alle betroffen.

Betrachtet man die Top 10 der globalen Halbleiterhersteller, wundert dies nicht. Deutsche und europäische Hersteller belegen die letzten Plätze, die Abhängigkeit von internationalen Anbietern ist daher immens. Unternehmen wie Infineon sind jetzt gefragt: Der Münchner Dax-Konzern will aufgrund der positiven Umsatzprognose seine neue Fabrik schneller hochfahren als bislang geplant.

Konkurrenzkampf um Halbleiter

Vor allem die Automobilindustrie leidet: Halbleiter sind elementarer Bestandteil der Lieferkette, einige Hersteller haben bereits angekündigt, dass mit einer drastischen Reduktion des avisierten Produktionsvolumens bis hin zu Produktionsstillständen zu rechnen ist. Der Corona-bedingte Boom in Branchen wie der Unterhaltungselektronik und vor allem auch Zukunftstrends wie die Elektromobilität oder Industrie 4.0 sorgen für weitere Verknappung im Halbleitermarkt.

Unlängst ist ein Konkurrenzkampf verschiedener Branchen um das Angebot an verfügbaren Halbleitern entbrannt. Wir beobachten, dass dabei vor allem Industriezweige mit traditionell niedrigem Preisniveau, wie die Automobilbranche, das Nachsehen haben. Da die bestehenden Engpässe durch Ad-hoc-Maßnahmen aller Voraussicht nach nicht gelöst werden können, ist mittelfristig mit steigenden Bezugspreisen für Halbleiter zu rechnen.

Preissteigerungen für Endkunden

Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass Unternehmen generell wenig auf Preissteigerungen innerhalb ihrer Lieferkette reagieren und steigende Kosten kaum oder gar nicht auf ihre Produktpreise übertragen. Kostensteigerungen sind somit Profitkiller Nummer eins, wenn diese nicht in Form von Preisanpassungen an Kunden weitergegeben werden.

Höchstwahrscheinlich werden auch die Bezugspreise für Halbleiter steigen. Davon abhängige Unternehmen sollten sich also gezielt darauf vorbereiten, die Aufschläge systematisch in ihrer Preisstrategie zu berücksichtigen, um nicht auf Mehrkosten sitzen zu bleiben.

Langfristige Strategie?

Eine Verknappung der Halbleiter wird zudem zwangsläufig zu Allokationsmaßnahmen führen. Industrieunternehmen sollten frühzeitig reagieren und durch transparente Kommunikation mit dem Kunden nachvollziehbar machen, welche Produkte betroffen sind und ob sich pünktliche Lieferfähigkeit gewährleisten lässt.

Die Politik versucht aktuell durch Gespräche unter anderem mit Taiwan das Angebot an verfügbaren Chips zu erhöhen und gleichzeitig die Abhängigkeit durch gezielte Maßnahmen im heimischen Markt zu reduzieren. Diese Maßnahmen werden die Situation verbessern, aber die grundsätzliche Problematik nicht lösen. Mit Spannung wird man in den nächsten Monaten beobachten können, wie die langfristige Strategie der deutschen Industrie aussieht.

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