Weniger Regeln und mehr Wachstum Bürokratiefalle: Wie gelingt der Befreiungsschlag für die Wirtschaft?

Wie kann man beim Bürokratieabbau am Ball bleiben? Über dieses Thema diskutierten Gitta Connemann, Dr. Achim Dercks und Andreas Schmincke in Berlin. Dabei ging es um die Digitalisierung der Verwaltung und die Umsetzung der Modernisierungsagenda.

Bild: iStock, DNY59
20.10.2025

Bürokratie lähmt die Wirtschaft, bindet Zeit und kostet Milliarden. Mit ihrer Modernisierungsagenda will die Bundesregierung Verwaltung, Prozesse und Berichtspflichten entschlacken, um wieder mehr Raum für Investitionen und Wachstum zu schaffen.

Bürokratie bindet zwanzig Prozent der Arbeitszeit von Beschäftigten und gilt als die größte Wachstumsbremse – noch vor Steuern, Sozialabgaben und Energiekosten. Fast ein Fünftel der Unternehmen plant, Investitionen ins Ausland zu verlagern, um den bürokratischen Hürden zu entgehen. Besonders Mittelstand fordert deshalb einen konsequenten Abbau von Vorschriften, schnellere Genehmigungsverfahren und mehr unternehmerische Freiheit.

In ihrer jüngsten Kabinettsklausur in Berlin verabschiedete die Bundesregierung eine „Modernisierungsagenda“. Der Schwerpunkt soll dabei auf dem Abbau von Bürokratie, einer Verschlankung der Verwaltung und einer verstärkten Digitalisierung – auch unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz – liegen. Die Regierung bekräftigte das Ziel des Koalitionsvertrags, die Bürokratiekosten bis zum Ende der Legislaturperiode 2029 um 25 Prozent beziehungsweise 16 Milliarden Euro zu senken.

Gelingt damit der Befreiungsschlag? Kann die Digitalisierung der Verwaltung dazu beitragen, den bürokratischen Aufwand spürbar zu reduzieren, oder entstehen dabei neue Dokumentationspflichten? Und wie wirkt sich Bürokratieabbau konkret auf den Arbeitsmarkt aus, insbesondere auf die Sicherung von Fachkräften und die Beschäftigungsförderung? Über diese Fragen wurde gestern bei der 142. „PEAG Personaldebatte zum Frühstück“ in Berlin diskutiert. Zu den Gästen zählten Gitta Connemann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Beauftragte der Bundesregierung für den Mittelstand, sowie Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Bürokratierückbau anstatt Abbau

In der Debatte machte Gitta Connemann deutlich, dass es beim Bürokratierückbau nicht um „Abbau“, sondern um einen klugen Rückbau gehe. „Wir brauchen weniger Bürokratie, nicht nur andere Bürokratie“, betonte die Staatssekretärin. Jede Regelung bedeute Zeit, Kosten und Energie – und oftmals auch Nerven. „Der Staat muss den Rahmen setzen und Schiedsrichter sein, aber er darf den Spielern nicht die Beine binden“, so Connemann. Die Bundesregierung hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Eine Reduktion der Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent und des gesamten Erfüllungsaufwands um mindestens zehn Milliarden Euro.

„Bürokratierückbau ist das preiswerteste Konjunkturprogramm, das wir haben“, so Connemann. Mithilfe von Praxischecks, Digitalisierung und mutigen Entscheidungsträgern können Berichtspflichten beschleunigt und Handlungsspielräume genutzt werden. Der Koalitionsvertrag gibt die Richtung vor, jetzt geht es um die strukturelle Umsetzung in jedem Ressort. Connemann weiter: „Wir verfügen über ausreichend Erkenntnisse, was wir brauchen, ist der Mut, sich nicht an Vorschriften festzuklammern.“

Erster Schritt in die richtige Richtung

Dr. Achim Dercks unterstrich, dass die Modernisierungsagenda viele wichtige Punkte enthalte, die von der Wirtschaft bereits seit Langem gefordert würden. „Jetzt kommt es auf die rasche Umsetzung an. Damit Unternehmerinnen und Unternehmer wieder investierten, müssen die Entlastungen spürbar in ihren Betrieben ankommen. Dann wächst auch das Vertrauen in den Standort wieder“, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer. Derzeit seien große Teile der Wirtschaft noch immer durch kosten- und zeitintensive Bürokratie unverhältnismäßig belastet.

„Überbordende Berichts- und Dokumentationspflichten, langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse sowie kaum nachvollziehbare Detailregelungen nehmen den Unternehmen den notwendigen Freiraum für Innovation und Wachstum“, sagte Dercks. „Positivbeispiele wie die zügige Umsetzung von LNG-Terminals oder Rüstungsvorhaben haben gezeigt, dass schnelle Entscheidungen möglich sind. Diesen Pragmatismus gilt es jetzt auf die gesamte Wirtschaft zu übertragen. Die Unternehmen unterstützen den notwendigen Reformprozess, erwarten nun aber auch konkrete Entlastungen.“

Andreas Schmincke, Geschäftsführer von PEAG Holding, bezeichnete die Modernisierungsagenda als ersten Schritt in die richtige Richtung. „Die nächsten Schritte müssen aber große Sprünge sein, mit denen die Bundesregierung sie auch schnell umsetzt“, forderte er in der Debatte. Für die Branche der Personaldienstleister sei eine grundlegende Digitalisierung von Verwaltungsabläufen und Prozessen enorm wichtig. „Das in der Agenda vorgesehene Once-Only-Prinzip, also nur einmaliges Abfragen der Zustimmung zur Nutzung von Personendaten, wäre bei der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland hilfreich.“ Es würde die umfangreichen Dokumentations- und Antragspflichten bei verschiedenen Behörden reduzieren, so Andreas Schmincke: „Dadurch sind die Verfahren oft kompliziert und langwierig“, so Andreas Schmincke.

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