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Interview mit Stefan Hoitz, Michael Page „Das Lohngefälle nimmt ab“

Bild: Michael Page
29.03.2018

Der Arbeitsmarkt hat sich zu einem Kandidatenmarkt entwickelt, sagt Stefan Hoitz, Director bei der Personalvermittlung Michael Page. Im Zeitalter des Fachkräftemangels bewerben sich nicht mehr nur Arbeitssuchende bei Unternehmen, sondern auch Unternehmen bei den Kandidaten. Im Gespräch mit A&D erklärt Hoitz daher unter anderem, welche Berufe besonders gefragt sind und was angehende Techniker und Ingenieure an Gehalt erwarten können.

Herr Hoitz, Sie sind seit sechs Jahren bei Michael Page tätig. Wie gefragt ist die Personalvermittlung heutzutage?

Sehr gefragt. Es ist ein nach wie vor ein wachsender Markt. Die Bereitschaft mit Personaldienstleistern zu arbeiten, ist mittlerweile bei fast jedem Unternehmen vorhanden. Das war zu Beginn meiner Karriere noch anders. Damals war es noch eine teilweise erklärungsbedürftige Dienstleistung. Dass das heute nicht mehr so ist, liegt auch daran, dass viele Unternehmen nicht mehr in Lage sind, ihre Positionen alleine zu besetzen.

Wer sind Ihre primären Kunden?

Unsere Kunden reichen vom Start-up-Unternehmen bis hin zum DAX-30-Konzern.

Aktuell ist man in manchen Regionen Deutschlands, zumindest gefühlt, schon nahe an der Vollbeschäftigung. Wie sehen Sie den Stand des deutschen Arbeitsmarktes?

Grundsätzlich ist es so: Je spezialisierter eine Position, desto größer ist die Nachfrage und desto geringer das Angebot an Kandidaten. Mittlerweile ist es tatsächlich so, dass wir von einem Kandidatenmarkt sprechen. Ein guter Kandidat kann sich heute aussuchen, in welchem Unternehmen er arbeitet. Der Kandidat bewirbt sich heute nicht mehr beim Unternehmen, sondern Unternehmen bewerben sich beim Kandidaten. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert.

In der Tagespresse wird immer wieder ein Fachkräftemangel beklagt. Gibt es einen solchen in Deutschland?

Das ist sehr positions- und branchenbezogen. Wie ich gerade sagte: Je spezialisierter, desto schwieriger ist es für die Unternehmen, geeignete Fachkräfte zu finden. Es gibt auch einige Unternehmen, die mit Sicherheit bis zu zwölf Monate die jeweilige Position nicht besetzen können. Aber das würde ich jetzt nicht pauschal auf den gesamten Arbeitsmarkt ausdehnen.

Welche Berufsfelder sind im Bereich Engineering und Automatisierung derzeit besonders gefragt?

Das sind die Bereiche, in denen intensiv nach Fachkräften gesucht wird. Viele Unternehmen sind dabei, stärker zu automatisieren und ihre Produktionslinien und Prozesse zu digitalisieren. Gesucht werden vor allem Positionen im Bereich Software- und Hardwareentwicklung sowie im System Engineering, also im Bereich des sogenannten Embedded Engineering. Ein weiteres Thema sind die großen Datencenter, die an vielen Orten entstehen. Klima- und Kältetechniker werden dort unter anderem sehr stark gesucht und sind gefragte Berufszweige.

Welche Fachkräfte sind sonst noch gefragt?

Das ist je nach Branche sehr unterschiedlich. Speziell für den Bereich der Automatisierung und Digitalisierung kann ich aber sagen: Hier werden neben den klassischen Positionen im Bereich der Entwicklung von Soft- und Hardware auch Projektmanager mit Know-how im Bereich der Elektrotechnik stark nachgefragt.

Wie wichtig ist Unternehmen erste Berufserfahrung bei den Bewerbern?

Unternehmen haben zum Teil sehr spezifische Anforderungen. Die Absolventen von der Uni und auch von Ausbildungsberufen werden in den Unternehmen häufig weiter ausgebildet, um ihnen spezifisches Know-how mitzugeben. Viele Unternehmen investieren nochmal ein bis zwei Jahre in den Kandidaten bis er tatsächlich das nötige Wissen hat. Deswegen ist es für viele Unternehmen auch spannend, sich gerade die jungen Kandidaten mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung vom Markt zu angeln, um genau diesem Investitionszeitraum ein Stück weit zu entgehen.

Am gefragtesten am Arbeitsmarkt sind also vor allem junge Leute mit ein paar Jahren Berufserfahrung?

Ja, im Sinne von noch formbar im Wissen und noch offen für neue Eindrücke. Das ist immer gefragt, gepaart mit den ersten Jahren Berufserfahrung.

Mit einem abgeschlossenen Studium oder einer Berufsausbildung habe ich aber eigentlich auch keine Probleme am Arbeitsmarkt, oder?

Nein, das nicht. Unternehmen kaufen dann vor allem die Persönlichkeit von Absolventen ein. Sie wissen, dass diese einen gewissen Ausbildungshintergrund haben, aber insgesamt bringen die Absolventen außer dem Studium oder der Ausbildung und einer gewissen Persönlichkeit zunächst kein Know-how mit. Deswegen ist das Thema Persönlichkeit sehr wichtig. Unternehmen möchten, wenn sie weiter in diesen jungen Mann oder die junge Frau investieren, natürlich wissen, dass das jemand ist, der zum Unternehmen passt und im besten Fall auch langfristig mit dem Unternehmen plant.

Weil wir gerade beim Thema Berufseinsteiger sind: Was verdienen junge Techniker und Ingenieure?

Im Bereich Techniker, das heißt mit Berufsausbildung, sind wir als Berufseinsteiger im Bereich von 32.000 Euro bis 40.000 Euro Jahresgehalt. Ingenieure liegen mit dem entsprechenden Studienabschluss bei rund 40.000 bis 50.000 Euro. Es gibt aber auch Unternehmen, die für Absolventen weit über 50.000 Euro bezahlen.

Das wirkt, als seien Techniker ebenso gefragt wie Studienabsolventen.

Sie sind ebenso gefragt wie Ingenieure, absolut.

Können Absolventen in der heutigen Situation selbstbewusster auftreten und mehr Gehalt verlangen?

Die Gehälter haben sich in den letzten Jahren schon sehr nach oben entwickelt – auch bedingt durch die Knappheit der entsprechenden Fachkräfte. Wie üblich in der freien Marktwirtschaft bestimmt das Angebot die Nachfrage. Im Wesentlichen haben aber Unternehmen klare Gehaltsvorstellungen in Bezug auf Absolventen. Es gibt also weniger den klassischen Verhandlungsspielraum, sondern es ist beim Berufseinstieg vielmehr die Frage, in welche Branche gehe ich und wie groß ist das Unternehmen.

Unterscheiden sich die Einstiegsgehälter in den verschiedenen Branchen – zum Beispiel Pharma, Maschinenbau – voneinander?

Nein, das unterscheidet sich nicht so sehr beim Einstieg. Branchenunterschiede entwickeln sich eher im Zuge der Berufslaufbahn. Was man hingegen immer wieder feststellt, ist ein Unterschied zwischen KMUs und Konzernen.

Wie schwer ist es, Personal an Unternehmen zu vermitteln, deren Standorte nicht in den großen, „hippen“ Städten liegen?

Viele Unternehmen haben mit der Location zu kämpfen, wenn sie sehr weit von Ballungsgebieten entfernt sind. Das ist zunehmend zu beobachten. Andererseits gibt es auch sehr viele Local Heroes, die sehr beliebte Arbeitgeber in einem gewissen Einzugsgebiet sind. Viele Unternehmen machen das sehr geschickt, indem sie sich regional einbringen und gut positionieren. Aber klar, der Kampf um die guten Arbeitskräfte, ist auf dem Land genau so groß wie in der Stadt.

Was müssen Unternehmen abseits der Ballungsgebiete machen, um sich die Dienste der besten Fachkräfte zu sichern?

Sie müssen sehr stark am Thema Employer Branding arbeiten und sich ein gutes Image aufbauen. Gerade in ländlicheren Gegenden sprechen sich Arbeitsbedingungen, gute aber auch negative Meinungen von Mitarbeitern noch schneller herum als in der Stadt. Es ist auch wichtig, frühzeitig mit Schulen zusammenzuarbeiten, um mit den Schülern rechtzeitig über Ausbildungsplätze zu sprechen und sie für sich zu gewinnen. In den ländlichen Gegenden sind die Unternehmenszugehörigkeiten noch immer sehr lang.

Wie wichtig ist in solchen Regionen der Faktor Gehalt? Gibt es noch ein Gefälle zwischen Stadt und Land?

Das hat sich sehr verändert. Vor einigen Jahren gab es noch ein deutlicheres Gefälle. Unternehmen in ländlicheren Gegenden haben aber immer mehr Schwierigkeiten, Fachkräfte nur aus der Region zu rekrutieren. Sie müssen also mehr und mehr Experten aus der Stadt anziehen. Diese bekommen sie natürlich nicht, wenn sie weniger bezahlen. Insofern hat eine Anpassung stattgefunden.

Was ist Bewerbern sonst noch wichtig?

Das ist immer noch das Gehalt und mögliche Boni. Ein PKW ist ebenfalls ein großes Thema, gerade je höher die Position ist. Außerdem sind Punkte wie Work-Life-Balance und Arbeitszeit aber auch betriebliche Altersvorsorge wichtig. Sehr großen Wert legen die Kandidaten auf die Atmosphäre, die man erlebt, wenn man in den Gesprächen beim Unternehmen vor Ort ist – das ist nach wie vor das Kriterium, wonach sich Bewerber für ein Unternehmen entscheiden oder eben nicht.

Zum Ende hin möchte ich noch auf die Fähigkeiten zu sprechen kommen, die für Arbeitgeber heute interessant sind. Welche Weiterbildungen sollten Arbeitnehmer wahrnehmen, welche Fähigkeiten schärfen?

Es werden immer mehr Softwarekenntnisse gefordert. Seien es Programmiersprachen wie C, C++ oder C#, seien es CAD-Kenntnisse und Erfahrungen mit zum Beispiel Catia, SolidWorks oder Creo beziehungsweise CAE-Kenntnisse wie Eplan oder aber auch ERP-Kenntnisse wie beispielsweise SAP. Steuerungstechniken wie SPS oder S7 sind ebenfalls ein großes Thema. Außerdem werden die Unternehmen zunehmend internationaler; Englisch ist daher entscheidend. Kommunikations-Skills sind allgemein relevant.

Ist Bewerbern ein entsprechendes Weiterbildungsangebot seitens der Unternehmen wichtig?

Kandidaten ist es heute sehr wichtig, wenn sie sehen, dass in ihre Karriere weiter investiert wird.

Dieser Artikel Teil des Fokusthemas „Fachkräfte & Weiterbildung" aus der A&D-Ausgabe 4-2018.

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