Explosionsschutz, Digitalisierung und Energieeffizienz Normen, Netze, Nachhaltigkeit: Impulse für die Prozessindustrie

Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co.KG

Zu einem abwechslungsreichen Programm hatte R. Stahl im Rahmen seines Expertenforums geladen.

Bild: R. Stahl
12.08.2025

Wie lassen sich Prozesse in explosionsgefährdeten Bereichen sicherer, effizienter und nachhaltiger gestalten? Fachleute aus Industrie und Forschung haben dazu auf dem Expertenforum von R. Stahl dazu praxisnahe Einblicke und strategische Perspektiven geliefert. Ein Blick auf zentrale Impulse, die aktuelle Entwicklungen der Prozessindustrie praxisnah aufgreifen und einordnen.

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Sicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit sind keine Gegensätze – das zeigt sich besonders deutlich im Kontext des Explosionsschutzes. Die Verbindung klassischer Sicherheitsanforderungen mit digitalen Technologien und innovativen Energiesystemen bietet vielfältige Ansatzpunkte für die Prozessindustrie. Normen entwickeln sich weiter, neue Kommunikationsstandards wie Ethernet-APL werden praktisch umsetzbar, und auch politische Rahmenbedingungen ändern sich. Dabei wird klar: Wer Prozesse sicher gestalten will, muss technische und regulatorische Entwicklungen zusammen denken.

Digitalisierung trifft Explosionsschutz

Mit der zunehmenden Vernetzung von Anlagen rückt auch die sichere Kommunikation in explosionsgefährdeten Bereichen in den Fokus. Ethernet-APL gilt dabei als Schlüsseltechnologie für die digitale Prozessindustrie. Utz Dette und Karl Büttner von Endress+Hauser zeigten, wie sich mit 2-WISE und ähnlichen Ansätzen Daten und Energie eigensicher über ein einziges Kabel übertragen lassen. Erste APL-Anlagen sind bereits in Betrieb, die Technik wird sich in den kommenden Jahren etablieren – nicht zuletzt, weil sie bestehende Ex-Anforderungen erfüllt und zugleich neue Wege in der Prozessdatenkommunikation ermöglicht.

Auch Prof. Dr. Sabrina Herbst von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena richtete den Blick auf ein bislang unterschätztes Feld: die Zündquellenüberwachung. Mechanische Komponenten wie Pumpen oder Sensoren bergen auch heute noch ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Durch Industrie 4.0 stünden jedoch bereits große Datenmengen zur Verfügung, die bislang ungenutzt bleiben. Ihr Appell: Die Verbindung aus Explosionsschutz und moderner Datenanalyse – idealerweise gestützt durch KI – könnte hier nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch neue Lösungen für die zustandsbasierte Wartung schaffen.

Der Digitale Produktpass (DPP) stand ebenfalls auf der Agenda. Roland Dunker von R. Stahl zeigte, wie die Anforderungen der kommenden EU-Verordnung ESPR auf sicherheitskritische Komponenten übertragen werden können. Mit Verwaltungsschalen (AAS), digitalen Typenschildern und der eigenen Digital-Twin-Plattform bietet das Unternehmen bereits konkrete Lösungen für die Praxis.

Normen im Wandel

Kaum eine andere Branche ist so stark von internationalen Normen geprägt wie der Explosionsschutz. Frank Otto von R. Stahl stellte die neue Edition 6 der IEC 60079-14 vor, die zahlreiche technische und strukturelle Änderungen mit sich bringt. Besonders relevant für die Praxis sind unter anderem neue Vorgaben für einfache Betriebsmittel, eine klarere Definition der Erstprüfung sowie Flussdiagramme zur Auswahl geeigneter Kabeleinführungen.

Dr. Martin Thedens von der PTB ordnete die Neuerungen in einen größeren Kontext ein. Als Vorsitzender des IEC TC31 berichtete er über aktuelle Entwicklungen in der Normung – von Batterieanwendungen bis hin zu „IIB + H2“-Debatten. Dabei wurde deutlich: Die Standardisierung wird international komplexer, zugleich aber auch digitaler und dynamischer.

Effizienz durch Technik

Wie sich Energieverbrauch, Emissionen und Wartungskosten in der Praxis drastisch reduzieren lassen, zeigte Andreas Künnemann von Bentec. Auf Landbohranlagen ersetzt ein Batteriespeicher einen der Generatoren – mit beeindruckendem Ergebnis: Bis zu 30 Prozent Diesel und 85 Prozent Wartungskosten konnten in Pilotprojekten eingespart werden. Für die Prozessindustrie liefern solche Systeme nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zur Betriebssicherheit und Versorgungsstabilität.

Auch auf technischer Ebene gibt es Potenzial: Dietmar Stockburger von Maico führte durch die Berechnungsgrundlagen für Lüftungsanlagen in Ex-Bereichen. Anhand von Beispielen aus Batterieräumen, Mühlen oder Abfüllanlagen zeigte er, wie sich durch gezielte Absaugung und normkonforme Volumenstromberechnungen sichere und effiziente Anlagen realisieren lassen.

Wasserstoff im Blick

Wasserstoff bleibt ein zentrales Thema für viele Industriebranchen – doch wie sieht die sichere Umsetzung aus? Torben Möller vom Ingenieurbüro Hannweber zeigte am Beispiel von H2-Leitungen, wie unterschiedlich Genehmigungs- und Bewertungsverfahren derzeit noch gehandhabt werden. Ein Plädoyer für eine einheitliche Praxis, um Planbarkeit und Sicherheit in Einklang zu bringen.

Felix Grass von Hexagon Purus wiederum nahm die Bahn in den Blick: Wasserstoffzüge seien besonders dort sinnvoll, wo keine durchgehende Elektrifizierung möglich sei. Gerade in bergigen Regionen oder bei geringer Taktung sei H2 eine ergänzende Lösung – nicht als Ersatz, sondern als Bestandteil einer differenzierten Energiestrategie.

Industriepolitik als Rahmen

Den politischen Rahmen setzte Holger Kunze vom VDMA. Der einst so präsente Green Deal sei in Brüssel inzwischen vom „Clean Industrial Deal“ abgelöst worden. Neue Prioritäten: Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Bürokratieabbau. Für die Industrie ergeben sich daraus nicht nur neue Herausforderungen, sondern auch Spielräume für eine technologieoffene Ausgestaltung der Transformation.

Fazit

Die Vorträge des Expertenforums haben deutlich gemacht: Der Explosionsschutz steht nicht für technische Beharrung, sondern für kontinuierliche Weiterentwicklung. Ob Digitalisierung, Energiemanagement oder Normung – wer Prozesse sicher gestalten will, muss heute interdisziplinär denken. Gerade darin liegt der Reiz der Themen, die im Kontext der politischen und technologischen Dynamik relevanter denn je sind.

Bildergalerie

  • Utz Dette und Karl Büttner (rechts) von Endress+Hauser hielten einen Vortrag über APl-Eigensicherheit beziehungsweise 2-WISE-Konzept.

    Utz Dette und Karl Büttner (rechts) von Endress+Hauser hielten einen Vortrag über APl-Eigensicherheit beziehungsweise 2-WISE-Konzept.

    Bild: publish-industry

  • Holger Kunze, der Geschäftsführer des VDMA European Office, sprach über den European Green Deal und dessen Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland.

    Holger Kunze, der Geschäftsführer des VDMA European Office, sprach über den European Green Deal und dessen Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland.

    Bild: publish-industry

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