Potenzial für die Energiewende Können Krankenhäuser als hybride Energiespeicher genutzt werden?

Wie hoch das Potenzial der Lastverschiebung konkret ist, haben die Partner im Projekt „Hybrider Energiespeicher Krankenhaus (HESKH)“ untersucht.

Bild: iStock, JazzIRT
27.07.2022

Ob Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) oder Kältemaschinen – in vielen deutschen Krankenhäusern stehen Anlagen, die aufgrund ihrer Größe hervorragend geeignet sind, die Einbindung erneuerbarer Energien zu fördern sowie kurzfristige Strompreisschwankungen zu nutzen.

Der Startschuss für das Projekt fiel im Oktober 2018. „Wir sind mit der Zielsetzung angetreten, zu ermitteln, welches Potenzial für Lastverschiebungen in Krankenhäusern vorliegt und welche wirtschaftlichen Vorteile sich daraus für die Krankenhäuser ergeben“, erklärt Dr. Anne Hagemeier vom Fraunhofer UMSICHT.

„Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Prognose des Wärmebedarfs, der eine wichtige Rolle bei der vorausschauenden Optimierung des Anlageneinsatzes spielt.“

Durch Monitoring mögliche Energiesparpotenziale entdecken

In einem umfangreichen Monitoring wurden über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr die Wärme- und Kältemengen im Evangelischen Krankenhaus Hattingen gemessen und durch Kurzzeitmessungen einzelner Stromverbraucher und Abteilungen ergänzt. Die Ergebnisse flossen in verschiedene, im Projekt erstellte Modelle ein und erlaubten es, die Zusammensetzung der Energieverbräuche zu verstehen und Einsparpotenziale aufzudecken. Gleichzeitig konnten durch eine Simulation von Energieverbrauch und -versorgung Möglichkeiten zum Energiesparen und zur Kostenreduktion aufgezeigt werden.

„Es zeigte sich, dass – wenn die Nennlast des Blockheizkraftwerkes (BHKW) des Krankenhauses die Grundlast übersteigt und thermische Speicher vorhanden sind – Flexibilität bereitgestellt und wirtschaftliche Vorteile erzielt werden können. Auch, wenn ein konstanter Strompreis verwendet wird“, so UMSICHT-Wissenschaftler Sebastian Berg. „Gehen wir von einem dynamischen Stromtarif aus, der sich an dem Börsenstrompreis orientiert, können die Stromkosten zusätzlich um bis zu 15 Prozent reduziert werden. Die Stromerzeugung mit dem BHKW erfolgt dann vorzugsweise zu Zeiten, in denen die Strompreise hoch sind.“

Wie sieht die Praxis aus?

Um den vorausschauenden Betrieb in der Praxis umzusetzen, ist die Prognose von Rahmenbedingungen notwendig. Dazu gehören die Energiebedarfe (Strom, Wärme et cetera), die Preise für deren Ein- und Verkauf sowie nicht-steuerbare Eigenerzeugungen (Photovoltaik, Solarthermie).

„Um eine hohe Prognosegenauigkeit zu erzielen, haben wir unter anderem auf Basis künstlicher neuronaler Netze unterschiedliche Prognosemodelle erstellt und anschließend simulativ getestet“, beschreibt UMSICHT-Wissenschaftler Malte Stienecker das Vorgehen. „Dabei konnten wir feststellen, dass die Prognoseabweichungen zwar zum Teil durch den thermischen Speicher des Krankenhauses ausgeglichen werden konnten, jedoch regelmäßig Anpassungen am ursprünglichen Anlagenfahrplan, der mit den prognostizierten Daten erstellt wurde, notwendig waren, um auch den tatsächlich auftretenden Wärmebedarf zu decken.“

Welche Mehrkosten dadurch im Betrieb anstehen, hängt sowohl von der Größe der Abweichung als auch von ihrem Zeitpunkt ab. So waren vor allem in den Wintermonaten vermehrte Fahrplananpassungen notwendig. Zu dieser Zeit laufen allerdings – aufgrund des höheren Wärmebedarfs – die Spitzenlastkessel, die kurzfristig und ohne Beeinträchtigung der Stromseite ihre Wärmeerzeugung anpassen können.

Anders in den Sommermonaten: Dann nutzt das Krankenhaus ausschließlich das BHKW zur Wärmeversorgung, so dass sich Fahrplananpassungen stärker auswirken, weil zum Beispiel mehr Strom eingekauft werden muss.

Ergebnisse übertragbar

Die Projektergebnisse sind übrigens sowohl auf andere Krankenhäuser als auch auf Gebäudetypen mit ähnlichen Anlagen beziehungsweise ähnlicher Energieerzeugung übertragbar – beispielweise Hotels, Schwimmbäder oder Gewerbebetriebe.

Sebastian Berg: „Wir haben eine Analyse der Krankenhauslandschaft in Deutschland durchgeführt und dabei die ermittelten Lastverschiebepotenziale für das Krankenhaus in Hattingen hochgerechnet. Ergebnis: Wenn alle KWK-Anlagen, die aktuell in Krankenhäusern eingebaut sind, flexibel betrieben werden, liegt ein Lastverschiebepotenzial von etwa 300 MW für positive und 200 MW für negative Flexibilität vor – wenn die Fahrweise der Anlagen nach den Marktpreisen für Strom optimiert wird.“ Sprich: Durch eine verbesserte Steuerung können Krankenhäuser zur Energiewende beitragen und gleichzeitig Kosten sparen.

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