Atomhüllen als Rechenbausteine Quantencomputing: DLR vergibt 29-Millionen-Euro-Auftrag an Start-up

Quantensimulator basierend auf Strontium-Atomen: Das Start-up Planqc baut Quantencomputer, die Informationen in einzelnen Atomen speichern und bei denen Qubits mit präzisen Laserpulsen manipuliert werden.

Bild: Axel Griesch, Max-Planck-Institut für Quantenoptik
08.05.2023

Qubits aus Neutralatomen gelten als vielversprechende Einheiten für Quantencomputer. Um die Entwicklung voranzubringen, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt einen Auftrag an die Firma Planqc aus Garching bei München vergeben. Das Start-up soll innerhalb von dreieinhalb Jahren einen Quantencomputer auf Basis solcher Neutralatome bauen.

29 Millionen Euro: So viel hat das Garchinger Start-up Planqc vom DLR erhalten, um einen Quantencomputer basierend auf Neutralatomen zu entwickeln. Solche Atome sind, im Gegensatz zu den geladenen Ionen, elektrisch neutral. Zudem haben alle Atome der gleichen Sorte die gleichen Eigenschaften. Planqc verwendet sie in ihrem „Grundzustand“ für das Quantencomputing.

„Damit die Neutralatome zu Qubits werden, müssen sie zunächst von Laserstrahlen in einem Vakuum gefangen und festgehalten werden“, erklärt Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR-Quantencomputing-Initiative (QCI). Die Atome sind dann ähnlich wie in einem Eierkarton regelmäßig angeordnet und können mit Lasern manipuliert werden. So entstehen einzelne Qubits. „Um zwei Qubits miteinander wechselwirken zu lassen, werden die Atome in sogenannte Rydberg-Zustände versetzt. Ohne eine Wechselwirkung beziehungsweise Verschränkung funktionieren Quantencomputer nicht“, sagt Axmann.

Bei Atomen im Rydberg-Zustand ist das äußerste Elektron der Atomhülle viel weiter vom Atomkern entfernt als normal. Die Atome werden dadurch tausendfach größer. Sehr vereinfacht dargestellt führt das so weit, dass ein Rydberg-Atom benachbarte Atome blockiert und darüber hinweg mit einem entfernteren anderen Rydberg-Atom wechselwirkt. So werden die Atomhüllen zu Rechenbausteinen von Quantencomputern.

Entwicklungsarbeiten in anderen Start-ups

Planqc fertigt nun in den kommenden dreieinhalb Jahren einen prototypischen Quantenprozessor mit dieser Technologie. Er soll auf ein System mit mehr als 100 Qubits wachsen, zudem soll der Quantencomputer skalierbar und perspektivisch fehlerkorrigierbar sein. Das heißt, dass die Qubit-Zahl erhöht werden kann und das System fehlerfrei arbeitet. Die Fehleranfälligkeit gilt als eines der größten Hindernisse beim Quantencomputing.

Planqc nutzt für seine Entwicklungsarbeiten Büros und Labore im DLR-Innovationszentrum Ulm. In direkter Nachbarschaft zu den DLR-Instituten stellen Start-ups und Unternehmen hier im QCI-Auftrag schon Quantencomputer auf Basis von Stickstoff-Fehlstellen in Diamant, photonische Quantencomputer, hybride Systeme mit Analogrechnern und Spin-Qubits her. Im zweiten DLR-Innovationszentrum in Hamburg geht es um Quantencomputer auf Basis von Ionenfallen. Das Bewerbungsverfahren für Quantencomputer mit Festkörperspins endete kürzlich.

Quanten-Standort Ulm

„Die Vielfalt ist ein wichtiges Merkmal der DLR-Quantencomputing-Initiative“, sagt Dr. Karla Loida, Projektleiterin in der QCI. Die Initiative verfolge unterschiedliche technologische Ansätze, um die jeweiligen Vor- und Nachteile zu erforschen. „Mit diesem Projekt erweitern wir unser Quantencomputer-Portfolio am Standort Ulm um eine weitere erfolgversprechende Technologie.“

Noch ist nicht klar, welche Architekturen für Quantencomputer sich durchsetzen werden. Einige sind schon relativ weit entwickelt, zum Beispiel die supraleitenden Systeme, die aber extrem tiefe Temperaturen benötigen. Daneben gibt es andere Technologien, die für Quantencomputer infrage kommen.

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