Kolumne: Ackermanns Seitenblicke Bot-Konkurrenz für Redakteure

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Lesern fällt oftmals nicht auf, ob ein Text von einem Menschen oder einem Algorithmus geschrieben wurde.

Bild: iStock, 4X-image
09.04.2019

Den nachfolgenden Beitrag habe ich wirklich selbst geschrieben, kein Roboter. Ehrlich! Die Ablösung von Journalisten durch „Schreibmaschinen“ wird noch etwas auf sich warten lassen. Aber wie in anderen Bereichen auch, dringt KI in immer mehr Redaktionen vor.

Künstliche Intelligenz hält in immer mehr Branchen und Anwendungen Einzug. Auch im Journalismus sind immer öfter Algorithmen für die Erstellung von Texten verantwortlich. Schon seit fünf Jahren sammeln beispielsweise Journalismus-Roboter Informationen und basteln daraus auf Abruf mit Fakten gespickte Berichte, die sich kaum von den von Menschen geschriebenen unterscheiden.

Textbausteine zusammensetzen

Besonders intensiv genutzt wird das von Nachrichtenagenturen, um Börsenentwicklungen zu vermelden oder Quartalsbilanzen zusammenzufassen. Dazu haben Redakteure Textbausteine vorformuliert, die ein Algorithmus nur noch plausibel kombinieren und um die aktuellen Zahlen ergänzen muss. Alle drei Monate werden so etwa bei der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) bis zu 4.000 Berichte verfasst.

Die unermüdlichen Schreibautomaten beschäftigen sich letztlich mit allem, was sich messen und strukturieren lässt: etwa der Feinstaubbelastung in Stuttgart, Wetterberichten oder Sportergebnissen. Für ein Berliner Start-up generieren Algorithmen innerhalb weniger Sekunden die Spielberichte aller 30.000 Begegnungen der weltweiten Fußball-Ligen. Und sie ordnen aktuelle Entwicklungen mit wachsendem Datenbestand auch historisch richtig ein.

Menschliche vs. maschinelle Texte

Im Allgemeinen fällt Lesern kaum auf, dass nicht ein Mensch, sondern ein Algorithmus den Artikel verfasst hat. Zu diesem Schluss kam zumindest im Vorjahr eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Rund 1.000 Probanden bewerteten die Qualität von Robo-Artikeln, die als solche nicht gekennzeichnet waren, als sehr gut und glaubwürdig. Die Robotertexte punkteten mit einer dichten Faktenlage. Von Menschen verfasste Texte wurden hingegen als verständlicher beziehungsweise einfacher zu lesen eingestuft.

Unterstützung, aber kein Ersatz

AP strebt an, künftig bis zu 80 Prozent der Artikel von Algorithmen schreiben zu lassen. Dadurch sollen Freiräume für die menschlichen Mitarbeiter entstehen, die dank der technischen Unterstützung deutlich mehr Zeit in etwa investigativen Journalismus investieren können. Noch einen Schritt weiter geht die niederländische Nachrichtenagentur ANP. Ihr Natural-Language-Generation-System redigiert die Texte menschlicher Kollegen, um sie sachkundiger und verständlicher zu machen. Die Vertreter der Medienbranche indes sind zwiegespalten. Einer repräsentativen Umfrage von Statista zufolge zweifeln 49 Prozent der Befragten am Einsatz von Roboter-Journalismus. 28 Prozent standen dem Thema komplett negativ gegenüber. Nur drei Prozent äußerten sich rein positiv.

Dennoch meinen Experten, sei die allgemeine Angst vor dem Jobverlust durch Algorithmen unbegründet. Sie sind fleißig in klar abgegrenzten Aufgabenbereichen tätig und übernehmen unbeliebte Schreibarbeiten, für die angesichts drastischer Sparmaßnahmen künftig ohnehin Ressourcen fehlen: Zusammenfassungen mit geringer Haltbarkeit nach einem immergleichen Muster auf Basis von Zahlen und Fakten, die kaum redaktioneller Einordnung bedürfen. Somit wären die Bots, die übrigens bislang nicht weniger kosten als ihre menschlichen Counterparts, keine Konkurrenz zu Redakteuren, die kreativer und assoziativer arbeiten können als ihre softwarebasierten Kollegen.

Künstliche Intelligenz macht also auch vor der Medienbranche nicht halt. Wie in anderen Bereichen auch, verspricht sie Erleichterung und Entlastung für die Mitarbeiter, schürt aber auch Ängste. Ob wirklich keine Arbeitsplätze verschwinden und es rein bei der Entlastung bleibt? Meiner bisherigen langen Erfahrung nach eher nicht…

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