Smart Traffic & Mobility Elektromobilität für Stadtbusse

Ohne Getriebe: Der Radnabenantrieb ZAwheel eliminiert 80 % der bewegten Teile im Antriebsstrang.

Bild: Ziehl-Abegg
25.04.2014

Elektrobusse entlasten Innenstädte von Abgasen, Lärm und Feinstaub. Allerdings stehen dem Wunsch nach einer elektrifizierten Fahrzeugflotte ein beschränktes Angebot und knappe Budgets entgegen. Elektrische Radnabenantriebe können Abhilfe schaffen – bei Neukonstruktionen und beim Umrüsten von Dieselfahrzeugen.

Angesichts wachsender Umweltzonen und schärferer Normen wie Euro 6 und die EU-Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG wird Elektromobilität technisch und wirtschaftlich immer attraktiver. Besonders bei Stadtbussen bietet sich diese CO2-Bremse an. Die Anforderungen an die Reichweite sind überschaubar und Betriebshöfe bieten ausreichend Platz für die Lade-Infrastruktur. Sogar Schnellladestationen in Endhaltestellen sind komfortabel und sicher realisierbar. Der Bus lädt dort entweder völlig kontaktlos induktiv oder konduktiv.

Bleibt die Frage nach dem Antrieb. Systeme mit Zentralmotor oder Elektroportalachsen benötigen weiterhin Getriebe und Differenzial, was sich auf Geräuschverhalten, Antriebswirkungsgrad, Nutzung der Bremsenergie (Rekuperation) sowie auf Gewicht, Einbauraum und Wartungsaufwand auswirkt. Ein echter E-Bus ist und kann aber viel mehr als ein umgerüstetes Dieselfahrzeug mit Elektromotor.

Der elektrische Radnabenantrieb „ZAwheel“ von Ziehl-Abegg verzichtet auf Getriebe und eliminiert so 80 Prozent der bewegten Teile im Antriebsstrang (Abbildung Seite 41). Dieses Achsantriebsmodul für eine Achslast von bis zu 13.000 kg wurde speziell als Niederflurachse für Stadtbusse entwickelt. Es kann als Hinterachsantrieb für Solobusse sowie als Hinterachsantrieb und/oder Mittelachsantrieb für Gelenkbusse fungieren. Das System eignet sich sowohl für vollelektrische Stadtbusse als auch für serielle Hybridbusse.

Einbauraum und Anschlussmaße sind kompatibel zu gängigen Standardportalachsen für Niederflurbusse, wodurch aufwendige Anpassungen am Unterwagen des Busses entfallen. Dies ist besonders für die Umrüstung von Dieselfahrzeugen interessant. Bei Neuenwicklungen genießt der Konstrukteur viele Freiheiten, etwa durch eine breitere Fahrspur, einen größeren Federabstand sowie einen breiteren Mittelgang von bis zu 880 mm für den Niederflurbus.

Rekuperation ist das neue Bremsen

Herzstück des Radnabenantriebs ist ein flüssigkeitsgekühlter, permanentmagneterregter Synchronmotor (PMSM). Das Achsantriebsmodul besteht aus Niederflurrahmen, Radnabenmotoren mit integrierter Leistungselektronik und Felgen, Bremsen, Bremsscheiben, Sensoren für Temperatur, ABS, Motordrehzahl und Tacho. Pro Achse sind eine maximale Antriebsleistung von 364 kW und eine Dauerleistung von 226 kW verfügbar. Fast noch wichtiger: Das Drehmoment. Dauerhaft beträgt es 5400 Nm, in der Spitze sind bis zu 12.000 Nm abrufbar. Dabei stehen diese, anders als beim Verbrenner, über den gesamten Drehzahlbereich zur Verfügung. Der Gesamtwirkungsgrad (Battery to wheel) beim Radnabenantrieb erreicht 90 Prozent.

Ein weiterer Vorteil: Radnabenmotoren ermöglichen als Generatoren ein regeneratives Bremsen (Rekuperation). Die Bremsenergie wird wieder in Elektrizität zurückgewandelt und es lassen sich typische Rekuperationsraten von rund 30 Prozent erreichen.

Einsparungen ergeben sich auch bei Wartung und Verschleiß: Getriebe, Differenzial, Kraftstoffzuführung, Auspuffanlage. Was nicht vorhanden ist, benötigt weder Schmier- und Kühlstoffe noch Wartung und Austausch. Der Elektroantrieb schont zudem die Bremsanlage an der Hinterachse und wirkt sich dadurch positiv auf den Verschleiß bei Bremsscheiben und Bremsbelägen aus.

Elektrische Antriebe auf dem Prüfstand

Bei aller Begeisterung für die Technik bleibt die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Aufschluss gibt eine Studie von Frank G. Rieck (Rotterdam University of Applied Science). Referenz war ein 12-m-Elektrobus mit einer vorgesehenen Tagesfahrleistung von 200 Kilometer an 340 Tagen im Jahr. Ausgerüstet mit dem aktuellen Standardequipment der jeweiligen Hersteller durchlief das Fahrzeug den SORT-2-Zyklus (Standardised On Road Test). SORT 2 entspricht einem gemischten Zyklus aus Stadt- und Vorortverkehr mit 33 Prozent Stoppzeiten an Haltestellen, 3 Stopps pro Kilometer und 18 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Zur Vergleichbarkeit wurden unter anderem der Reifendruck sowie das Fahrzeuggesamtgewicht (14.410 kg) angepasst. Die Vergleichsergebnisse sind eindeutig: Der Direktnabenantrieb verbraucht durchschnittlich 0,91 kWh pro km und somit rund 15 Prozent weniger Energie als andere elektrische Antriebe. Außerdem kann man gegenüber einem Antrieb mit Zentralmotor das Batteriepaket bei gleicher Reichweite um bis zu rund 15 Prozent reduzieren, was außer Anschaffungskosten auch Platz und Gewicht im Fahrzeug spart.

Ein Energiemanagement-System kann zudem eine exakte Online-Reichweitenprognose über den gesamten Tageseinsatz unter Einbeziehung von Nachlademöglichkeiten, Fahrplan, vergangenheitsbezogener Fahrwerte sowie externer Datenquellen (etwa Staumeldungen) liefern. Ein ebenfalls optionales Telediagnostiksystem erlaubt eine Online-Ferndiagnose, macht alle Parameter in Echtzeit verfügbar und bietet umfangreiche Analysefunktionen zur Lokalisierung von Störungen ohne Fahrzeuguntersuchung und zur Planung einer vorausschauenden Wartung.

Elektro-Retrofit

Viele Flottenbetreiber – oftmals die Kommunen selbst oder deren Tochtergesellschaften – werden bei der Suche nach Elektrofahrzeugen bei klassischen Lieferanten nicht fündig. Gerade die großen Hersteller, die neben Bussen auch LKW und andere Nutzfahrzeuge herstellen, fertigen ihre Motoren selbst. Mit einem Dieselaggregat in der Wertschöpfungskette tun sie sich schwer, auf Elektro-Antriebe umzuschwenken. Ein (Plug-in-) Hybridbus ist da schon das Äußerste an Entgegenkommen. Anders bei reinen Busproduzenten, die den Motor als Zukaufteil beziehen. Allerdings sind sie als Fahrzeughersteller bei den großen Flottenbetreibern (noch) nicht so etabliert. Spezialfahrzeuge wie Sightseeing-Busse sind natürlich noch schwieriger als Neufahrzeuge mit E-Antrieb zu bekommen.

Dazu kommen vertragliche Vorgaben für die Flottenbetreiber: Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge darf in der Regel höchstens 10 Jahre betragen, manchmal auch deutlich weniger. Die Busflotten müssen deshalb kontinuierlich erneuert werden. Gleichzeitig planen viele Kommunen aus Umweltschutzgründen eine vollumfängliche Flottenumstellung auf Elektrofahrzeuge. Durch eine Kombination aus Umbau und Neufahrzeugen können sie die Kosten im Griff behalten. Dank der Kompatibilität zu den gängigen Standardportalachsen lassen sich Niederflurbusse relativ einfach auf den Radnabenantrieb umrüsten. Da unter anderem Motor, Getriebe und Kühlaggregat entfallen, gewinnt man Platz etwa für Batterien.

Bildergalerie

  • Sparsam: Radnabenantrieb verbraucht im Durchschnitt 0,91 kWh pro km.

    Sparsam: Radnabenantrieb verbraucht im Durchschnitt 0,91 kWh pro km.

    Bild: Ziehl-Abegg

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel