Martin Plutz, Oculavis Die Wahrheit über AR in der Industrie

Martin Plutz ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Oculavis mit Hauptsitz in Aachen und Offices in Chicago und Shanghai. Das 2016 aus seinen Forschungsaktivitäten am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) hervorgegangene Unternehmen entwickelt mit 70 Mitarbeitern die vielfach ausgezeichnete Smart Service & CMMS Plattform Oculavis. Martin Plutz studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau an der RWTH Aachen University und ist zudem ehrenamtlich als Startup Mentor bei der RWTH Innovation engagiert.

Bild: Oculavis
27.10.2025

Augmented und Mixed Reality wurden in den vergangenen zehn Jahren vielfach als Schlüsseltechnologien für die Industrie gehandelt. Der Markt war geprägt von Pilotprojekten, ambitionierten Start-ups und großen Versprechen – doch nicht jeder Use Case hat den Praxistest bestanden. Doch welche Anwendung funktioniert nachhaltig, welche Ansätze sind gescheitert und welche Anforderungen zählen wirklich? Vor dem Hintergrund aktueller Hypes rund um Generative AI lassen sich daraus konkrete Empfehlungen ableiten: für Technologien, die Probleme lösen, nicht neue schaffen.

Seit Jahren gilt Augmented Reality (AR) als vielversprechende Technologie für die Industrie. Doch ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt: Der Weg von der Idee zur etablierten Lösung war geprägt von überzogenen Erwartungen, technischen Hürden und ernüchternden Realitäten. Gerade für die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Generativen KI (GenAI) lassen sich daraus wertvolle Lehren ziehen.

Frühe AR-Anwendungen setzten auf intelligente Brillen wie Google Glass oder Microsoft HoloLens. Die Idee: Techniker arbeiten freihändig, während Experten aus der Ferne mit AR-gestützten Hinweisen unterstützen. In der Praxis scheiterten viele dieser Lösungen jedoch an grundlegenden Anforderungen der Industrie. Begrenzte Akkulaufzeiten, mangelnder Tragekomfort, hohe Anschaffungskosten und geringe Skalierbarkeit verhinderten einen breiten Einsatz.

Insbesondere in rauen Industrieumgebungen zeigten sich schnell die Schwächen der Technologie. Die Hardware war sperrig, eingeschränkte Sichtfelder und aufwändige Nutzerschulungen führten dazu, dass viele Unternehmen wieder Abstand von AR-Brillen nahmen. Entscheidend war letztlich nicht der technologische Reiz, sondern der konkrete Mehrwert im Alltag – und der blieb oft aus.

Seitdem hat sich der technologische Reifegrad verändert. Erfolgreiche AR-Lösungen setzen heute nicht mehr auf spezielle Hardware, sondern auf die Nutzung vorhandener mobiler Endgeräte wie Smartphones. In Kombination mit QR-Codes und Remote-Support-Funktionen können Maschinen identifiziert, Probleme visualisiert und Experten aus der Ferne eingebunden werden. Damit wird AR zu einer Ergänzung bestehender Prozesse – nicht zu deren Ersatz.

Ein zentrales Erfolgskriterium ist die nahtlose Integration in bestehende IT- und Service-Infrastrukturen. Unternehmen profitieren insbesondere dann, wenn AR-Lösungen in ERP- oder Field-Service-Systeme eingebunden werden können. Praxisbeispiele zeigen Effizienzsteigerungen von bis zu 50 Prozent bei Reparaturzeiten und signifikante Einsparungen bei weltweiten Serviceeinsätzen.

Dabei ist AR heute weniger ein Hype als eine realistisch eingeschätzte Technologie mit gezieltem Nutzen. Die nächste Generation von AR-Brillen mag neue Impulse bringen, derzeit liegt der Fokus auf pragmatischen, mobilen Lösungen.

Für Unternehmen, die sich jetzt mit GenAI-Technologien beschäftigen, lässt sich daraus ein klarer Handlungsrahmen ableiten: Nicht der technologische Fortschritt an sich ist entscheidend, sondern die Fähigkeit, reale Probleme zu lösen, Prozesse zu vereinfachen und bestehende Strukturen intelligent zu ergänzen. Nur so wird aus technologischem Potenzial echter industrieller Mehrwert.

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