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Energieversorgung der Zukunft Neuartige Stickstoffverbindungen speichern mehr Energie als TNT

Die Energiedichte der Verbindung ReN8·xN2 übersteigt sogar die des Sprengstoffs TNT.

Bild: iStock, ioanmasay
13.08.2018

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Bayreuth hat erstmals chemische Verbindungen mit Polymerketten hergestellt, die nur aus Stickstoff aufgebaut sind. Derartige Nitride eröffnen ganz neue Perspektiven für künftige Technologien der Speicherung und Übertragung von Energie – denn ihre ungewöhnlich hohe Energiedichte übersteigt selbst die des Sprengstoffs TNT.

Nitride bilden eine für die Forschung hochinteressante Klasse anorganischer Materialien, weil sie oft herausragende physikalische und chemische Eigenschaften besitzen. So zeichnen sich Übergangsmetallnitride in vielen Fällen durch eine außerordentliche Härte, hohe Schmelzpunkte und eine ungewöhnliche Stabilität aus. Derartige Stickstoffverbindungen zu synthetisieren ist allerdings sehr schwierig.

Gezielte Synthese unter Hochdruck

Unter normalen Umgebungsbedingungen kommt Stickstoff hauptsächlich als zweiatomiges Gas N2 vor, das nur mit wenigen anderen Elementen chemische Verbindungen eingeht. Die größte Hürde bei der Herstellung stickstoffreicher Verbindungen besteht darin, dass die zwei Stickstoffatome von N2 durch eine Dreifachbindung verknüpft sind, die unter außergewöhnlich hohen Temperaturen aufgebrochen werden muss. Wie hoch, hängt im Einzelfall von der jeweiligen stickstoffhaltigen Verbindung ab, die synthetisiert werden soll.

Die Bayreuther Wissenschaftler haben diese Hürde jetzt erstmals überwinden können. Mit Technologien der Hochdruckforschung haben sie eine Versuchsumgebung geschaffen, in der sich die Synthese stickstoffreicher Verbindungen gezielt steuern lässt.

In einer mit Stickstoff gefüllten Diamantstempelzelle wurde pulverförmiges Eisen und in einer weiteren Versuchsreihe pulverförmiges Rhenium einem Druck von mehr als einer Million Atmosphären, also mehr als 100 Gigapascal ausgesetzt. Zugleich wurden diese Materialproben durch einen Laserheizer auf rund 1.500 °C erhitzt. Anhand von Röntgenbeugungsmustern haben die Wissenschaftler beobachtet, wie unter diesen Bedingungen ungewöhnliche Verbindungen entstehen.

Neue Klasse von Stickstoffverbindungen

Aus Eisenpulver und Stickstoff bildet sich in der Diamantstempelzelle das Eisennitrid FeN4. Es zeichnet sich durch Ketten von Stickstoffatomen aus, in denen sich Doppel- und Einfachbindungen zwischen Stickstoffatomen abwechseln (siehe Galerie, Bild 1).

Aus Rhenium und Stickstoff entwickelt sich hingegen eine sehr ungewöhnliche Verbindung mit der Summenformel ReN8·xN2. Dieser Polynitrid besitzt nicht nur Polymerketten, die allein aus Stickstoff aufgebaut sind. Er enthält darüber hinaus Kanäle, in denen sich N2-Moleküle einnisten, ohne dass es dabei zu starken Wechselwirkungen zwischen diesen sogenannten Gast-Molekülen und der aus ReN8 bestehenden Rahmenstruktur kommt (siehe Galerie, Bild 2). Die beiden Verbindungen FeN4 und ReN8·xN2 repräsentieren eine neue Klasse von Stickstoffverbindungen: Metall-Stickstoff-Gerüste.

Perspektiven für künftige Energietechnologien

Diese Stickstoffverbindungen sind im Hinblick auf die künftige Energieforschung und Energietechnologie vor allem deshalb von großem Interesse, weil sie eine ungewöhnlich hohe Energiedichte aufweisen. So ist die Energiedichte von ReN8·xN2 um ein Vielfaches höher als die Energiedichte des Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT).

„Die Forschungsergebnisse, die wir jetzt in enger internationaler Kooperation erzielt haben, könnten sehr bald schon zum Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Materialien werden, die einen entscheidenden Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft leisten“, stellt Professor Dr. Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth in Aussicht. „Denn der Anteil erneuerbarer Energien wird sich nur signifikant steigern lassen, wenn es gelingt, hinreichend hohe und zugleich flexible Speicherkapazitäten zu schaffen.“

Bildergalerie

  • Bild 1: Ausschnitt aus der Kristallstruktur von FeN4. Die Stickstoffatome sind in blau, die Eisenatome in braun dargestellt.

    Bild 1: Ausschnitt aus der Kristallstruktur von FeN4. Die Stickstoffatome sind in blau, die Eisenatome in braun dargestellt.

    Bild: Maxim Bykov, Universität Bayreuth

  • Bild 2: Kristallstruktur von ReN8·xN2. Rheniumatome sind grau, Stickstoffatome der Rahmenstruktur blau, die Stickstoffmoleküle in den Kanälen rot abgebildet.

    Bild 2: Kristallstruktur von ReN8·xN2. Rheniumatome sind grau, Stickstoffatome der Rahmenstruktur blau, die Stickstoffmoleküle in den Kanälen rot abgebildet.

    Bild: Maxim Bykov, Universität Bayreuth

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