Prof. Dr. Ulrich Hermann, e.GO Mobile Die grüne Ökonomie der Dinge

Mit seinem Fokus auf datengetriebene Unternehmen, Dienstleistungen und Geschäftsprozesse sowie die digitale Transformation hin zu kundenzentrierten Geschäftsmodellen verfügt Prof. Dr. Ulrich Hermann über eine 20-jährige Erfahrung als CEO und Vorstandsmitgliedin verschiedenen Branchen. Er ist General Partner von Einstein Industries Ventures, einem Fond für Wachstumsfinanzierung mit Schwerpunkt auf Unternehmen im New Space, sowie Anteilseigner und Mitglied des Verwaltungsrates der Next.e.GO Mobile SE, einem Hersteller für batterieelektrische Fahrzeuge für die urbane Mobilität. Zuvor war Ulrich Hermann Mitglied des Vorstandes der Heidelberger Druckmaschinen. Als CDO leitete Ulrich das globale digitale Transformationsprogramm. Er war verantwortlich für den weltweiten Vertrieb, die Corporate IT und den Bereich Software und Services bei Heidelberg.

Bild: e.GO Mobile
27.10.2022

Unsere Welt befindet sich im Umbruch und nun am Rande einer Wirtschaftskrise. Dabei sind Energiekrise und gebrochene Lieferketten nicht die Ursache sondern das Symptom. Das an Absatzsteigerungen orientierte Wirtschaftsmodell ist letztlich der Ausgangspunkt für die kommende Krise und mehr noch, für die ökologische Frage unseres Jahrhunderts. Ein Zielbild für eine grüne digitale Ökonomie der Dinge muss her.

In den Produktionen heute werden große Stückzahlen gefahren, um für Rendite eine hohe Auslastung zu schaffen. Das Ergebnis sind Unmengen industrieller Produkte, entwickelt mit geplanter Obsoleszenz und produziert mit hohem Ressourcenverbrauch. Es liegt auf der Hand: Das tradierte kapitalistische Geschäftsmodell stellt das eigentliche Umwelt Problem dar. Es beruht auf der Idee, in der Besitz und Eigentum mit Freiheit gleichgesetzt wird; dieses Denken ist vor allem in der alten Generation unserer Gesellschaft verankert. Eine unfassbare Überproduktion nur gering genutzter Produkte ist die Folge.

Uns ist allen klar, dass es so nicht weitergeht; wir brauchen ein Umdenken. Die Lösung liegt in einem digitalen Geschäftsmodell für das Internet der Dinge, in der für Nutzung, nicht für Besitz bezahlt wird und deren Produktionssysteme auf die Herstellung langlebiger Produkte und die Erneuerung der Produkte umstellen. Für den Wandel sehe ich vor allem drei Handlungsfelder: Der Aufbau einer Infrastruktur für Daten im Weltall, eine Kreislaufwirtschaft, in der produzierende Unternehmen ihre eigenen, gebrauchten Produkte wieder aufbereiten und die Idee der neuen Generation, nach der Freiheit mehr „Zugang“ nicht mehr „Besitz“ bedeutet.

Wir befinden uns aktuell in einem neuen Technologiezyklus. Das Internet der Dinge lässt den IP Traffic explodieren. Mit dem „New Space“ entsteht deshalb ein neues Betriebssystem im Weltall, das die IoT-Industrie mit ihren Geschäftsmodellen überhaupt erst möglich macht. Die Kosten hierfür sind aufgrund der Entwicklung der wiederverwendbaren Rakete, der zunehmenden Miniaturisierung der Satelliten und der exponentiellen Leistungssteigerung der Sensoren im freien Fall.

Der Ausbau der Infrastruktur im Low Earth Orbit heute ist vergleichbar mit dem Internet der 1990er. In den vergangenen fünf Jahren hat der New Space knapp 30 Mrd. Euro Risikokapital angezogen – im Vergleich zu nur 6 Mrd. Euro in den 20 Jahren zuvor. Die Anzahl der Satelliten wächst folglich in der nächsten Dekade von derzeit 3.700 Satelliten auf 100.000. Wie vor 30 Jahren mit dem Internet wird der Zugang zu den Satellitenkonstellationen kommerziell und demokratisiert. Eine Vielzahl von neuen Anwendungen wird entstehen.

Mit den Fähigkeiten des IoT und künstlicher Intelligenz werden nicht nur Autos sondern viele Produkte und ihre Produktionsanlagen autonom interagieren. Es entstehen damit kleine, agile Produktionsstätten sog. „Micro Factories“, die heutige, energiehungrige Massenproduktionsbetriebe ablösen. Sowohl Produkt, Produktion und Produktentwicklung bildet ein konsistentes Datenmodell, einen digitalen Schatten über die Produktnutzungsphase hinweg. Damit wird Nutzung messbar und rückt ins Zentrum des Geschäftsmodells. Subskription verbindet die Nutzer Community. Peer to Peer Sharing auf den Plattformen vernetzter Produkte ermöglicht Kunden ihre nicht genutzte Produktkapazität weiter zu vermieten. Der Kunde wird so zum Prosument. Der Hersteller wandelt sich vom Absatzproduzent zum Dienstleister, Betreiber und Wiederaufbereiter. Erst dann lässt sich wirklich von einer Kreislaufwirtschaft sprechen.

Die Welt von Morgen ist kollaborativ. In der neuen Welt stellt sich die Frage nach Zugang, nicht nach Ausgrenzung – das ist die neue Freiheit und wird zur Grundlage einer grünen Ökonomie der Dinge.

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