Disruptives Denken dulden Erfolgreich digitale Geschäftsmodelle für die Industrie entwickeln

Ein neues Geschäftsmodell entspringt einem Design-Prozess und wird von der Idee bis zur Version, die man dem Kunden vorstellt, noch vielfach überarbeitet – so gelingt eine erfolgreiche Entwicklung.

Bild: iStock, Urupong
13.09.2021

Die Digitalisierung wird mit Industrie 4.0 nicht nur die Art und Weise verändern, wie wir Produkte und Dienstleistungen erstellen und liefern, sondern auch, wie wir diese Produkte und Services verwenden. Wer diese neue Verwendung implizit vorwegdenkt und sein Angebot darauf ausrichtet, hat gute Chancen, als Gewinner aus dem Rennen herauszulaufen. Was ist dafür eine gute Trainingsvorbereitung?

Folgende Rahmenbedingungen haben sich bisher als sehr erfolgreiche Eckpunkte herauskristallisiert:

Neues Geschäftsmodell entwerfen

Ein neues Geschäftsmodell entsteht nicht in einem Heureka-Moment unter der Dusche, sondern entspringt einem Design-Prozess und wird von der Idee bis zur Version, die man dem Kunden vorstellt, noch vielfach überarbeitet.

Was ist denn überhaupt neu an dem Geschäftsmodell? Ist es ein neues Angebot (Produktinnovation) ein neuer Ablauf (Prozessinnovation) oder ist das Abrechnungsmodell neu (Business Model Innovation)? Wir nennen das Modul in der frühen Stategie-Phase „Discovery & Innovation“, also Möglichkeiten von digitalen Geschäftsmodellen erkennen und daraus Ideen für das eigene Unternehmen entwickeln.

Das viel zitiert Pay-per-Use – also ich verkaufe keine Maschine mehr, sondern werde nur noch für die Nutzung bezahlt – ist nur eine von fünf möglichen digitalen Geschäftsmodellen:

  • Digitale Plattformen

  • Applikationen

  • Produkt als Service

  • Digitale Elemente

  • Konnektivität

Eine Plattform vermittelt im Prinzip „nur“ zwischen Anbieter und Anwender, allerdings mit einer gewissen Intelligenz, die dem Plattform-Nutzer echte Mehrwerte bietet. Applikationen stellen Anwendungen da, die bereits aus Daten einen Nutzen generieren – beispielsweise eine „Gesundheits-App“ für meine Maschine. Beim Produkt als Service wird – wie oben angedeutet – nur die Verwendung und nicht der Besitz in Rechnung gestellt.

Digitale Elemente können Mehrwerte als digitale Komponenten sein, also der Digitale Zwilling zur Maschine oder Augmented-Reality-Anwendungen. Der Bereich kann leicht mit Feld „Applikationen“ verschwimmen. Konnektivität schlussendlich bildet die Online-Verfügbarkeit als Geschäftsmodell ab, also beispielsweise für die Fernwartung.

Ein guter Startpunkt für ein Geschäftsmodell ist immer noch das Business Model Canvas, um sich auf einer Leinwand einen Überblick über die angebotene Leistung, das Kosten- und Einnahmenmodell zu verschaffen. Vorlagen stehen hierfür als Open Source im Netz bereit. Eine Geschäftsidee sollte hierfür jedoch schon existieren und eine Wow-Geschäftsidee sollte den reinen Kundennutzen im Fokus haben.

Kundennutzen im Fokus

Wichtig für die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen ist der Blick aus der Kundenbrille. Welchen Schmerz beseitigt das neue Geschäftsmodell, wie häufig tritt es beim Kunden auf und ist er bereit dafür zu bezahlen? Wer datenbasierte Geschäftsmodelle so strickt, dass der Kunde genervt ist, weil er am Ende für alles extra bezahlen muss, hat vielleicht Monetarisierungspotenziale gehoben, aber lässt frustrierte Kunden zurück.

Das ist ein Einfallstor für (branchenfremde) Disruptoren. Disruptoren setzen dort an, wo der Frust der Kunden am Größten ist und schieben sich darüber zwischen Kunden und Anbieter, um den Anbieter letztlich ganz vom Kundenkontakt abzuschneiden. Damit das nicht passiert, hat Google den Faktor 10 ins Spiel gebracht. Faktor 10 heißt, nicht das Produkt nur inkrementell um 10 Prozent zu verbessern, sondern die Kundenerfahrung um den Faktor 10 zu heben. Wir nennen es den Wow-Effekt. Wie sagte Oren Harari so schön, „Das elektrische Licht kam nicht durch die inkrementelle Verbesserung der Kerze.“ Im Übrigen auch nicht durch die Kerzenhersteller selber… Inkrementelles Vorgehen ist aber nicht zu verwechseln mit experimentellem Vorgehen

Experimentelles Vorgehen

Das Testen in Experimenten hat durch die agile Projekt- und Unternehmensorganisation einen Boom erfahren. Für einen Sprint-Zeitraum von zwei bis vier Wochen werden Thesen anhand von Experimenten erprobt und validiert. Mit so genannten Minimum Viable Products (MVP) – also Produkten, die prototypenmäßig eine Kernfunktion abbilden – wird die Akzeptanz beim Kunden erprobt.

Zu Anfang teste ich zunächst den Problem-Lösungs-Fit. Wie oft tritt das Problem überhaupt auf, ist es relevant, gibt es ein Interesse für eine potenzielle Lösung. Klassisch werden hier in etwa Interessenten für Beta-Programme gesucht. Wie schnell ist das Programm ausgebucht? Wie oft wird ein Whitepaper heruntergeladen und so weiter. Es wird versucht von 0 auf 1 zukommen. Dann gilt es mit Experimenten das Produkt zu testen, ein sogenannter Produkt-Markt-Fit.

Hier zeigt sich, ob das Produkt wirklich den Schmerz lindert. Ziel ist das Level von 1 auf 10 zu heben. Danach wird experimentiert, wie das Geschäftsmodell skaliert werden kann, dann geht es von 10 auf 100.

Das Ziel der Experimente ist, früh (und oft) zu scheitern, um so in kurzen Lernzyklen Erfahrungen zu sammeln.

Kurze Lernzyklen

In Zeiten, in denen sich Rahmenbedingungen sehr schnell und oft unvorhersehbar ändern ist es notwendig, dynamisch auf sich ändernde Parameter reagieren zu können. Kurze Lernzyklen helfen dabei diese Entwicklungen zügig in der Weiterentwicklung berücksichtigen zu können.

Kurze Lernzyklen bedeutet auch in Teilfunktionen zu denken und zu handeln. Nicht warten bis das Produkt komplett fertig entwickelt wurde, sondern Produkte mit einer Kernfunktion auf den Markt bringen und lernen welche Funktion die Zweite sein sollte, die folgen muss, natürlich aus Sicht des Anwenders. Aber durchaus die große Vision im Blick zu behalten, wo es hingehen soll, damit alles am Ende wieder zusammengefügt werden kann, ganz nach dem Prinzip: Think big, start small, learn fast. Auch Amazon hat am Anfang nur Bücher verkauft.

Fakten über Meinungen entscheiden lassen

Ein anderer Begriff für digitale Geschäftsmodelle ist auch datenbasierte Geschäftsmodelle, da durch die Vernetzung sehr viele Daten gesammelt und ausgewertet werden, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Bei der Bewertung von neuen Geschäftsmodellen sollte man ähnlich vorgehen.

Ja, ein gutes Bauchgefühl für zukünftige Bedarfe ist wichtig und vielfach auch der Schlüssel bei Sprung-Innovationen. Doch Achtung, selbst etwas großartig zu finden und es unbedingt zu wollen verschleiert gerne den Blick auf die Tatsachen, um nicht von alternativen Fakten zu sprechen. Wichtig ist, das Bauchgefühl mit belastbaren Daten zu hinterfragen und zu analysieren.

Vorgehen in 6 Phasen und drei Sprints

Die Digitalisierung liefert die Möglichkeiten, kundenzentrierter zu werden und neue Geschäftsmodelle zu digitalisieren durch Innovationen von Produkten, Prozessen und/oder Abrechnungsmodellen. Ein Innovations-Prozess verläuft in der Regel in 6 Phasen:

  • Strategie erarbeiten

  • Readiness-Reifegrad feststellen

  • Roadmap aufsetzen

  • Technologie evaluieren

  • Prototyp entwickeln

  • Realisierung

Jede Phase wird durch Workshop-Formate unterstützt, die unabhängig zu konkreten Ergebnissen führen. Dies wird durch das Design-Sprint-Format sichergestellt. Jeder Workshop wird in drei Sprints durchgeführt:

  • Sprint 1: Gemeinsames Problemverständnis

  • Sprint 2: Lösungsansätze skizzieren & Entscheidung treffen

  • Sprint 3: Lösungsansatz verifizieren

Mit diesem Vorgehensmodell kann man an der Zukunft einfach nicht mehr vorbeilaufen.

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