Entwicklungstools & Prototyping Hohe Zuverlässigkeit durch Klebstoffe

Bild: Delo Industrie Klebstoffe
08.08.2014

Der Schutz elektronischer Komponenten vor thermischen, mechanischen und chemischen Belastungen wird immer wichtiger, die Kfz-Elektronik ist nur ein Beispiel dafür. Dem anwendungsgerechten Packaging mit Hilfe hochzuverlässiger Vergussmassen kommt daher eine größere Rolle zu. Dr. Karl Bitzer, Produktmanager bei Delo Industrie Klebstoffe, klärt über den richtigen Einsatz auf.

Beim Einsatz von Vergussmassen in der Elektronikfertigung führt an der Warmhärtung im Ofen kein Weg vorbei.

Richtig. Bei einfacheren Anwendungen können auch Materialien eingesetzt werden, die anders aushärten. Für Stecker, Schalter und Relais etwa eignen sich lichthärtende Acrylate durchaus und ermöglichen extrem kurze Taktzeiten. Sobald aber die Komponenten anspruchsvollen Umweltbedingungen aussetzt werden, kommen nur warmhärtende Epoxidharze in Frage. Die widerstandsfähigsten Produkte haben einen Säureanhydrid-Härter, der durch Wärme aktiviert wird. Dadurch sind Temperaturen zwischen 100 °C und 180 °C erforderlich. An einer Aushärtung im Umluft-
ofen führt im Prinzip kein Weg vorbei. Lediglich bei bestimmten Anwendungen kann eine Aushärtung mittels Thermode oder Induktion sinnvoll sein.

Bei der Optimierung der Aushärteparameter besteht ein Zielkonflikt zwischen der Temperatur und der Spannungsfreiheit.

Richtig. Je höher die Temperatur, desto schneller härtet der Klebstoff aus. Für schnelle Prozesse sind höhere Temperaturen also gut. Gleichzeitig sorgt eine hohe Temperatur auch für einen stärkeren Verzug. Schließlich bildet sich das polymere Netzwerk bei Hitze aus und zieht sich dann beim Abkühlen zusammen.
Ist der Verzug zu groß, empfiehlt es sich, die Vergussmassen bei etwas niedrigeren Temperaturen ein paar Minuten länger auszuhärten. Eine Faustregel gibt es aber hier nicht. Jedes Bauteil und jede Baugruppe ist konkret zu betrachten.

Hohe Zuverlässigkeit und ein effizienter, großflächiger Verguss schließen sich aus.

Falsch. Tatsächlich war das lange nicht möglich. Durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten (CTE) von Chip (Si, 4 ppm/K), Bonddraht (Au, 14 / Al, 23 ppm/K), Bondpad (Cu, 16 ppm/K), Leiterplatte (FR4 10 bis 20 ppm/K / Keramik 1 bis 3 ppm/K) und Vergussmasse (Epoxidharz, meist mehr als 20 bis zu 250 ppm/K) entstehen thermomechanische Spannungen in den Bauelementen. Dies kann zu einem Drahtbruch oder einem Verbiegen des Substrates, auch Verzug oder Warpage genannt, führen. Im Falle eines großflächigen Vergusses verschärft sich dieses Problem noch, was zudem das Vereinzeln der Packages mittels Sägen erschwert. Seit kurzem gibt es jedoch Vergussmassen, die einen CTE-Wert von 11 ppm/K erreichen. Durch einen solch niedrigen, auf das zu vergießende Package angepassten Ausdehnungskoeffizienten werden diese Spannungen vermieden, was die Prozesszeit verkürzt und ein Einsparpotenzial bietet.

Soll eine hohe Zuverlässigkeit erreicht werden, wird auf einkomponentige Vergussmassen gesetzt.

Richtig. Zumindest sind sie im Bereich der Elektronikfertigung definitiv die Regel. Lediglich für große Vergüsse eignen sie sich weniger, denn große Volumina können nicht gefroren transportiert werden. In diesen Fällen kommen zweikomponentige Produkte zum Einsatz. Dies ist aber mehr in der Maschinenbau-Elektronik der Fall und weniger in der Mikroelektronik. Was die Zuverlässigkeit angeht, erreichen zweikomponentige Produkte fast die von einkomponentigen Produkte. Der Unterschied ergibt sich vor allem daraus, dass ein Anwender zwei Komponenten nie so gut und lange durchmischen kann wie ein Klebstoffhersteller im großen Maßstab in der Produktion.

Dam and Fill ist einem Glob-Top-Verguss überlegen.

Richtig. Dam and Fill ist das leistungsfähigere Verfahren, weil der Anwender damit definiertere Formen erreichen kann. Schließlich dosiert er mit einem hochviskosen Klebstoff zuerst einen Dam und füllt den so eingegrenzten Raum dann auf. Dam and Fill wird daher besonders bei großen Bauelementen oder auf engem Raum eingesetzt. Ist ein gewisses Verfließen der Vergussmasse aufgrund des Designs oder anderer Faktoren kein Problem, bietet sich ein Glob Top an. Schließlich spart der Anwender damit einen Prozessschritt.

Für einen partiellen Chipverguss kommt daher nur Dam and Fill in Frage.

Falsch. In der Praxis wird oft ein partieller Verguss benötigt, etwa bei Sensor-Anwendungen, bei denen der Sensor Informationen unter anspruchsvollen Umweltbedingungen aufnehmen, der Chip jedoch vor diesen geschützt werden soll. Dabei werden also nicht alle Teile des Chips mit Klebstoff bedeckt. Hier ist es besonders wichtig, dass der Klebstoff, ohne zu verfließen, an der vorgesehenen Position aushärtet. Da der Anwender verschiedene Dosiermuster einstellen und zuverlässig auftragen kann, eignen sich Dam and Fill-Systeme dafür besonders gut. Es gibt aber auch einige Anwendungen, bei denen ein partieller Verguss mit Glob-Top-Produkten möglich und völlig ausreichend ist, denn auch diese besitzen ein optimiertes Fließverhalten.

Setzt ein Anwender auf Dam Stacking, werden mehrere Klebstoffraupen „gestapelt“ und bilden dadurch eine Wandung. Dabei ist eine Zwischenhärtung der einzelnen „Etagen“ 
erforderlich.

Falsch. Es gibt einige Produkte im Markt, bei denen dies tatsächlich notwendig ist. Andere Systeme erlauben dagegen so schmale und gleichzeitig stabile Wandungen, dass sich die Dams ohne Zwischenhärtung stapeln lassen. Das Ganze hat natürlich Grenzen in der Geometrie, aber sehr oft lässt sich so ein Prozessschritt einsparen und die Produktivität erhöhen. Es geht sogar soweit, dass bestimmte Systeme komplett „nass in nass“ verarbeitet werden können. Nicht nur die einzelnen Dams, auch die gesamte Wandung muss nicht zwischengehärtet werden. Der Fill kann also ohne Zwischenschritt dosiert und der vollständige Verguss in einem Schritt ausgehärtet werden, was eine höhere Produktionskapazität ergibt.

Verwandte Artikel