Angespannte Lage im produzierenden Gewerbe Welche Wege führen aus der Krise?

Für Unternehmen ist es sehr wichtig, drohende interne Krisen frühzeitig zu erkennen und aktiv entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu überstehen.

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14.08.2025

Seit Jahrzehnten gilt das produzierende Gewerbe als wirtschaftliches Rückgrat der Nation, als Exportmotor mit weltweitem Ansehen. Doch aktuelle Zahlen zeigen, dass sich die Lage deutlich verändert hat. Der Gewerbezweig muss aufpassen, nicht von der internationalen Konkurrenz abgehängt zu werden. Welche Hebel helfen in dieser Situation bei der Neuaufstellung?

Zahlen des Leibniz Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zeigen, wie gravierend sich die aktuellen Krisen auf das produzierende Gewerbe ausgewirkt haben. So lag die Zahl der Insolvenzen im Mai 2025 17 Prozent über der des Vorjahresmonats, dabei wurden laut IWH insbesondere im Produktionssektor hohe Insolvenzzahlen gemeldet. Vor allem Unternehmen des Maschinen- und Fahrzeugbaus machen die aktuellen Umstände zu schaffen. Der Druck ist groß: Sei es durch Rohstoffpreise, Energie- und Personalkosten oder die allgemein gesunkene Kaufkraft.

Produktionsrückgang und Arbeitsplatzabbau – Fertigungssektor mit Schlagseite

Die Produktion ist zuletzt deutlich zurückgegangen. So verzeichnete der Bundesverband der Deutschen Industrie im vergangenen Jahr ein Minus von 4,8 Prozent. Für 2025 sei kein Aufwärtstrend zu erwarten, berichtet der Verband. Voraussichtlich werde die Produktion stattdessen auch in diesem Jahr weiter zurückgehen – Prognosen zu Folge um weitere 0,5 Prozent.

Was das für Beschäftigte bedeutet, spiegelt sich im EY-Industriebarometer besonders drastisch wider. So haben deutsche Produktionsunternehmen binnen eines Jahres mehr als 100.000 Arbeitsplätze abgebaut. Damit sinkt die Beschäftigung in der Branche um 1,8 Prozent. Besonders groß ist der Leidensdruck in der Automobilbranche, wo innerhalb eines Jahres rund 45.000 Jobs verloren gegangen sind. Allein auf einen Aufschwung zu hoffen, wird die Probleme für das produzierende Gewerbe nicht lösen. Denn die weltwirtschaftlichen Unsicherheiten mit volatilen US-Zöllen, Handelsstreitigkeiten und andauernden geopolitischen Konflikten geben kaum Hoffnung auf Verbesserungen.

Das macht vor allen Dingen eines deutlich: Wie wichtig es für Unternehmen ist, eine drohende interne Krise frühzeitig zu erkennen und aktiv entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu überstehen. Doch welche Hebel bieten sich hier an?

1. Sanierung mit System: Restrukturierung nach IDW S 6

Für kriselnde Fertigungsbetriebe zahlt es sich aus, nicht erst zu warten, bis der Insolvenzfall eintritt. Der Standard IDW 6 gilt als bewährte Grundlage für Sanierungsgutachten und kann bei einer professionellen Analyse der Lage behilflich sein. Dabei gilt es zunächst, die wirtschaftliche Situation zu erfassen, die Krisenursachen zu identifizieren und festzustellen, ob bereits eine Insolvenzantragspflicht vorliegt. Zudem werden darin bereits konkrete Maßnahmen zur Restrukturierung festgehalten. Banken und Gläubiger erkennen ein IDW-S6-Gutachten in der Regel als valide Entscheidungsgrundlage an – und geben so häufig grünes Licht für weitere Finanzierungsstrukturierungen.

2. Außergerichtliche Neuaufstellung per StaRUG

Unternehmen, die noch zahlungsfähig sind, aber drohen, insolvent zu werden, profitieren vom Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG). Es ermöglicht eine frühe und umfassende Neuordnung der Finanzstruktur. Gläubigerforderungen können reduziert, Zahlungsziele angepasst und Finanzierungsverträge neu verhandelt werden. Voraussetzung ist ein in Eigenregie entwickelter und von den Gläubigern mehrheitlich angenommener Restrukturierungsplan. Wird der Plan durch ein Restrukturierungsgericht bestätigt, ist er zudem rechtssicher. Der optionale Gang zum Gericht bietet zudem Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen und eine Sanierungsmoderation, sollten Verhandlungen mit Gläubigern festgefahren sein.

3. Gerichtliche Optionen: Eigenverwaltung und Schutzschirm

Reichen außergerichtliche Maßnahmen nicht aus, kann ein gerichtliches Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung sinnvoll sein. Hier behält die Geschäftsführung die operative Kontrolle und wird lediglich von einem gerichtlich bestellten Sachwalter überwacht. Unternehmen erhalten bei dieser Art der Insolvenz durch Sonderkündigungsrechte, Insolvenzgeld und Gläubigerschutz wirksame Hebel für die Neuaufstellung. Bei einem Schutzschirmverfahren wiederum profitieren Firmen von bis zu drei Monaten unter gerichtlichem Schutz. In dieser Zeit können sie einen Sanierungsplan entwickeln, bevor ein reguläres Eigenverwaltungsverfahren eröffnet wird. Unter den Schutzschirm können überschuldete oder drohend zahlungsunfähige Betriebe schlüpfen, deren Sanierungsfähigkeit von Experten bestätigt wurde.

4. Letzte Instanz: Die Regelinsolvenz

Wenn die Krise eines produzierenden Gewerbes weit fortgeschritten ist, bleibt oft nur die Regelinsolvenz. Hier nimmt der Insolvenzverwalter die Zügel in die Hand. Sollte die Chance auf eine Sanierung bestehen, wird der Verwalter in der Regel versuchen, das Unternehmen durch einen Insolvenzplan oder die Übertragung auf einen Investor zu retten. Allerdings liegt der Fokus im Regelinsolvenzverfahren auf der Befriedigung der Gläubiger und nicht auf dem Fortbestand des Unternehmens. Der Fertigungssektor steht an einem Scheideweg, mit unklarem Ausgang. Fakt ist jedoch: Wie auch immer die Zukunft aussieht, wer bei einer Krise rechtzeitig reagiert und sich zu Sanierungsmöglichkeiten beraten lässt, gewinnt wichtige Handlungsoptionen für die Neuaufstellung und das Fortbestehen seines Betriebs.

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