Bioabbaubares Material 3D-Druck ohne Mikroplastik

Ein Stützkunststoff aus 40 Prozent PHBV, 10 Prozent PEG und 50 Prozent hochfeinem Kochsalz (im Bild die drei Prüfstäbe rechts) hatte die besten Eigenschaften für den 3D-Druck. Das Compound ist in Meerwasser vollständig biologisch abbaubar.

Bild: IKT, Universität Stuttgart
12.06.2023

3D-Druck „ohne schlechtes Gewissen“: Forschende entwickeln ein bioabbaubares Supportmaterial, dass sich über das Abwasser entsorgen lässt, ohne dass dabei Mikroplastik entsteht. Für die Weiterentwicklung bis zur Serienreife werden jetzt Industriepartner gesucht.

3D-Drucker werden auch im privaten Bereich immer beliebter. Egal ob Spielzeug, Dekoration, Werkzeug oder Haushaltshelfer – der Phantasie sind bei den Druckobjekten keine Grenzen gesetzt. Will man komplexere, dreidimensionale Gegenstände drucken, benötigt man häufig sogenannte Support- oder Stützstrukturen. Sie bestehen aus Kunststoffen, die sich nach der Fertigstellung vom eigentlichen Bauteil entfernen lassen. Je nach Art des Stützkunststoffs kann sogar reines Wasser als Lösemittel dienen. Schlussendlich gelangen die Rückstände der Stützkunststoffe dann in Form von Mikroplastik über das Abwasser in den natürlichen Wasserkreislauf, da Kläranlagen sie nicht vollständig herausfiltern können.
Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, einen neuen Werkstoff für Stützstrukturen auf der Basis des Biokunststoffs Polyhydroxybutyrat-co-valerat (PHBV) zu entwickeln. PHBV ist sogar in Meerwasser biologisch abbaubar und kann vollständig zu Wasser und CO2 verstoffwechselt werden. Da PHBV selbst zwar in Wasser abbaubar, jedoch nicht wasserlöslich ist, wollten die Forschenden die Ablösbarkeit des Stützwerkstoffs über die Compoundierung von Kochsalz erreichen. Die Stützpolymere sollten so im Wasser in kleine Fragmente zerfallen, die man aus der Flüssigkeit herausfiltern kann oder die bei Verbleib im Abwasser in überschaubaren Zeiträumen durch Mikroorganismen abgebaut werden. „Aufgrund der geringen Partikelgröße gehen wir von wenigen Monaten für den Abbau aus“, erklärt Projektleiter Professor Christian Bonten vom IKT.

Über 30 Rezepturen getestet

Im Vorhaben AquaLoes konnte das Forscherteam die grundsätzliche Machbarkeit dieser Idee nachweisen. Dazu entwickelte und testete es über 30 verschiedene Rezepturen aus PHBV, Salz und anderen bioabbaubaren Polymeren. Im Ergebnis wies eine Rezeptur aus 40 Prozent PHBV, 10 Prozent Polyethylenglykol (PEG) und 50 Prozent hochfeinem Kochsalz die besten Eigenschaften auf. Aus diesem Compound ließen sich auch filigrane Stützstrukturen ohne Abreißen des Filamentstranges drucken. Insbesondere in Kombination mit dem weit verbreiteten 3D-Druck-Polymer Polylactid (PLA) erreichte das Compound eine hohe Haftung und ermöglichte den Druck fehlerloser Bauteile. Die hohe Haftung ging allerdings etwas zu Lasten einer vollständig rückstandsfreien Ablösbarkeit.

Der Ablöseprozess benötigte in einem Leitungswasserbad bei Raumtemperatur 24 Stunden, zudem war geringfügiger Einsatz von Werkzeug nötig. Im Vergleich dazu brauchen herkömmliche Stützpolymere wie Butenediol Vinyl Alkohol Copolymer (BVOH) nur etwa 4 bis 6 Stunden zur Auflösung. Um die Ablösezeit ihres entwickelten Compounds weiter zu verkürzen, testeten die Forschenden erfolgreich die Option, das Bauteil in einem haushaltsüblichen Geschirrspüler zu spülen. Da das neue Polymer auf den Hobbybereich zielt, ist diese Methode in der Praxis gut umsetzbar, wäre aber auch mit einem vollständigen Verbleib der Stützpolymere im Abwasser verbunden.

Industriepartner gesucht!

Noch ist das bioabbaubare Stützpolymer nicht marktreif. Es bedarf insbesondere noch Verbesserungen bei der Ablösbarkeit und -dauer sowie der Kombinationsfähigkeit mit weiteren 3D-Druckmaterialien. Das IKT-Team sucht aktuell interessierte Industriepartner, um den Ansatz gemeinsam weiter zu entwickeln. Die Universität Stuttgart hat bereits ein Patent auf 3D-Druck-Supportmaterial aus PHBV, Salz und weiteren Polymeren, Weichmachern und Hilfsmitteln angemeldet.

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