Verbesserte Thermoelektrika Mit Elektronenstau Strom erzeugen

Wenn sich positive und negative Ladungsträger unterschiedlich schnell bewegen – wie bei Stau auf einer Autobahn –, entsteht eine Spannungsdifferenz, die zur Stromerzeugung genutzt werden kann.

Bild: TU Wien
18.06.2025

Elektrischer Strom lässt sich problemlos in Hitze umwandeln. Aber geht es auch andersherum? Ein Forschungsteam der TU Wien hat jetzt Legierungen gefunden, die sehr gute thermoelektrische Eigenschaften besitzen und den Prozess deutlich effizienter gestalten können.

Elektrischen Strom in Hitze umzuwandeln, bewerkstelligt jeder Elektroherd. Und auch die Frage, ob Hitze ohne eine Dampfturbine oder ähnliche Umwege in Strom transferiert werden kann, beantwortete der Physiker Thomas Seebeck schon vor über 200 Jahren mit Ja. Er konnte zeigen, dass bestimmte Materialien, sogenannte Thermoelektrika, Strom erzeugen, wenn sie auf der einen Seite erwärmt, auf der anderen Seite gekühlt werden. Aus einem Temperaturunterschied entsteht elektrische Energie. Heute wird das als „Seebeck-Effekt“ bezeichnet.

Solche thermoelektrischen Generatoren sind praktisch, wenn geringe Mengen elektrische Energie benötigt werden. Das ist zum Beispiel bei Weltraum-Missionen der Fall. Allerdings sind die bisher bekannten thermoelektrischen Materialien nicht effizient genug, um konventionelle Kraftwerke zu ersetzen. Die Arbeitsgruppe um Prof. Andrej Pustogow vom Institut für Festkörperphysik an der TU Wien forscht daher an neuen Materialien mit verbesserten thermoelektrischen Eigenschaften. Nun ist es mit einem neuen Trick gelungen, die Leistung von Thermoelektrika deutlich zu verbessern.

„Trotz einem Jahrhundert intensiver Forschung an halbleitenden Materialien gab es seit der Entdeckung von Wismut-Tellurid-Verbindungen in den 1950ern keine signifikanten Fortschritte mehr, die zu einer weitverbreiteten, alltäglichen Anwendung der Technologie geführt hätten“, sagt Pustogow. „Uns ist jetzt ein großer Schritt vorwärts gelungen – und zwar mit metallischen Materialien, die bisher in diesem Bereich eigentlich nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.“

Metalle als Thermoelektrika?

Der Seebeck-Effekt beruht darauf, dass die Beweglichkeit von positiven und negativen Ladungsträgern einerseits vom Material, andererseits von der Temperatur abhängt. „Angenommen, wir haben einen Halbleiter, in dem sich nur negative elektrische Ladungen bewegen können. Zuerst sind sie überall im Material gleichmäßig verteilt, das Material ist überall elektrisch neutral. Wird nun aber eine Seite erhitzt und eine gekühlt, dann bewegen sich die negativen Ladungsträger auf der heißen Seite schneller und weiter, dort wird sich somit weniger negative Ladung aufhalten als auf der kalten Seite“, erklärt Pustogow. Dadurch entsteht eine Spannungsdifferenz, aus der sich elektrische Energie gewinnen lässt.

In den meisten metallischen Materialien können sich sowohl positive als auch negative Ladungsträger bewegen. Somit befinden sich beide Sorten beweglicher Ladungsträger eher auf der kalten als auf der heißen Seite. „Plus und Minus gleichen sich aus, also entsteht auf diese Weise keine Spannung“, sagt Pustogow. „Daher hat man über metallische Materialien im Zusammenhang mit dem thermoelektrischen Effekt auch kaum nachgedacht. Man dachte, dass sie sich dafür nicht gut eignen. Wir konnten nun aber zeigen: Auch Metalle lassen sich hervorragend als Thermoelektrika nutzen.“

Stau aus Ladungsträgern

Der entscheidende Trick ist: Positive und negative Ladungsträger müssen sich unterschiedlich schnell bewegen. „Man kann sich die Bewegung der Ladungen wie auf einer Autobahn vorstellen“, verdeutlicht Pustogow. „Die positiven Ladungen fließen auf der linken Spur, die negativen auf der rechten Spur. Indem wir auf der linken Spur einen Stau erzeugen, bleiben die positiven Ladungen stecken, während die negativen Ladungen auf der rechten Spur ungehindert fließen.“ Auf diese Weise lassen sich exzellente Thermoelektrika gewinnen, auch wenn sie sowohl positive als auch negative Ladungsträger haben.

Der „Stau“ wird hervorgerufen, indem zusätzliche unbewegliche Ladungsträger im Material einbaut werden. Bereits 2023 konnte das Team der TU Wien zeigen, dass das mit bestimmten Nickel-Gold-Legierungen funktioniert. „Nun haben wir in einer Verbindung aus Nickel und Indium eine deutlich billigere Alternative ohne Gold gefunden“, sagt Fabian Garmroudi, Erstautor der Studie.

Atomstruktur wie Bambuskörbe

Die Forschenden sind auf sogenannte Kagome-Metalle gestoßen. Der Begriff „Kagome“ leitet sich urspünglich aus dem Japanischen ab und bezeichnet geflochtene Bambuskörbe mit einem speziellen Muster aus Sechsecken und Dreiecken, die sich an ihren Kanten berühren.

„Erstaunlicherweise gibt es in der Natur Materialien, in denen sich die Atome in genau so einem Muster anordnen“, sagt Garmroudi. „Diese weisen interessante physikalische Eigenschaften auf – man spricht in diesem Fall von ‚geometrischer Frustration‘. Beispielsweise stellt sich heraus, dass Ladungen extrem unbeweglich werden können und innerhalb des Kagome-Sterns ‚gefangen‘ sind.“

Aussichten der Technologie

Die Forscher konnten zeigen, dass die Kagome-Geometrie zu einem extrem großen Seebeck-Effekt führen kann – um einiges größer als in bisher verwendeten Legierungen aus Nickel und Gold. Während die negativen Ladungen in einem Kagome-Metall ungebremst fließen, ermöglicht das Aufstauen positiver Ladungen bei Raumtemperatur eine hohe Effizienz. So sollen die neuartigen Thermoelektrika auch kommerziell erhältliche Wismut-Tellurid-Thermoelektrika übertreffen.

„Mit diesen Kagome-Metallen sind wir auf eine wahre Goldgrube gestoßen, deren thermoelektrische Eigenschaften wir mit unserer Expertise im Tuning geometrischer Frustration nun systematisch verbessern“, schließt Pustogow.

Bildergalerie

  • In einem sogenannten Kagome-Gitter werden Ladungsträger in ihrer Bewegung eingeschränkt. Dadurch lassen sich thermoelektrische Eigenschaften optimieren.

    In einem sogenannten Kagome-Gitter werden Ladungsträger in ihrer Bewegung eingeschränkt. Dadurch lassen sich thermoelektrische Eigenschaften optimieren.

    Bild: TU Wien

  • Die Beweglichkeit der Teilchen hängt von der Temperatur und vom Material ab.

    Die Beweglichkeit der Teilchen hängt von der Temperatur und vom Material ab.

    Bild: TU Wien

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