Audi forscht an bidirektionaler Ladetechnik Elektroauto als Teil der Energiewende

Audi forscht an bidirektionaler Ladetechnik.

Bild: Hager Group
30.07.2020

Netzstabilität erhöhen, Stromkosten senken und einen Teil zum Klimaschutz beitragen – diese Vision verfolgen Audi und die Hager Group. Die Einbindung des Elektroautos in das häusliche Stromnetz bildet den Kern eines Forschungsprojekts zum bidirektionalen Laden. Besonders im Zusammenspiel mit einer Photovoltaikanlage bietet das große Vorteile. Überschüssiger PV-Strom kann zwischengespeichert und bei Bedarf abgegeben werden.

Audi bekennt sich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens und arbeitet an einer CO2-Neutralität der Fahrzeugflotte bis zum Jahr 2050. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt die Marke mit den vier Ringen nicht nur eine breit angelegte Elektro-Offensive mit rund 20 vollelektrischen Modellen bis 2025. Vielmehr soll sich das E-Auto zum Teil eines immer breiteren Mobilitätsangebots entwickeln und Baustein der nachhaltigen Energiewende werden.

Im ersten Halbjahr 2020 steuerten Erneuerbare Energien erstmals über 50 Prozent zum deutschen Strommix bei. Mit steigenden Anteil wächst aber auch ein Grunddilemma von Wind- und Sonnenkraft: die Stromerzeugung ist nicht immer konstant. An Sonnentagen und in Starkwindphasen fehlen häufig Kapazitäten, um die erzeugte Energie zu speichern, die das Netz nicht abnehmen kann.

Mobile Energiespeicher

Mit steigenden Zulassungszahlen von Elektroautos erhöht sich die Zahl mobiler Energiespeicher. Ein großes Potenzial – wenn die Speicherkapazität intelligent nutzbar gemacht wird. Aus diesem Grund haben Audi und Hager gemeinsam einen Forschungs- und Lösungsansatz entwickelt, der finanzielle Anreize schafft sowie eine erhöhte Versorgungssicherheit bietet: das bidirektionale Laden. „Durch die Elektromobilität rücken Automobilindustrie und Energiewirtschaft enger zusammen. Die Batterie eines Audi e-tron könnte ein Einfamilienhaus rund eine Woche autark mit Energie versorgen. Perspektivisch möchten wir dieses Potenzial nutzbar und das E-Auto als Stromspeicher auf vier Rädern zum Teil der Energiewende machen“, sagt Martin Dehm, technischer Projektleiter für bidirektionales Laden bei Audi.

E-Auto als flexibler Energiespeicher

Die Idee: Die Hochvolt-Batterie des Elektroautos wird nicht nur über die Wallbox zu Hause geladen, sondern kann als dezentrales Speichermedium auch wieder Energie an das Haus abgeben. Hat der Kunde eine Photovoltaikanlage, dient das E-Auto als Zwischenspeicher für den eigenerzeugten Ökostrom. Wenn die Sonne nicht mehr scheint, kann das Fahrzeug dann den gespeicherten Strom wieder an das Haus abgeben. Das bidirektionale Laden zu Hause – auch Vehicle to Home (V2H) genannt – hat großes Potential, die Stromkosten des Hausbesitzers zu senken und die Netzstabilität zu erhöhen. Als weitere Ausbaustufe ist im Zusammenspiel mit einem Heimspeicher eine fast vollständige Energieautarkie sowie erhöhte Versorgungssicherheit im Falle eines Blackouts möglich. „Die Batterie von Elektrofahrzeugen zu nutzen, um einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und gleichzeitig Stromkosten zu senken, ist eine Vision, die uns von Anfang an fasziniert hat.“, erklärt Ulrich Reiner, Projektleiter Hager Group.

Seriennahe Technologie im Einsatz

Was sich in der Theorie einfach anhört, erfordert in der Praxis eine hohe technische Intelligenz und das abgestimmte Zusammenspiel verschiedener technischer Komponenten auf Seiten der Infrastruktur sowie im Fahrzeug. Beim Forschungsprojekt kam ein Audi e-tron mit seriennaher Ladetechnologie zum Einsatz. Im Versuchsverbund agierte das vollelektrische Audi Modell mit einer DC-Wallbox, die eine Ladeleistung von bis zu 12 kW ermöglicht, sowie einem flexibel erweiterbaren Heimspeicher mit 9 kWh Kapazität. Bei einem möglichen Serieneinsatz könnte dieser für zusätzliche Flexibilität sorgen, ist aber keine notwendige Voraussetzung für das bidirektionale Laden. Dank der DC-Spannungsebene im Gesamtverbund kommt die Verbindung zwischen PV-Anlage und Fahrzeug ohne Wechselrichter aus.

Laden mit PV-Strom spart Geld

Beim bidirektionalen Laden stehen vor allem Use-Cases im Fokus, bei denen Eigenheimbesitzer mit eigener Photovoltaikanlage kostenoptimiert eigenerzeugten Strom laden. Dabei speichert das Elektroauto den Überschuss der PV-Anlage, welcher nicht von Verbrauchern im Haus abgenommen wird. Verfügt der Kunde über variable Tarife, kann das E-Auto die gesamte Hausversorgung in Zeiten hoher Preise übernehmen. Nachts oder in Nebenzeiten des Tarifs lädt das Auto dann mit günstigem Strom wieder bis zum gewünschten Ziel-SOC (State of Charge). Über die reine Kostenoptimierung hinaus, stellt das bidirektionale Laden auch eine Versorgungssicherheit her: Bei einem Stromausfall ist das System in der Lage, das Haus durch die leistungsfähige HV-Batterie mit Energie zu versorgen oder sogar ein Gebäude ohne Netzanschluss im sogenannten Inselbetrieb autark zu betreiben.

Alltagstauglichkeit im Fokus der Entwickler

Einen großen Stellenwert legten die Entwickler auf die Alltagtauglichkeit. „Die Erhaltung der Mobilität steht für uns im Mittelpunkt. Um das bidirektionale Laden alltagstauglich zu gestalten, muss sich der Kunde daher nicht einschränken“, beschreibt Dehm den Entwicklungsfokus. „Das intelligente Lademanagement steuert die optimale Nutzung der Batterie und maximiert damit die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Für den Kunden ist die Bedienung einfach – Auto anstecken und der Rest passiert automatisch.“

Das gemeinsame Forschungsprojekt hat zwei wesentliche Dinge bewiesen: Kunden mit eigener PV-Anlage können ihre Mobilität kosten- und CO2-optimiert gestalten, und gleichzeitig das Stromnetz entlasten. Die intelligente Nutzung der HV-Batterie im Fahrzeug erschließt darüber hinaus nachhaltige Einsatzmöglichkeiten für eine vorhandene und bislang nur für Mobilitätszwecke verwendete Ressource.

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