Heutige Leiterplatten bestehen aus fossilen Rohstoffen und lassen sich kaum recyceln. Empa-Forschende haben eine biologisch abbaubare Variante entwickelt – ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltige Elektronik. Ihr Biomaterial basiert vollständig auf Holz und lässt sich zu funktionierenden Platinen für elektronische Geräte verarbeiten. Sie sind das „Herz“ eines jeden elektronischen Geräts, vom Laptop bis hin zur elektrischen Zahnbürste: Leiterplatten, auch Platinen oder PCBs genannt, aus dem Englischen „printed circuit boards“. Die steifen Platten sind mit Kupferbahnen und verlöteten Elektronikkomponenten übersät und meist in einem charakteristischen Grün lackiert. Nur besonders umweltfreundlich sind sie nicht.
Als Trägermaterial für die Kupferbahnen und elektronischen Komponenten kommt in der Regel ein Laminat aus glasfaserverstärktem Epoxidharz zum Einsatz. Dieser Verbundwerkstoff wird aus Erdöl hergestellt und lässt sich nicht recyceln. Die fachgerechte Entsorgung ist aufwendig, zum Beispiel in einem speziellen Pyrolyseofen mit Abluftreinigung – ein Problem angesichts der großen Mengen an ausgedienten Platinen, die jedes Jahr zur Entsorgung anfallen.
Forschende um Thomas Geiger aus dem „Cellulose and Wood Materials“-Labor der Empa arbeiten an einer „grünen“, sprich nachhaltigen, Alternative – die in Wahrheit braun ist. Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „HyPELignum“ (siehe Box) haben sie ein Trägermaterial für die Leiterplatten auf der Basis von Holz entwickelt, der mit dem konventionellen Epoxidharz mithalten kann – und zugleich vollständig biologisch abbaubar ist. Die daraus hergestellten Platinen haben die Forschenden in funktionierende Computermäuse eingebaut.
„Dream Team“ aus Fibrillen und Lignin
Der Ausgangsstoff für das Trägermaterial ist eine natürliche Mischung aus Cellulose mit etwas Lignin. Streng genommen handelt es sich dabei um ein Abfallprodukt. „Unsere Partner am Forschungsinstitut TNO in den Niederlanden haben ein Verfahren entwickelt, um die Rohstoffe Lignin und Hemicellulose aus dem Holz zu extrahieren“, erklärt Geiger. „Was bleibt, ist die bräunliche Lignocellulose, für die es bisher keine Verwendung gab.“ Geiger, der bereits seit langem an Elektronik aus Cellulose forscht, sah das Potenzial des Rohstoffs.
Damit aus der flockigen Lignocellulose ein High-Tech-Produkt wie eine Leiterplatte werden kann, muss sie zunächst mit Wasserzugabe gemahlen werden, um die relativ dicken Cellulosefasern zu feinen Cellulose-Fibrillen aufzuschließen. Dabei entsteht ein feines Netz aus hauchdünnen Fibrillen, die untereinander verknüpft sind. In einem nächsten Schritt wird das Wasser aus der Masse mit hohem Druck herausgepresst. Die Fibrillen rücken näher zusammen und trocknen zu einer festen Masse. Diesen Prozess nennen die Forschenden „Hornifizierung“. „Das enthaltene Lignin dient als ein zusätzliches Bindemittel in der Masse“, so der Forscher.
Die so entstandene hornifizierte Platte ist nahezu so widerstandsfähig wie eine konventionelle Leiterplatte aus Glasfasern und Epoxid – nahezu. Denn diese kompostierbare Platte reagiert noch immer empfindlich gegenüber Wasser und hoher Luftfeuchtigkeit. Aber Wasser wird benötigt, denn, „wenn gar kein Wasser mehr in das Trägermaterial eindringen kann, können auch keine Mikororganismen, wie Pilze, mehr darin wachsen – und damit wäre die Bioabbaubarkeit nicht mehr gegeben“, erklärt Geiger.
Kompostierbare Computermaus
Dennoch sind die Forschenden zuversichtlich, dass sich die Resistenz des Biowerkstoffs aus Lignocellulose mit der richtigen Verarbeitung weiter verbessern lässt. „Bei gewissen Anwendungen müssen wir aber auch unser Verhältnis zur Elektronik überdenken“, sagt Thomas Geiger. „Viele elektronische Geräte sind nur wenige Jahre in Gebrauch, bevor sie veralten – es ist daher nicht unbedingt sinnvoll, sie aus Materialien herzustellen, die Hunderte von Jahren überdauern können.“
Ihre nachhaltigen Leiterplatten haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit ihrem Industriepartner Profactor in Österreich mit Leiterbahnen bedruckt und mit Komponenten bestückt, um funktionierende elektronische Geräte herzustellen, etwa eine Computermaus oder eine RFID-Karte. Am Ende seiner Lebensdauer könnte ein solches Gerät unter den richtigen Bedingungen kompostiert werden. Ist das Trägermaterial erst mal zersetzt, lassen sich die metallischen und elektronischen Komponenten aus dem Kompost entnehmen und recyceln.
Als nächstes wollen die Forschenden ihren Biowerkstoff für Leiterplatten widerstandsfähiger machen, ohne seine Bioabbaubarkeit zu beeinträchtigen. Auch planen die Projektpartner weitere Demonstrationsgeräte mit Platten aus Lignocellulose zum Abschluss des „HyPELignum“-Projekts 2026 anzufertigen. Nicht fehlen darf auch der Transfer in die Industrie: „Gemeinsam mit Schweizer und europäischen Unternehmen wollen wir weitere Verwendungsmöglichkeiten für den Lignocellulose-Werkstoff entwickeln“, sagt Geiger.
„HyPELignum“
Das EU-Forschungsprojekt „HyPELignum“ hat zum Ziel, einen ganzheitlichen Ansatz für eine funktionale, CO2-neutrale Elektronik zu entwickeln. Dafür kombinieren die internationalen Projektpartner aus Forschung und Industrie holzbasierte Ausgangsstoffe und möglichst unkritische Übergangsmetalle mit additiver Fertigung und fortschrittlichen Nachhaltigkeitsanalysen. Das Projekt wurde im Rahmen des „Horizon Europe“-Programms und dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert und läuft von Oktober 2022 bis September 2026. Forschende der Empa beteiligen sich an der Entwicklung nachhaltiger Leiterplatten sowie an der Lebenszyklusanalyse.