Fachbeitrag Geburtsurkunde für Ökostrom

TÜV SÜD



Bild: istockPhoto/Lokibaho, UBA
06.06.2013

Seit Anfang des Jahres gibt es das zentrale Herkunftsnachweisregister für erneuerbaren Strom. Vom Herkunftsnachweis sollen vor allem die Verbraucher profitieren, da somit eine Doppelvermarktung von Ökostrom ausgeschlossen wird.

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2011 betrug die Gesamtmenge des erneuerbaren Stroms etwa 123 TWh, davon wurden laut Bundesumweltamt 91TWh nach dem EEG gefördert. Die restlichen 32 TWh wurden als „Grüner Strom“ oder „Ökostrom“ direkt vermarket. Allerdings konnten Verbraucher nicht sicher sein, ob dieser Strom tatsächlich aus erneuerbaren Quellen stammt. Denn bislang sind nur 35 Prozent der Ökostromprodukte zertifiziert. Und selbst diese Zertifizierungen haben unterschiedliche Kriterien. Seit dem 1. Januar 2013 müssen sich Energieversorger und Anlagenbetreiber, die ihren Strom aus erneuerbaren Energien direkt vermarkten wollen, beim Herkunftsnachweisregister (HKNR) des Umweltbundesamtes (UBA) registrieren. Mit Herkunftsnachweisen (HKN) bestätigt das UBA, dass der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Das HKNR verwaltet die HKN-Konten, die Übertragung von einem Konto zum anderen, den Im- und Export von HKN sowie die Entwertung und Verwendung. Die Verwendung dieser Stromnachweise für erneuerbare Energie überwacht das UBA. So soll sichergestellt werden, dass keine Doppelvermarktung erfolgt. Die Bilanzierung mit HKN ist somit eine geeignete Grundlage für eine Zertifizierung von Ökostromangeboten.

Grundsätzlich ist zwischen zwei verschiedenen Arten von erneuerbarem Strom zu unterscheiden. Der größte Anteil des grünen Stroms wird über die EEG-Umlage und somit von allen Stromkunden - unabhängig vom gewählten Tarif - finanziert. Dieser Anteil wird auf der Stromrechnung mit dem Hinweis auf das EEG ausgewiesen und ist von der Neuregelung durch das UBA nicht betroffen. Strom aus erneuerbaren Energien, der nicht über das EEG gefördert und von Energieversorgern an Endkunden verkauft wird, muss gesondert gekennzeichnet werden und mit Herkunftsnachweisen belegt sein. Um diese zu erhalten, müssen sich die Erzeuger sich und ihre Anlagen beim HKNR registrieren lassen.

Die Nachweise erhalten Stromproduzenten nur, wenn sie drei Bedingungen erfüllen: Erstens muss der Strom aus erneuerbaren Quellen stammen, etwa aus Wasser, Wind, Sonne, Biomasse oder Geothermie. Zweitens darf der Produzent für den Strom keine Einspeisevergütung nach dem EEG-Gesetz beanspruchen, und drittens darf er keine EEG-Marktprämie erhalten. Das soll eine Mehrfachvermarktung ausschließen.

Die zentrale Registerdatenbank des UBA vergibt für jede erzeugte Megawattstunde erneuerbaren Stroms genau einen Herkunftsnachweis und registriert diesen in einer Datenbank. Das UBA spricht hier von einer „elektronischen Geburtsurkunde“. Diese wird vom Erzeuger an den Energieversorger weitergegeben. Nach der Lieferung des Stroms an den Endkunden wird der Herkunftsnachweis entwertet. Sollte der Herkunftsnachweis innerhalb eines Jahres nicht genutzt werden, erfolgt eine automatische Entwertung durch das UBA. In diesem Fall kann der Herkunftsnachweis nicht mehr genutzt werden und verfällt.

Prüfungen durch Umweltgutachter

In einigen Fällen ist es notwendig, für die Vergabe eines Herkunftsnachweises durch das UBA die Bestätigung eines Umweltgutachters einzuholen. Dies ist zum Beispiel bei Biomassekraftwerken ab einer Leistung von 100 kW der Fall, wenn neben erneuerbaren Energien auch sonstige Energieträger eingesetzt werden. Das Umweltgutachten kann unter bestimmten Umständen jedoch nachgereicht werden, um Verzögerungen bei der Anlagenregistrierung zu vermeiden. So können Anlagen auch ohne Bestätigung eines Umweltgutachters bis Ende Juni registriert werden, falls diese bis Ende des Jahres nachgereicht wird.

Sollen im Herkunftsnachweis neben den vorgeschriebenen Pflicht- auch freiwillige Zusatzangaben aufgenommen werden, ist ebenfalls eine Bestätigung durch einen Umweltgutachter notwendig. Solche Zusatzangaben können vom Energieversorger bei der Vermarktung seines Ökostroms aktiv genutzt werden. Dazu gehören Detailinformationen zu Besonderheiten der Anlagen und der Stromproduktion, zum Beispiel dass eine Windkraftanlage besonders geringe Geräuschemissionen aufweist oder dass bei einem Wasserkraftwerk Maßnahmen zum Fischschutz umgesetzt wurden.

Optionale Kopplung

Eine weitere freiwillige Zusatzangabe ist die „optionale Kopplung“. Da Herkunftsnachweise gehandelt werden können, ist es möglich, dass Energieversorger ihren Strom von einem Stromlieferanten beziehen, die Herkunftsnachweise aber von einem Grünstromhändler. Damit geht die direkte Handelsbeziehung mit dem Erzeuger regenerativen Stroms verloren. Das ist vergleichbar mit Lebensmitteln, die beim Discounter und nicht direkt beim Bauern oder auf dem Bauernmarkt gekauft werden. Um dies zu fördern, bietet das UBA die Möglichkeit, den Vermerk einer „optionalen Kopplung“ in den Herkunftsnachweis aufzunehmen. Dadurch weiß der Energieversorger bereits beim Vertragsabschluss, woher der Strom aus erneuerbaren Energien geliefert wird. Diese Zusatzqualität ist nur ausweisbar, wenn ein Umweltgutachter den Sachverhalt prüft und bestätigt.

Für im Ausland produzierten Strom kann der Kopplungsvermerk im HKNR jedoch nicht aufgenommen werden. Dies wäre nur nachträglich möglich, wenn beispielsweise ein Umweltgutachter den Sachverhalt eingehend geprüft hat und eine ergänzende Bescheinigung ausstellt. Damit ist nationale oder regionale Erzeugung von Vorteil.

In jedem Fall ist Doppelvermarktung ausgeschlossen, denn nur die Energieversorger dürfen Herkunftsnachweise für ihre Stromkennzeichnung verwenden. Eine Entwertung von HKN durch Endkunden im HKNR ist nicht vorgesehen.

Das HKNR ist ein reines Bilanzierungssystem; Aussagen über die Qualität werden in der Regel nicht getroffen. Herkunftsnachweise können jedoch eine wertvolle Basis für die Zertifizierung von Ökostrom darstellen, da sie bereits Kenndaten wie Angaben zum Standort der Anlage, der Leistung und dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme bereitstellen.

Weil technisch veraltete Anlagen möglichst durch effizientere Anlagen ersetzt werden sollen, werden einige Zertifikate nur vergeben, wenn ein definierter Anteil der Anlagen zur regenerativen Produktion innerhalb der vergangenen Jahre in Betrieb genommen wurde. Andere Zertifizierungen stellen die Anforderung, dass zwischen Erzeugung und Verbrauch wenig Zeit verstreichen darf. Damit soll vermieden werden, dass etwa fossile Kraftwerke als Backup-Lösungen benötigt werden.

Grundvoraussetzung für eine Ökostromzertifizierung ist in jedem Fall der Nachweis, dass es sich zu 100 Prozent um erneuerbare Energie handelt, deren Nachverfolgung vom Erzeuger bis zum Endkunden gewährleistet ist. Das HKNR des Umweltbundesamtes sollte deshalb bei einer Ökostrom-Zertifizierung einen besonderen Stellenwert bekommen.

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