„Facile zeigt, wie Industrie und Wissenschaft in Baden-Württemberg gemeinsam die gesamte Wertschöpfungskette von der Materialentwicklung bis zur Zellproduktion für Lithium-Ionen-Batterien abdecken können“, sagt Prof. Dr. Markus Hölzle, Vorstandsmitglied und Leiter des ZSW in Ulm. „Das Projekt entwickelt Silizium-Anoden auf flexiblen Vliesstoff-Trägern, die die starken Volumenänderungen des Materials ausgleichen. So entstehen leistungsstarke, langlebige und nachhaltige Batterien – ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Region.“
Herkömmliche Anoden, also der negative Pol von Lithium-Ionen-Zellen, bestehen aus Graphit, das Lithium mit bis zu 370 Milliampere-Stunden (mAh) pro Gramm speichern kann. Zum Vergleich: Silizium bietet eine theoretische Speicherkapazität von bis zu 4.200 mAh pro Gramm – also mehr als das Zehnfache. Die Kosten für Silizium selbst sind vergleichbar mit denen von Graphit. Silizium ist zudem nachhaltiger als Graphit, da es weltweit reichlich verfügbar ist.
Fasern statt Risse: Silizium-Anoden neu gedacht
Die Projektpartner aus Baden-Württemberg setzen sich zum Ziel, die tatsächliche Energiedichte der Anode durch den Einsatz von Silizium um mindestens 250 Prozent zu steigern – auf eine praktische Kapazität von mindestens 1.000 mAh pro Gramm. Die Herausforderung dabei: Silizium verändert sein Volumen stark während des Lade- und Entladevorgangs. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen kommt es schnell zu Rissen und Abplatzungen auf der Anode, was letztlich zum Batterieausfall führen kann. Genau hier setzt Facile an. Zum ersten Mal werden Silizium-Anoden auf faserbasierten, elektrisch leitfähigen vliesstoffartigen Substraten entwickelt. Die faserbasierte, flexible Vliesstoffstruktur soll die Volumenänderungen des Siliziums ausgleichen. Das neuartige Verbundmaterial kombiniert hohe Leistung, lange Lebensdauer und Nachhaltigkeit.
Bau und Validierung von Testzellen
Das ZSW in Ulm testet zunächst die im Projekt hergestellten faserbasierten Silizium-Anoden in kleinen Testzellen. Anschließend prüfen die Wissenschaftler die Herstellungsprozesse, passen sie an und skalieren sie hoch, um große Batteriezellen herzustellen, wie sie in Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommen. Hierfür bringt das Institut umfangreiche Erfahrung ein: Es verfügt über mehrere Pilotanlagen zur Zellfertigung, darunter bereits seit 2014 eine Forschungsproduktionslinie für die seriennahe Fertigung großer Lithium-Ionen-Zellen bis zu 100 Ah.
Zudem besitzen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen jahrzehntelange Erfahrung in der Sicherheits- und Leistungsbewertung von Batterien und Prototypen. Bereits 1998 wurde das europaweit anerkannte Batterie-Sicherheits- und Testzentrum gegründet.
Projekt in Baden-Württemberg bildet gesamte Wertschöpfungskette ab
Das Projekt deckt alle wichtigen Schritte zur Herstellung Lithium-Ionen-Batterien ab: von der Entwicklung neuer Anodenmaterialien über Fertigungsprozesse und Anlagentechnologien, Materialtests und Methodenentwicklung bis hin zur Produktion der Batteriezellen. Die Partner bringen dabei ihre technologische Kompetenz ein, um die passenden Verfahren auszuwählen, zu entwickeln und zu verbessern.
Das Projekt „Entwicklung & Herstellung neuer, faser- und siliziumbasierter Anodenmaterialien für leistungsfähige und nachhaltig produzierte Li-Ionen-Batterien“, kurz Facile, wird von der centrotherm international in Blaubeuren koordiniert. Im Rahmen des Forschungsprojekts arbeitet der Maschinenbauspezialist an der Entwicklung einer Hochdurchsatzanlage zur Siliziumbeschichtung von Faserstoffen. Weitere Partner sind die Phoenix NonWoven in Lenningen, die die speziellen Vliesstoffe entwickelt und liefert, das International Solar Energy Research Center Konstanz (ISC Konstanz), das die Verbindung von Vlies und Kupferfolie untersucht, sowie der Bereich Photovoltaik der Universität Konstanz, der die Materialanalysen durchführt. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm charakterisiert, fertigt und testet schließlich die neuartige faserbasierte Anode in kompletten Batteriezellen.