Von der Lotus-Pflanze zum Autostecker Wie können Defekte im elektrischen System von Autos reduziert werden?

Der Materialwissenschaftler Frank Mücklich steht im Labor für Atomsondentomographie der Universität des Saarlandes.

Bild: Oliver Dietze, Universität des Saarlandes
23.10.2023

Moderne Autos sind erstaunlich komplex, und dennoch sind die meisten Defekte nicht in den komplizierten Schaltkreisen zu finden. Tatsächlich liegt die Hauptursache oft in den einfachen Steckverbindungen, die anfällig für Umwelteinflüsse sind. Wie können wir sicherstellen, dass diese Verbindungen unter widrigen Bedingungen zuverlässig funktionieren? Professor Frank Mücklich und sein Team von der Universität des Saarlandes haben eine Lösung entwickelt, die sich von der Natur inspirieren lässt.

Der Großteil der Defekte am Auto liegt heute im elektrischen System. Wenn die Autoelektronik eine solche Fehlermeldung anzeigt, liegt dies häufig nicht etwa an Defekten in komplizierten Schaltkreisen, sondern an einer der zahlreichen Steckverbindungen, die durch Temperatur- oder Feuchtigkeitsänderung oder Vibration unterbrochen wurde – manchmal nur Bruchteile von Sekunden.

„Mit unserem Verfahren konnten wir den Kontaktwiderstand drastisch senken, nämlich um bis zu 80 Prozent im Vergleich zu elektrischen Kontakten mit herkömmlichen technischen Oberflächen. Angesichts der mehr als 2.000 Steckkontakte in einem Mittelklassewagen lässt sich damit die Funktionssicherheit insgesamt wesentlich erhöhen. Die Signale werden dadurch auch bei widrigen Wetterbedingungen wie hoher Luftfeuchtigkeit oder enormer Hitze oder Kälte zuverlässig übertragen“, sagt Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes.

Lotus-Pflanze und Schmetterlingsflügel

Der Materialforscher hat mit seinem Team ein Verfahren entwickelt, das sich direkte Laser-Interferenz-Strukturierung (DLIP – Direct Laser Interference Patterning) nennt und zu einer biomimetischen, mikrotopographischen Oberflächenstrukturierung führt. Dabei werden mit mehreren gebündelten Laserstrahlen, die sich wellenartig überlappen, mikroskopisch feine und symmetrische Muster auf einer Materialoberfläche erzeugt. Diese rufen wiederum mikroskopisch feinste, periodische Höhenstrukturen im Mikrometerbereich hervor, sind also winziger als ein menschliches Haar, und werden in einer technologisch effizienten Geschwindigkeit von bis zu einem Quadratmeter pro Minute aufgetragen. „Diese präzise Oberflächenstrukturierung führt dazu, dass die Steckverbindungen zuverlässiger funktionieren, auch bei mehrfachem Öffnen und Schließen bei den regelmäßigen Inspektionen in einer der weltweiten Werkstätten“, erklärt Mücklich.

Vorbild für dieses Verfahren sind Oberflächen in der Natur, die ähnliche Strukturen im Mikrometerbereich haben und damit besondere Effekte erzielen. Ein Beispiel ist die Lotus-Pflanze mit ihren wasserabweisenden Blättern oder auch der Schmetterlingsflügel, der durch den sogenannten Interferenzeffekt ohne jeden Farbstoff in verschiedenen Farben schillert.

Materialanalyse auf mikro- und nanostruktureller Ebene

„Wir haben diese Lasertechnologie über viele Jahre mit Partnern weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht, so dass sie heute in den schnellen Prozessen der industriellen Massenanfertigung technologisch effizient eingesetzt werden kann“, erklärt Mücklich, der das Material Engineering Center Saarland (MECS) als Steinbeis-Forschungszentrum an der Universität des Saarlandes leitet. Für diese neuartige Technologieplattform hat er zudem mit Partnern das Unternehmen SurFunction gegründet, um das Verfahren in die industrielle Anwendung zu bringen. Für die Herausforderungen der Elektromobilität hat der Materialforscher aber noch weitere Technologien parat, die bei der Verleihung des Albert-Keil-Preises durch den VDE ebenso eine Rolle spielten.

Mit verschiedenen 3D-Analysetechniken Frank Mücklich mit seinem Team alle Veränderungen der inneren Struktur von Materialien beispielsweise durch das Schalten elektrischer Kontakte und der damit verbundenen hohen Stromdichte quantitativ darstellen. „Wir erkennen dadurch auf der Mikro-, Nano- und atomaren Skala, wie sich das innere Gefüge eines Werkstoffs unter mechanischer und auch elektrischer Belastung verändert. Durch die hohen Ladeleistungen im Elektromobil werden die elektrischen Kontakte und die Ladeinfrastruktur stark beansprucht. Wir können nun quantitativ nachvollziehen, was sich bei den Materialvorgängen im Innern verändert bis hin zum elektrischen Widerstand. Dies wird helfen, elektrische Bauteile zu entwickeln, die wesentlich robuster und langlebiger sein werden“, erklärt der Saarbrücker Forscher. Für die Energiewende mit stark wachsendem Anteil von Elektrofahrzeugen sei dies ein wesentlicher Faktor und noch entscheidender für die Verlässlichkeit und Funktionssicherheit autonomer Fahrzeuge.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel