Alternative zu Wasserstoff Ammoniak kann CO2-Ausstoß der Stahlindustrie senken

Ammoniak als Energieträger im Stahlwerk der Zukunft? Das Gas weist einige wesentliche Vorteile im Vergleich zu Wasserstoff auf.

Bild: Tianyi You, Max-Planck-Institut für Eisenforschung
09.05.2023

Die Stahlindustrie ist der weltweit größte einzelne Verursacher von CO2-Emissionen. Hersteller aus diesem Bereich verfolgen bereits mehrere Ansätze, um ihren Ausstoß zu senken. Ein neuer kommt jetzt vom Max-Planck-Institut für Eisenforschung: Er sieht die Verwendung von Ammoniak vor, einer Alternative zu Wasserstoff.

Mit sieben Prozent Anteil am weltweiten Treibhausgasausstoß spielt die Stahlindustrie in Sachen CO2-Emissionen vorne mit. Dabei soll die Menge an produziertem Stahl der internationalen Energieagentur zufolge sogar noch wachsen: von heute knapp zwei Milliarden Tonnen auf bis zu drei Milliarden Tonnen im Jahr 2050. Der CO2-Fußabdruck der Stahlindustrie würde also noch steigen, wenn sie nicht von Kohle als Reduktionsmittel wegkommt, mit dem sie Eisenerz in Eisen umwandelt.

Stahlunternehmen verfolgen unterschiedliche Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen. So ist es etwa möglich, Eisenerz mit Wasserstoff direkt zu reduzieren. Doch Wasserstoff wird derzeit in nicht annähernd ausreichenden Mengen erzeugt, um damit die Produktion auf einen mehr oder weniger klimaneutralen Kurs zu bringen, ganz zu schweigen davon, dass grüner Wasserstoff auch in anderen Bereichen der Wirtschaft fossile Rohstoffe ersetzen soll.

Ein weiteres Szenario sieht daher vor, Wasserstoff in wenig besiedelten sonnen- und windreichen Gegenden der Welt mit Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen zu erzeugen. Doch bislang ist unklar, wie das Gas dann dorthin gelangen soll, wo es gebraucht wird. Wasserstoff zu verflüssigen und in Tankern zu transportieren, ist nicht nur sehr aufwendig, sondern würde auch 30 Prozent der Energie verbrauchen, die der Wasserstoff enthält. Mit Ammoniak wäre das viel einfacher, und zwar so viel einfacher, dass sich auch der zusätzliche Schritt, ihn mit Wasserstoff herzustellen, lohnen würde.

So ertragreich und schnell wie Wasserstoff

„Wir haben uns gefragt, ob man statt Wasserstoff Ammoniak für die Direktreduktion von Eisenerz einsetzen könnte, ohne Ammoniak vorher wieder in Wasserstoff und Stickstoff aufzuspalten“, sagt Dr. Yan Ma, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE). „Die Aufspaltung zu vermeiden, würde die Kosten um rund 18 Prozent senken.“

Eine aktuelle Studie, an der Ma maßgeblich beteiligt war, hat nun genau das gezeigt hat: Mit Ammoniak wurden rund 98 Prozent des Eisenerzes in metallisches Eisen umgewandelt – genau so viel wie bei der Direktreduktion mit Wasserstoff. Als eigentliches Reduktionsmittel wirkt dabei immer noch der Wasserstoff, der sich im Reaktor katalytisch und ohne jeglichen Zusatzaufwand bereits bei etwa 350 °C aus dem Ammoniak abspaltet und so das auf mindestens 700 °C erhitzte Eisenerz reduziert.

Die Forscher stellten zudem fest, dass der Prozess mit Ammoniak genauso schnell abläuft wie mit Wasserstoff. „Für die Industrie ist die Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor“, sagt Prof. Dierk Raabe, Direktor am MPIE. „Wenn der Prozess zu langsam ist, lohnt er sich wirtschaftlich nicht.“ Ökonomisch spricht für den Ammoniak auch, dass Unternehmen ihn in denselben Anlagen einsetzen könnten, die auch mit Erdgas oder Wasserstoff betrieben werden. Manche Firmen erproben die Eisenproduktion in solchen Direktreduktionsanlagen. Solange es nachhaltig erzeugten Wasserstoff noch nicht in ausreichender Menge gibt, wird Eisenerz darin mit Erdgas, Synthesegas – einer meist aus fossilen Rohstoffen gewonnenen Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff – oder anderen Gasgemischen reduziert. „Man kann das Erdgas künftig aber je nach Verfügbarkeit durch variable Anteile an Wasserstoff oder Ammoniak ersetzen“, sagt Raabe.

Schützende Nitridschicht für den Transport

Ammoniak bietet neben der besseren Energiebilanz noch einen weiteren Vorteil zu Wasserstoff, wie die Experimente des Düsseldorfer Max-Planck-Teams zeigten. Sobald das frisch erzeugte Eisen im Ammoniak-durchströmten Reaktor abkühlte, bildete sich an seiner Oberfläche eine Eisennitridschicht, die das Eisen vor Rost schützt. „Das ist dann nützlich, wenn man das Roheisen zur Weiterverarbeitung transportieren muss“, erklärt Raabe. „Zum Beispiel, wenn es gleich dort produziert wird, wo Sonne und Wind als Energiequellen angezapft werden.“

Wenn das mit Eisennitrid überzogene Eisen wieder erhitzt wird, um daraus etwa Stahl mit weiteren Komponenten wie Mangan oder Chrom zu erzeugen, verschwindet der schützende Stickstoff wieder. Einen Nachteil hat Ammoniak gegenüber Wasserstoff jedoch: Er ist giftig, was in Industrieanlagen besondere Vorsichtsmaßnahmen erfordert. Die sind aber auch beim extrem schwer einzufangenden und explosiven Wasserstoff nötig.

Hohe Investitionskosten als Bremse

Ob nun mit Wasserstoff oder Ammoniak: Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis die Stahlindustrie im großen Stil vom etablierten Hochofenprozess mit kohlenstoffbasierter Reduktion auf die Direktreduktion umrüstet. „Die meisten Stahlunternehmen sind mit ihren Anlagen verheiratet, weil die Investitionskosten so hoch sind“, sagt Raabe. „Mit Ammoniak als Wasserstoffträger wird die Barriere für den Einstieg in die klimafreundliche Stahlproduktion aber hoffentlich kleiner, zumal unsere nächsten Projekte sogar auf eine deutliche Beschleunigung der Direktreduktion abzielen.“

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