Fachbeitrag Die Trends nicht verschlafen

27.08.2012

Keine andere Sparte der Elektronik-Industrie muss die künftigen Entwicklungen so genau im Auge behalten wie die Distribution. Nur wer hier die Trends rechtzeitig erkennt, kann sich im harten Wettbewerb behaupten. Ein Blick auf die aktuelle Lage.

Trends und Trendprognosen spielen im Vokabular der Distributoren seit eh und je eine besondere Rolle. Sie sind als Grundlage für ihre Geschäftsplanung in hohem Maße darauf angewiesen, �?nderungen im Verbrauch und in der Beschaffung der Entwicklungsingenieure, OEMs und Auftragsfertiger zu antizipieren, frühzeitig darauf zu reagieren und für zu erwartende Anforderungen gerüstet zu sein. Viele der weltweit tätigen Unternehmen haben das nicht gerade boomende zurückliegende Jahr zur Akquisition sowie zur vorsorglichen Investition in Mitarbeiter, Supply Chain, Technologie, optimierte Lagerhaltung, Erschließung neuer Märkte sowie neue kundenspezifische Geschäftsprojekte genutzt. Damit sollen sowohl Bestandskunden gehalten werden als auch die zu erwartenden Chancen der Zukunft unverzögert wahrgenommen werden können. Denn längerfristig sind nach Ansicht der Marktteilnehmer die Aussichten blendend, sofern man sich entsprechend aufgestellt hat. Distributoren von elektronischen Bauelementen müssen, um erfolgreich zu sein und zu bleiben, noch rascher und flexibler auf Veränderungen und Trends reagieren als die Hersteller, von denen sie beliefert werden. Die unaufhaltsame Ausbreitung der Internet-Aktivitäten, die Globalisierung, das Bestreben zu nachhaltiger Produktion sowie Regulierungsvorschriften führen zwangsläufig zu veränderten Beschaffungsverhalten, auf das sich Distributoren einstellen müssen. Reaktionen auf die aktuellen Herausforderungen gibt es bereits in hoher Zahl, beispielsweise das verstärkte Angebot von lösungsbezogener Beratung, von Communities, Blogs und Online-Vertriebsaktivitäten, gelegentlich sogar verbunden mit der völligen Abschaffung des zuvor für unumgänglich gehaltenen branchentypischen Katalogs (ein Anbieter hat freilich nach kurzer katalogloser Zeit aufgrund von Kundenprotesten das Printobjekt reumütig wieder aus der Versenkung geholt).

Mehr als Bauteile-Verkauf

Typischerweise versuchen moderne Elektronik-Distributoren, dem Einkäufer sämtliche denkbaren Tools einschließlich umfassender, individueller Beratungsmöglichkeiten und Möglichkeiten zum Informationsaustausch mit Experten und Kollegen auf einer einfach bedienbaren Website zur Verfügung zu stellen. Das geht weit über die gängigen Preis- und Leistungsvergleiche hinaus bis hin zur Qualifizierung der Bauelemente. Die Ansprüche der Einkäufer steigen ständig; sie möchten live den Lagerbestand einsehen, Preisänderungen mitgeteilt bekommen und einschlägige Brancheninformationen empfangen.Überlagert und erschwert wird die Situation durch regionale Veränderungen des Markts, die zum Teil auch auf demografische Entwicklungen zurückzuführen sind. So nimmt die Bedeutung des europäischen Elektronikmarkts kontinuierlich ab: In der letzten zehn Jahren sank der Verbrauchsanteil an Elektronikbauelementen von 22 auf 13 Prozent, obwohl die Neuentwicklungen etwa in den Bereichen Kraftfahrzeugelektronik, Industrieautomation und Medizintechnik unverändert zunahmen. Auf längere Sicht wird sich nicht vermeiden lassen, dass die Distribution in der Nähe der Produktion bleiben müssen, die wiederum marktnah angesiedelt ist. Was für die Europäer wiederum bedeutet, dass sie bestrebt sein müssen, unbedingt hoch innovativ an der Spitze der Technologie zu bleiben.Auch aktuell haben die europäischen Bauelemente-Distributoren wieder eine Trendwende ausgemacht. Fast erwartungsgemäß, meldete der FBDi (Fachverband Bauelemente-Distribution), sank der Umsatz der deutschen Bauelemente-Distribution auch im ersten Quartal des laufenden Jahres: Die Verkaufserlöse der Mitgliedsunternehmen des FBDi, die rund zwei Drittel des Umsatzes mit elektronischen Bauelementen repräsentieren, gingen gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs um rund 12Prozent auf 760 Millionen Euro zurück; gleichzeitig verharrte die Book-to-Bill-Rate mit 0,92 weiterhin im Soll. Das Gesamtjahr 2011 wurde auf 3,07 Milliarden Euro Umsatz leicht nach oben korrigiert, was im Vergleich zu 2010 einem Wachstum von rund 13 Prozent entspricht. Gleichwohl „ist die sequenzielle Entwicklung sehr positiv, auch wenn der Ausblick für 2012 noch eher verhalten bleibt,“ schreibt der Verband.Der Abschwung im ersten Quartal 2012 ist überwiegend auf den Umstand zurückzuführen, dass das erste Halbjahr 2011 eine völlig irrationale Entwicklung mit vielen Sondereffekten zeigte (Japan), weshalb ein direkter Vergleich nahezu sinnlos ist. Unabhängig davon war Q1/2012 das dritthöchste in der FBDi-Historie, nur getoppt von Q1 und Q2/2011. Insgesamt erwartet der FBDi auch das zweite Quartal leicht im Minus.

Tendenz zur Normalität

In den Komponentenbereichen verlief die Entwicklung sehr unterschiedlich. Während die Halbleiter mit fast 16Prozent Minus auf 529 Million Euro zu Buche schlugen, gingen die Passiven Komponenten und die Elektromechanik nur um 7,2/4,6 Prozent auf 108/79 Millionen Euro zurück. Eine positive Entwicklung nahmen die - anteilmäßig allerdings schwach vertretenen - Displays und Stromversorgungen, die um 17,5/2,1 Prozent wuchsen. Entsprechend hat sich auch die Umsatzverteilung nach Komponentengruppen etwas verschoben. Die Halbleiter trugen im ersten Quartal „nur“ 70 Prozent zum Umsatz bei, die Passiven 14, Elektromechanik zehn Prozent, Displays drei und Stromversorgungen zwei Prozent. Aufgrund der meist stärkeren zyklischen Entwicklung bei Halbleitern ist eine Schwankungsbreite von drei Prozent durchaus normal. Für das Gesamtjahr gilt die Tendenz aber voraussichtlich nicht, da das zweite Halbjahr aufgrund der schwachen Vorjahresumsätze genau die gegenläufige Entwicklung bringen könnte. Fazit des FBDi: Alles wieder normal, nur die Auftragssituation leidet noch etwas, da sich die Lagerkorrekturen in einigen Industriesegmenten bis ins neue Jahr hinein gestreckt haben. Nach Angaben von Europartners Consultants hat sich der Distributions-Gesamtmarkt (DTAM) in Europa zwischen 2003 und 2010 von 9,8 auf 16,2 Millarden Euro erhöht, bei gleichzeitiger Steigerung des Anteils am gesamten Elektronikmarkt von 24 auf 26 Prozent. Der FBDi nimmt an, dass sich dieser Trend fortsetzt, unter den Voraussetzung einer angemessenen Präsenz in den Social Networks, einer verstärkten Internetnutzung, einer angemessenen technischen und kommerziellen Ausbildung der Mitarbeiter, um an den technisch anspruchsvollen vertikalen Märkten teilnehmen zu können, sorgfältiger Beobachtung der Konvergenzmärkte (zum Beispiel e-Mobility) sowie Fokus auf Energieeffizienz in den Bereichen Beleuchtung, Power-Management, Embedded-Solutions, Design-Tools und Gebäudemanagement.

Demographischer Wandel

Vom demografischen Wandel wird die Distribution nach Ansicht des FBDi in Europa eher profitieren, denn auch Japan und China werden davon nicht verschont bleiben. Da sich die Produktion und die Hersteller an den Verbrauchermärkten orientieren und sich darauf konzentrieren wird, kann die Distribution ihren Anteil an der Wertschöpfung erhöhen. Denn Design-Support, modulare Lösungen und Systeme sowie gemeinsam mit den Herstellern entwickelte integrierte Schaltungen sind bereits heute im Portfolio enthalten. Als das kritischste Element sieht der FBDi die Time-to-Market, das die europäischen Distris gemeinsam mit ihren Kunden und Herstellern lösen müssen.Die FBDi-Mitglieder sehen die Gesamtsituation realistisch. Im quartalsweise veröffentlichen, anonym erhobenen Geschäftsklimaindex wird die laufende Situation als zufriedenstellend bis mäßig, das nächste Quartal (Sommer) als zufriedenstellend und die längerfristige Entwicklung als mehr als zufriedenstellend bewertet. Der Innovationsstandort Deutschland hat noch lange nicht ausgedient; lediglich der Fachkräftemangel gibt den Unternehmen Anlass zu Sorge.

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