Kommentar Digitalisierung erfordert Mut

Dieter Conzelmann war 16 Jahre lang Director Industry Solutions Market bei Bizerba. Seit 2017 ist er Geschäftsführer Bizerba Busch in der Schweiz. Bizerba Busch hat etwa 100 Mitarbeiter und ist ein Anbieter von Lösungen in den Bereichen Abfülltechnik, Material-Handling, Wäge- und Auszeichnungstechnologie sowie Inspektion.

Bild: Bizerba Busch
18.10.2019

Jeder redet von Digitalisierung, dem Digitalen Zwilling, doch vielen ist nicht klar, was sich dahinter verbirgt. Einige Kunden sind damit überfordert und wissen nicht, was sie damit machen sollen. Die eigenen Ingenieure lassen sich großartige Ideen einfallen, die aber nicht zu einem Mehrwert für die Kunden führen. Wie können wir das ändern?

Dieter Conzelmann war mit diesem Beitrag im P&A-Kompendium 2019 als einer von 100 Machern der Prozessindustrie vertreten. Alle Beiträge des P&A-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .

Bizerba Busch ist das Kompetenzzentrum für Abfüllsysteme weltweit. Eines der wichtigsten Themen – neben der eigentlichen Funktion des präzisen Abfüllens von Flüssigkeiten im Explosionsschutz- und Nicht-Explosionsschutz-Bereich – ist das Thema Digitalisierung.

Welchen Mehrwert schaffen wir für unsere Kunden, wenn wir den digitalen Zwilling eines Abfüllsystems zur Verfügung haben? Dies ist eine der wichtigsten Fragen bei der Digitalisierung. Welche Mehrwerte schaffe ich für unsere Kunden durch die Digitalisierung? Sicherlich nicht, indem ich dem Kunden lediglich Daten zur Verfügung stellen, die eine Maschine liefert. Sicherlich auch nicht, indem ich dem Kunden das virtuelle Bild einer Maschine zeige. 

Neue Geschäftsmodelle mit dem Kunden entwickeln

Wir bei Bizerba Busch haben deshalb begonnen, unsere Organisation auf die neue Herausforderung Digitalisierung anzupassen. Neben der klassischen Organisation (hierarchische oder Matrix-Organisation), die heute in den meisten Betrieben etabliert ist, haben wir ein sogenanntes Geschäftsmodell Organisation ins Leben gerufen. Es beinhaltet Mitarbeiter aus allen Bereichen wie zum Beispiel Entwicklung, Montage und Mitarbeiter von Schlüsselkunden.

Gemeinsam wird nach Angeboten gesucht, die unsere Kunden gerne hätten, die aber heute noch nicht zur Verfügung stehen. Diese neuen Wertangebote werden dann zu einem Geschäftsmodell vervollständigt, bei dem auch die zu erwartenden Ein- und Ausgaben definiert werden. So entstehen neue innovative Geschäftsmodelle im Kontext der Digitalisierung.

Wir sind dabei, Geschäftsmodelle zu entwickeln, bei denen der Kunde bereits von Beginn an mitarbeitet. Zusätzlich greifen wir auf die Expertise der HTW Chur zurück. Nach der Bewertung vieler Modelle sind wir auf zwei neue innovative Geschäftsmodelle gestoßen: die datenbasierte Unterstützung bei der Maschinenkonfiguration für neue Produkte und die Reduktion von Servicegesamtkosten durch vorausschauende Diagnostik.

Sechs-Phasen-Modell für die Geschäftsentwicklung

Für die Geschäftsentwicklung habe ich ein Sechs-Phasen-Modell erarbeitet, das wir bei Bizerba Busch anwenden. Wir beginnen dabei mit einem Inspirationsworkshop (1), gefolgt von einer Status-quo-Aufnahme (2). Darauf folgt die Kreativphase (3), in der wir uns durch keine Grenzen beschränken lassen. In einer weiteren Phase, der Entscheidungsphase (4), werden alle möglichen neuen Geschäftsmodelle bewertet und nur noch die mit dem größten Erfolgspotenzial weiterverfolgt. Es entstehen – zusammen mit den Kunden – die Prototypen (5) und anschließend, in der letzten Phase, wird bewertet (6). Unsere Erfahrungen zeigen: Der Erfolg von neuen Geschäftsmodellen ist sehr hoch, wenn wir unsere Kunden und Mitarbeitenden von Anfang an mit einbinden.

Mit dieser Methode haben wir bei Bizerba Busch schon einige neue Geschäftsmodelle ins Leben gerufen. Wir haben bei dem Trend Digitalisierung gelernt, dass Technik meist eine untergeordnete Rolle spielt. Es geht vielmehr darum, aus den vorhandenen Daten einen Mehrwert für unsere Kunden zu generieren und mutig ein neues, attraktives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel