Klimafreundliche Chemikalienproduktion Alkohol für die Energiewende

Das Leitprojekt „Strom als Rohstoff“ beschäftigt sich mit der Gewinnung von Chemikalien aus regenerativen Quellen.

Bild: Fraunhofer Umsicht
25.04.2017

Mit einem neuen Hochdruckverfahren wollen Fraunhofer Forscher aus CO2 und Wasser unter Einsatz von regenerativem Strom Basischemikalien wie Alkohol oder Wasserstoffperoxid produzieren.

Der wuchtige Edelstahlzylinder mit einem Durchmesser von 20 Zentimeter steckt in einem massiven Metallgestell, diverse Schläuche führen in ihn hinein. Sein Innenvolumen jedoch ist überraschend klein – nicht größer als eine Getränkedose. Das hat einen Grund: Die dicken Stahlwände des Zylinders müssen einem Druck von 150 bar trotzen können - dem 150-fachem Atmosphärendruck.

Strom als Rohstoff

Dieser Prototyp der Fraunhofer Umsicht soll aus CO2 und Wasser Alkohole wie Ethanol herstellen – wichtige Basischemikalien für die Industrie. Angetrieben wird der Prozess nicht durch fossil erzeugte Prozesswärme, sondern durch regenerativ gewonnenen Strom. Um Chemikalien herzustellen, braucht es normalerweise hohe Temperaturen. Entsprechend energieintensiv gerät die Produktion, die mit hohen CO2-Emissionen einhergeht. Darauf antworten Fraunhofer Forscher mit dem Fraunhofer-Leitprojekt Strom als Rohstoff.

Im Rahmen des Projekts widmen sich die Forscher der Entwicklung von zwei Prozessen. Zum einen wollen sie Wasserstoffperoxid mittels Strom herstellen. Zum anderen versuchen sie, aus Elektrizität und CO2 wertvolle Basischemikalien zu erzeugen – Ethen sowie verschiedene Alkohole.

Wasserstoffperoxid on Demand

Die Vision: Auf dem Firmengelände eines Zellstoffherstellers produzieren elektrochemische Reaktoren – womöglich mit dem Strom eines benachbarten Windparks – stets so viel Bleichmittel, wie der Papierhersteller gerade benötigt: Wasserstoffperoxid-Produktion On-Demand.

Bislang produziert die Industrie Wasserstoffperoxid mit dem Anthrachinon-Verfahren. Das jedoch benötigt nicht nur organische Lösungsmittel, sondern auch jede Menge Energie. Deshalb tüfteln die Fraunhofer-Forscher an einer Alternative, die mit Strom funktioniert.

Das Prinzip: Ähnlich wie bei einer Batterie enthält der Reaktor einen Minus- und einen Plus-Pol. Legt man Strom an, bilden sich Protonen, die mit Sauerstoff reagieren können. Gelingt es, die richtigen Strom- und Spannungswerte einzustellen und den richtigen Katalysator einzusetzen, entsteht Wasserstoffperoxid. Die Herausforderung ist, Bedingungen zu schaffen, bei denen das Wasserstoffperoxid längere Zeit stabil in einer Lösung bleibt.

Welcher Weg ist der Richtige?

Beim ersten Lösungsansatz hierzu arbeiten die Wissenschaftler an einem Reaktor, bei dem eine Membran die beiden Pole trennt. Entscheidend ist, einen Katalysator für den Minuspol zu finden, der die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasserstoffperoxid möglichst wirkungsvoll in Gang bringt.

Das zweite Verfahren basiert auf einer Diamantelektrode, wie sie bereits zur Abwasserdesinfektion eingesetzt wird. Die Fachleute versuchen sie so zu modifizieren, dass sie auch Wasserstoffperoxid herstellen kann.

Beide Varianten funktionieren, allerdings muss die Konzentration des Wasserstoffperoxids noch gesteigert werden. Am Ende soll die Erkenntnis stehen, welches der beiden Verfahren in der Praxis besser läuft.

Alkohol aus Treibhausgas

Im anderen Zwreig des Leitprojekts versucht ein Team von der Fraunhofer Umsicht, wichtige Chemikalien aus Strom und CO2 zu erzeugen statt wie üblich aus Erdöl. Zwar gibt es CO2 im Überfluss, jedoch ist es reaktionsträge und geht nur ungern Verbindungen ein. Die Herausforderung ist also, das Treibhausgas zu aktivieren, damit es chemisch reagiert. Für verschiedene Alkohole entwickeln die Forscher verschiedene Methoden.

  • Ethen ist ein zentrales Vorprodukt für die Herstellung des Standardkunststoffs Polyethylen. Die Fraunhofer-Experten entwickeln einen Reaktor auf Basis einer Gasdiffusionselektrode. In ihm kommt CO2 mit einem Elektrolyten in Kontakt. An der Elektrode entsteht mithilfe eines Katalysators Ethen.

  • Kurzkettige Alkohole wie Ethanol und Propanol dienen als Standardreaktionspartner in der organischen Chemie, kommen aber auch als Treibstoff in Frage. Mit einem neuartigen Hochdruck-Reaktor arbeiten die Wissenschaftler daran, verdichtetes CO2 chemisch zu aktivieren und mit Wasserstoff zu Alkoholmolekülen reagieren zu lassen.

  • Langkettige Alkohole fungieren unter anderem als Weichmacher, Tenside und Kraftstoffadditive. Um sie klimafreundlich zu erzeugen, entwickeln die Forscher ein zweistufiges Verfahren: Zunächst erzeugen sie aus Wasser und CO2 mittels Hochtemperatur-Elektrolyse ein Synthesegas, das aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff besteht. Dieses Gas wird dann in einer Fischer-Tropsch-Synthese zu langen Alkoholmolekülen verkettet.

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