Biochemikalien für die Industrie Forscher gewinnen Kunststoff aus nicht verkauften Backwaren

Maciej Olszewski und seine Frau Frau Katalina: Im Bioraffinerie-Technikum der Universität Hohenheim wandeln sie Stärke zur Biochemikalie HMF um.

Bild: Max Kovalenko, Universität Hohenheim
20.04.2021

Altbackwaren könnten mithilfe eines neuen Verfahrens zur nachhaltigen Kunststoffquelle für die Chemieindustrie werden. Mittels hydrothermaler Behandlung ließen sich aus nicht mehr essbaren Brötchen und Kuchen Basischemikalien herstellen, die sich unter anderem zur Produktion von PET-Alternativen eignen.

In Deutschland fallen jährlich über 500.000 t Altbackwaren an, die sich nicht ohne Weiteres für den weiteren Verzehr oder als Futtermittel eignen. Bisher werden sie hauptsächlich energetisch genutzt, etwa in Verbrennungsprozessen oder Biogasanlagen.

Brot, Brötchen oder Kuchen enthalten aber große Mengen Stärke. Sie lässt sich zur Basischemikalie Hydroxymethylfurfural (HMF) umsetzen, wie Forscher des Fraunhofer-Wilhelm-Klauditz-Instituts (WKI) und der Universität Hohenheim jetzt gezeigt haben. „Wir haben in unserem Teilprojekt das Anwendungspotenzial für HMF näher bestimmt, da regional verfügbare Altbackwaren eine sinnvolle Ressource jenseits der energetischen Nutzung darstellen“, sagt der Projektleiter am Fraunhofer WKI, Dr. Steven Eschig.

Mit dem Verfahren produziertes HMF kann beispielsweise Formaldehyd in biobasierten Klebstoffen ersetzen oder als Ausgangsstoff für biobasierte Kunststoffe dienen.

Ablauf des Verfahrens

Im Projekt erarbeitete ein Team der Universität Hohenheim einen Prozess zur hydrothermalen Behandlung der Altbackwaren, durch den feuchte Biomassen unter Hitze und leicht erhöhtem Druck umgewandelt werden. Aus dem Gebäck und der darin enthaltenen Stärke entsteht dann HMF in wässriger Lösung. „Die Prozessparameter wie pH-Wert, Temperatur und Dauer haben wir so gewählt, dass möglichst hohe Ausbeuten an HMF erzielt werden“, erklärt Markus Götz, Mitarbeiter im Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe, der das Projekt leitet.

Als Nebenprodukt der hydrothermalen Behandlung entsteht außerdem Kohle; sie lässt sich als Biobrennstoff oder als Bodendünger einsetzen. Gleichzeitig stellt sie ein gutes Adsorptionsmittel dar und kann kann daher auch als Aktivkohle genutzt werden.

„Wir am Fraunhofer WKI hatten die Aufgabe, das HMF aus der wässrigen Lösung zu isolieren und weiterzuverarbeiten“, sagt Eschig. Er und sein Team fanden heraus, dass Methylisobutylketon (MIBK) als Extraktionsmittel besser funktioniert als Chloroform (CHCI3) und sich die Zugabe von Natriumchlorid positiv auf die extrahierte Menge auswirkt. Außerdem konnten sie Polyester unter Verwendung von Furandicarbonsäure herstellen und charakterisieren.

Mögliche Alternative zu PET

HMF ist ein vielseitiger Ausgangsstoff, da er als Ersatz für Formaldehyd dienen kann, beispielsweise in formaldehydfreien Harzen und Bioklebstoffen. Außerdem kann er chemische Bindungen ausbilden, die sich bei Temperaturerhöhung wieder lösen lassen. Das ermöglicht die Herstellung von Materialien mit Selbstheilungseigenschaften. Das reversible Lösen ist außerdem für schaltbare Klebstoffe interessant, wodurch sich neue Recyclingmöglichkeiten ergeben.

Über chemische Veränderungen können aus HMF zudem sogenannte Dialkohole (reduktiv) oder Dicarbonsäuren (oxidativ) gewonnen werden. Sie sind ein möglicher Baustein für Polymere, beispielsweise bei der Herstellung von Beschichtungen oder Fasern. Bereits erprobt ist ebenfalls die Herstellung des Kunststoffs Polyethylenfuranoat (PEF): Die nachhaltige PET-Alternative ist leichter und beständiger als sein erdölbasiertes Pendant und daher von großem Interesse für die Getränkewirtschaft.

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