Interview mit Peter Hager, Siemens „Offenheit ist Pflicht“

„Das Stromversorgungssystem Sitop PSU8600 mit OPC UA eröffnet neue Möglichkeiten bei Energiemanagement und Maintenance“, sagt Peter Hager, Leiter Marketing Management Sitop bei Siemens.

Bild: Siemens
24.05.2017

Stromversorgungssysteme mit OPC UA von Siemens? Warum der Hersteller voll auf offene Kommunikationsstandards setzt und wie Kunden davon profitieren, erläutert Peter Hager, Leiter Marketing Management Sitop bei Siemens, im Gespräch mit A&D.

A&D:

Siemens wird gerne nachgesagt, alles im eigenen Ökosystem zu halten. Mit OPC UA öffnen Sie sich aber für Third-Party-Lösungen. Wie kam dieser Schritt?

Hager:

Ganz so überraschend ist es sicherlich nicht. Siemens unterstützt schon über viele Jahre hinweg das Thema offene Kommunikations­standards, das ist ein Teil unserer Strategie. Zum Beispiel in der PNO, dort haben wir die offenen Standards Profinet oder IO-Link maßgeblich mitgestaltet. Mit Totally Integrated Automation bieten wir unseren Kunden im Verbund mit Siemens-Produkten zusätzlichen Mehrwert, beispielsweise eine deutliche Zeitersparnis beim Engineering durch das TIA Portal.

Wird OPC UA zunehmend Standard bei Siemens, um eine herstellerunabhängige Vernetzung zu ermöglichen?

Wir setzen verstärkt auf OPC UA. Derzeit unterstützen bereits etliche Siemens-Produkte OPC UA, beispielsweise die Steue­rungen Simatic S7-1500, S7-400 oder Sinumerik, aber auch Software wie Simatic WinCC oder Sinema Server. Neu ist auf dem Stromversorgungsmarkt, dass wir mit Sitop erstmals Produkte für diese offene Kommunikation anbieten. Das schafft für uns einen noch größeren Zugang für viele Anwendungen.

Klingt so, dass OPC UA künftig ein Standard-Feature bei allen Sitop-Stromversorgungen wird?

Unsere Stromversorgungen im High­end-Segment, Sitop PSU8600 sowie USV UPS1600, werden wir serienmäßig mit OPC UA-Funktionalität ausliefern. Das gilt künftig für alle kommunikationsfähigen Sitop-Stromversorgungen, die Profinet oder Ethernet unterstützen. Außerdem können alle Kunden bisheriger PSU8600-Modelle über ein kostenloses Firmware-Update OPC UA nachrüsten. Bei der UPS1600 ist die Nachrüstung ab einem gewissen Ausgabestand möglich.

Ist die PSU8600 durch OPC UA und dynamisch anpassbaren Ausgängen jetzt ideal für Maschinenbauer, um modulare und universell verwendbare Konzepte zu realisieren?

Genau. Ein Stromversorgungssystem, das sowohl hinsichtlich der DC-Versorgung der Automatisierungskomponenten flexibel einsetzbar ist und zugleich über Profinet oder OPC UA universell in die Automatisierung eingebunden werden kann, unterstützt bei Maschinenbauern die Möglichkeiten der Modularisierung. Außerdem erleichtert unsere Stromversorgung durch OPC UA den internationalen Einsatz in Maschinen und Anlagen.

Gibt es einen funktionalen Unterschied zu Profinet, wenn die Sitop-Stromversorgung per OPC UA angebunden ist?

Nein, es gibt hier keinen funktionalen Unterschied, alles ist absolut identisch und transparent. Dem Anwender stehen über OPC UA wie bei Profinet sämtliche Parametrier-, Diagnose- und Betriebsinformationen der PSU8600 sowie der UPS1600 zur Verfügung.

Welchen Mehrwert generiert eigentlich die universelle Kommunikationsfähigkeit bei der USV UPS1600?

Beispielsweise erhält bei einem Netzausfall ein Industrie-PC mit OPC UA Client von der USV rechtzeitig vor Ende der Pufferzeit die Information zum kontrollierten Herunterfahren. Abhängig von der eingesetzten Hardware und Software kann die erforderliche Vorwarnzeit individuell vorgegeben werden. Oder denken Sie an eine Werkzeugmaschine mit Fräser oder Bohrer, die bei Stromausfall in einen definierten Zustand fahren muss, um Schäden am Werkzeug und Werkstück zu vermeiden. Ein weiterer Vorteil ist die Meldung über den Zustand der jeweils eingesetzten Energiespeicher. Damit wird ein bedarfsgerechter präventiver Tausch der Akkus möglich. Dieses ist nun über Profinet und OPC UA möglich.

Sind ihre Stromversorgungssysteme auch das ideale Mittel für Predictive Maintenance von DC-Motoren?

Hierfür lassen sich die Energiedaten, welche die PSU8600 für jeden DC-Verbraucher zur Verfügung stellt, sehr gut nutzen. Steigt beispielsweise der Strombedarf eines Förderbandmotors zunehmend an, kann sich ein möglicher Lagerschaden andeuten. In der jeweiligen Applikation sind die Werte der angeschlossenen Verbraucher entsprechend zu analysieren, das kann die Sitop selbst nicht leisten. Aber das Stromversorgungssystem ist durch seine Kommunikationsfähigkeit ein perfekter Datenlieferant. Wir haben auch Kunden, die sich genau aus diesen Gründen für die PSU8600 entschieden haben.

Kommunizierende Stromversorgungssysteme müssten sich doch auch ideal für die Energiemessung und das Energiemonitoring eignen?

Auf der AC-Seite bietet Siemens schon länger Komponenten wie Sentron PAC oder Simatic Energy Meter an. Im DC-Bereich sind wir mit der PSU8600 die einzigen, die im laufenden Betrieb Strom und Spannung für jeden Ausgang messen. Und dies bei direkter Einbindung in die Automatisierung, entweder via Profi­net in die Simatic S7 oder OPC UA in Third Party SPS oder PC-Systeme. Die PSU8600-Daten sind mittels integriertem Webserver oder über WinCC-Faceplates visualisierbar. Im Energiemanagementsystem Simatic Energy Suite lassen sich neben AC-Daten auch die DC-Daten der PSU8600 auswerten. Das Stromversorgungssystem PSU8600 bietet so einen bisher nicht gekannten Komfort bei der Energiemessung und dem Monitoring.

Beim Monitoring fällt schnell der Begriff Cloud. Wie unterstützen die Sitop Stromversorgungen die Cloud-Konnektivität?

Natürlich macht OPC UA die Kommunikation in die Cloud sehr einfach, weil wir darüber alle Betriebs- und Diagnoseinformationen der Stromversorgungen zur Verfügung stellen können. Entsprechende Gateways wie MindConnect Nano oder RuggedCom RX1400 bietet Siemens hierzu an. Erfolgt die Kommunikation einer Cloud-Lösung über MQTT oder anderen Protokollen, so kann die Anbindung der Stromversorgungssysteme über spezielle Gateways erfolgen.

Entwickelt Siemens auch Anwendungen, um die Daten der Sitop-Geräte in der eigenen Cloud-Plattform Mindsphere auszuwerten?

Für uns ist wichtig, dass wir mit den Stromversorgungssystemen PSU8600 und UPS1600 jederzeit relevante Informationen oder Daten bereitstellen können, egal ob über Profinet oder OPC UA. Die Nutzungsmöglichkeiten in Mindsphere-Anwendungen reichen hier von der Diagnose über das Energiemanagement bis hin zur vorbeugenden Wartung.

Wen adressieren Sie eigentlich primär mit den OPC UA-fähigen Sitop-Lösungen?

Den Einsatz sehen wir komplett branchenunabhängig. Im Fokus sind besonders Anwender, die neben Siemens-Technik auch Automatisierungssysteme anderer Hersteller einsetzen und eine einheitliche Kommunikation nutzen. Aber auch Applikationen ohne Siemens-Automatisierungssysteme profitieren nun voll von der Leistungsfähigkeit der offenen Stromversorgungssysteme.

Und was unterscheidet die PSU8600 mit OPC UA von der Konkurrenz?

Mit der beschriebenen Vielfalt an System­eigenschaften ist die PSU8600 nach wie vor Trendsetter am Markt. Und mit der OPC UA-Erweiterung gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Industrie 4.0 - auch im Umfeld von Mindsphere.

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