Studie zum „New Normal“ Beherrscht das hybride Arbeiten die Arbeitswelt?

Während die Flexibilität der Arbeitsorte positiv bewertet wird, sehen Experten Herausforderungen bei der Integration und Vernetzung der Mitarbeiter.

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02.08.2023

Eine aktuelle Studie zeigt die aktuellen Entwicklungen des hybriden Arbeitens in deutschen Unternehmen. Ist das Modell der neue Standard geworden? Und sind alle Entwicklungen positiv oder gibt es auch Probleme?

Die in Kooperation zwischen dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) entstandene Studie „Arbeiten nach der Corona-Pandemie – Ein Jahr danach“ zeigt die Entwicklungen des hybriden Arbeitens in Deutschland. Knapp 400 deutsche Unternehmen und Organisationen wurden befragt, wie das „New Normal“ der Arbeitswelt für sie und ihre Beschäftigten nach der Corona-Pandemie aussieht.

Wie weit ist das „New Normal“ in den Unternehmen angekommen?

„Die Ergebnisse unserer Studie ,Arbeiten nach der Corona-Pandemie – Ein Jahr danach‘ zeigen, dass hybrides Arbeiten in deutschen Unternehmen mittlerweile Standard ist. Bei weniger als einem Prozent der Befragten ist mobiles Arbeiten gar nicht möglich, immerhin über 80 Prozent der Unternehmen haben Betriebsvereinbarungen getroffen, in denen die Rahmenbedingungen für mobiles beziehungsweise hybrides Arbeiten festgelegt sind“, so Studienleiterin Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass es in fast einem Drittel der befragten Unternehmen keine Anwesenheitsquoten im Büro mehr gibt und eine flexible Büroorganisation und Einsparungen von Büroflächen zur Selbstverständlichkeit werden. Auch das mobile Arbeiten im EU-Ausland wird immer häufiger geregelt.

Wie gestalten deutsche Unternehmen die Rahmenbedingungen des Arbeitens und mit welchen Maßnahmen gewährleisten sie die Produktivität und den Zusammenhalt im Unternehmen ein Jahr nach der Pandemie?

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des „New Normal“ sagt Kai H. Helfritz, Mitglied der Geschäftsführung beim DGFP: „Die Studie zeigt, dass sich beim mobilen Arbeiten nicht mehr die Frage nach dem ,Ob‘, sondern nur noch die Frage nach dem ,Wie‘ stellt. Hybrides Arbeiten ist zum Standard geworden. Aus Sicht von HR ist das eine gute Entwicklung, weil die Möglichkeit des ortsflexiblen Arbeitens für viele Menschen ein entscheidendes Kriterium bei der Jobauswahl bildet und der deutsche Arbeitsmarkt insgesamt an Attraktivität gewinnt.“

Chancen und Herausforderungen der Hybridität

In Bezug auf die Folgeerscheinungen der hybriden Arbeitsformen zeichnen sich für Dr. Josephine Hofmann jedoch auch negative Entwicklungslinien ab: „Auf der einen Seite belegt die Studie, dass die hybride Arbeitswelt Schwierigkeiten bei der Integration, Vernetzung und dem Wissensaustausch von Mitarbeitenden mit sich bringt. Auf der anderen Seite sehen wir, dass sowohl die Innovations- als auch Produktionskraft davon bisher unberührt bleiben. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir Unternehmen, sich noch stärker mit ihrer Rolle als ,sozialem Ort‘ auseinanderzusetzen und die Fragen der Betriebsgemeinschaft und Identitätsstiftung zu klären, um eine langfristige Bindung und gemeinsame Innovationsfähigkeit sicherzustellen.“

Nur wenige Unternehmen setzen auf Kontrollinstrumente für mobiles Arbeiten

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass nur sehr wenige Unternehmen im Begriff stehen, neue Kontrollinstrumente zur Überwachung der Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden im mobilen Arbeiten einzuführen. Lediglich zwei Prozent der Befragten geben an, Anpassungen an die Produktivitäts- und Leistungsmessungen vorzunehmen, wobei auch hier nicht immer ein Wunsch nach mehr Kontrolle vorherrschend ist, wie Helfritz klarstellt: „Tatsächlich sind es oft die Mitarbeitenden selbst, die sich mehr Transparenz in der Aufgabenteilung wünschen, damit das Arbeitspensum im Team möglichst gerecht verteilt ist. Für HR steht der Aufbau einer Vertrauenskultur eindeutig im Mittelpunkt.“

Helfritz führt fort: „Anstatt also neue Kontrollmechanismen zu suchen, die das mobile Arbeiten überwachen, werden Lösungen angestrebt, die soziale Erosionen verhindern und den Zusammenhalt fördern. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Grundstein dafür im Team selbst gelegt wird, indem individuelle Absprachen und Regelungen in Form von Teamvereinbarungen getroffen werden.“

Ähnlich sieht das Hofmann: „Wir sind überzeugt, dass Führungskräfte in die hybride Teamführung hineinwachsen und von technischen Tools profitieren werden, die den sozialen Gestaltungsspielraum erweitern.“

Flexibilisierung der Arbeitszeiten immer mehr im Fokus

Darüber hinaus eröffnet die Studie, dass Unternehmen immer öfter Hebel finden, Mitarbeitende zu kompensieren, die nicht mobil arbeiten können, etwa durch flexible Schichtplanung. Hierin sieht Helfritz auch einen Anknüpfungspunkt für einen größeren Trend: „Unsere Vorgängerstudie zeigte, dass Deutschland noch vor einem Jahr vor erheblichen Herausforderungen beim Thema mobiles Arbeiten stand. Nun können wir feststellen, dass die Hindernisse für das ortsflexible Arbeiten erfolgreich überwunden wurden. So deutet sich eine Verschiebung der Debatte ab – weg von der Flexibilisierung des Arbeitsortes hin zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten.“

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