Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma Was Hightech-Sensoren für die Gesundheit leisten können

Sensor-Applikation der Firma TCor zur kontinuierlichen Überwachung der Körperkerntemperatur

Bild: Constanze Tillmann, Messe Düsseldorf
06.11.2023

Weltweit steigen die Gesundheitsausgaben – meistens sogar schneller als die Leistungsfähigkeit. Moderne Technologien können diese Entwicklung dämpfen und gleichzeitig das Personal in der Medizinbranche entlasten. Besondere Bedeutung kommt dabei Sensoren zu.

Sensoren können medizinische Geräte leistungsfähiger und sicherer machen sowie ihre Bedienung vereinfachen. Wie das gelingen und Hightech-Sensorik auch einen Beitrag für innovative Prävention und personalisierte Therapie leisten kann, darüber informierte das Compamed-Innovationsforum 2023 am 12. Juni. Das digitale, von der Messe Düsseldorf und dem IVAM-Fachverband für Mikrotechnik gemeinsam organisierte Forum findet jährlich statt und soll laut Dr. Thomas R. Dietrich, Geschäftsführer des IVAM, „eine Plattform für Forschung und Unternehmertum sein, um Partnerschaften zu schließen und Innovationen voranzutreiben“.

Chronische Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Asthma lassen sich mittels moderner Sensoren effektiv überwachen, sodass Abweichungen schnell erkannt und die Therapie zielgerichtet angepasst werden kann. Internationale Fachleute zeigten in ihren Beiträgen beim Compamed-Innovationsforum konkrete Beispiele auf für die Integration von moderner Sensorik in medizinische Hilfsmittel, Diagnose- oder Behandlungsgeräte.

Nosokomiale Infektionen verringern

Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind immer wieder auch selbst Quelle für Erkrankungen. In Gesundheitseinrichtungen während der Behandlung erworbene Infektionen, sogenannte nosokomiale Infektionen (NI), kommen in allen ambulanten und stationären Versorgungsbereichen vor. Nach Schätzungen des Centers for Disease Control (CDC) sind 1,7 Millionen Menschen allein in amerikanischen Kliniken jedes Jahr von derartigen Infektionen betroffen, die für nahezu damit verbundene 100.000 Todesfälle verantwortlich sind.

In Europa sieht es nicht besser aus: Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) schätzte die jährliche Gesamtzahl der NI in Europa schon 2018 auf 8,9 Millionen, davon 4,5 Millionen in Kliniken und 4,4 Millionen in Langzeitpflegeeinrichtungen. Jedes Jahr sterben in den EU-Ländern mehr als 90.000 Menschen an den sechs häufigsten nosokomialen Infektionen im Gesundheitswesen, dazu zählen insbesondere Harnwegsinfektionen (32 Prozent), Infektionen der Operationsstelle (22 Prozent), Lungenentzündungen (15 Prozent) sowie Blutkreislaufinfektionen (14 Prozent).

Das griechische Unternehmen ES Systems hat deshalb ein Sensorknotensystem für den Einsatz in medizinischen Einrichtungen entwickelt, das Daten in Echtzeit sammelt und potenziell mikrobiologische Kontaminationen identifiziert. Das System basiert auf Sensorknoten, einem Gateway sowie einer Cloud. Die Sensoren sind über eine LoRaWAN-Kommunikation mit dem lokalen Gateway verbunden, die Verbindung zur Cloud ist über einen einfachen QR-Code-Scan gewährleistet.

Die Installation ist sehr einfach, abhängig von der Datenrate ist ein autonomer Betrieb bis zu einem Jahr möglich. Die Sensorknoten messen Umgebungsparameter wie Temperatur, Druck, Feuchtigkeit und Lichtstärke, aber auch Kohlendioxidkonzentration, VOC (flüchtige organische Verbindungen), Partikel und Anwesenheit von Personen. In einer Pilotanwendung in einem griechischen Krankenhaus wurden drei Operationssäle, drei Rezeptionen, zwei Patientenräume sowie eine Schwesternstation mit den Sensorknoten ausgestattet.

Durch die intelligente Auswertung der großen Datenmengen lassen sich gute Rückschlüsse auf die Belastungssituation erhalten. Teilweise wurden schon Verbesserungen durch den Austausch von Luftzirkulationsgeräten und Filtern im Bereich der Operationssäle erreicht. „Die überwachten Partikel konnten reduziert und damit das Infektionsrisiko für Patienten verringert werden“, berichtet Nikolas Valantassis, Business Development Manager bei ES Systems.

Elektronische Nase revolutioniert Diagnostik

Mittels Hightech-Kameras und -mikrofonen können Maschinen heute bereits sehen und hören. Nicht weniger als die Digitalisierung eines weiteren Sinnes haben sich die Partner SmartNanotubes Technologies und Duotec auf die Fahne geschrieben – den des Geruchs.

„Unsere elektronische Nase ist eine tatsächlich disruptive Technologie, die vielen Anwendungen von der Prozessüberwachung bis zur medizinischen Diagnostik revolutionieren wird“, sagt Dr. Viktor Bezugly, CEO von Smart NanoTubes. Im Vergleich mit herkömmlichen Gassensoren sind die Smart-NanoTubes-Sensoren hochsensitiv, energieeffizient, kompakt sowie kostengünstig. Ihre Verwendung erlaubt eine komplexe Mustererkennung, wie sie für Gerüche typisch ist.

Mehrere Sensoren erstellen dabei ein „Geruchsmuster“, eine selbstlernende Software vergleicht diese Muster mit einer Bibliothek und unterscheidet so Gase von Gerüchen. Die cloudbasierte Datenbank wächst permanent, inzwischen füttern sie mehr als 1.000 Benutzer. „Unser Ziel ist zum Beispiel die Früherkennung von Inkontinenz innerhalb von nur fünf Minuten, was Kosteneinsparungen durch reduzierten Reinigungsaufwand von bis zu 100 Euro pro Vorfall generieren kann“, erklärt Bezugly. Die Entwicklung ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass ein Markteintritt mit ersten Produkten schon 2024 möglich werden könnte.

Krebs erkennen mit photonischen Biosensoren

In den letzten zehn Jahren sind Biosensortechnologien entstanden, die eine empfindliche und quantitative Detektion von Biomarkern (Indikatormoleküle) für Erkrankungen wie Krebs, Herz-Kreislauf- und Infektionskrankheiten ermöglichen. Das niederländische Unternehmen Surfix arbeitet auf diesem Gebiet mit dem photonischen Biosensor. Diese hochempfindliche, schnelle und markierungsfreie Technologie ermöglicht es, mehrere Biomarker gleichzeitig nachzuweisen.

„Diese Funktion wird zusammen mit niedrigen Stückkosten und der Option, die Produktion einfach zu skalieren, die Welt der medizinischen Diagnostik revolutionieren, indem sie die Point-of-Care-Diagnose und die Behandlungsüberwachung einer Vielzahl von Erkrankungen zulässt“, sagt Hans Dijk, Business Development Manager bei Surfix. Der Biosensor kombiniert den photonischen Biochip und die mikrofluidische Kartusche mit intelligenten Technologien für die Fluid- und optische Schnittstelle in einem optimierten Prozessablauf. Sowohl der Chip als auch das mikrofluidische Cartridge verfügen über Nanobeschichtungen, die die Empfindlichkeit des Sensors und den Fluss der Probe verbessern und die unerwünschte Bindung von Biomolekülen reduzieren. Das Auslesen des Signals des photonischen Biosensors erfolgt mit einem Desktop-Reader.

Photonische Biochips nutzen Licht anstelle von Elektrizität, um das Vorhandensein von Biomarkern zu erkennen. Das Licht wandert durch eine spiralförmige Struktur auf dem Chip, vergleichbar mit einer Miniatur-Lichtleitfaser. Rezeptormoleküle, die auf die Oberfläche des photonischen Biochips aufgetragen werden, können basierend auf der Bioerkennung selektiv bestimmte Biomarker in einer Probe einfangen und binden. Die Interaktion zwischen den Rezeptormolekülen und den Biomarkern führt zu einer Veränderung der Eigenschaften des Lichts, die erkannt und in ein nützliches diagnostisches Ergebnis übersetzt wird, zum Beispiel Informationen über das Vorhandensein oder die Konzentration eines bestimmten Biomarkers in der Probe.

Surfix konzentriert sich auf die Entwicklung von Diagnostika für verschiedene Krebsarten und den Nachweis onkologischer Biomarker in der Flüssigbiopsie. „Potenziell kann aber jedes Biomolekül mithilfe der photonischen Diagnoseplattform von Surfix erkannt werden“, erklärt Dijk.

Intelligentes Pflaster beschleunigt Wundheilung

Die Heilung von Wunden ist ein Problem, das bis heute noch nicht komplett verstanden und gelöst ist. Bei akuten Wunden findet eine Heilung innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen statt, je nach Größe der Verletzung. Die Eigenschaft eines elektrischen Gradienten, Zellen in regenerativem Gewebe zu gerichtetem Wandern und Polarisation zu veranlassen, ist Fokus der im BMBF-Projekt „APFEL“ entwickelten Therapieformen: Dabei soll über ein intelligentes elektronisches Pflaster eine beschleunigte und verbesserte Wundheilung herbeigeführt werden.

In Zusammenarbeit mit Partnern erforscht das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS in diesem Vorhaben additive Verfahren für die Herstellung mehrlagiger flexibler elektronischer Systeme. Inzwischen wurde ein Technologiedemonstrator für ein elektrisch aktives Wundpflaster mit gedruckten Elektroden auf flexiblen Substraten erstellt. In einem Scratch-assay wurde in einen Zellrasen eine Lücke eingebracht und das beschleunigte Schließen dieser „Wunde“ nachgewiesen.

„Wir haben dazu Siebdruckverfahren für die Herstellung von leitfähigen und isolierenden Multilagenschichten auf flexiblen Substraten angepasst“, berichtet Valeri Fitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung System Packaging am Fraunhofer ENAS. Zudem wurden elektrische Durchkontaktierungsvarianten für dünne Foliensubstrate und Aufbau- und Verbindungstechnologien für die hybride Integration von herkömmlichen elektronischen Bauelementen und entsprechende Steuerelektroniken für den Test der Demonstratoren entwickelt.

Im Ergebnis steht fest, dass additive Fertigung zur Entwicklung flexibler medizinischer Pads genutzt werden kann, die sowohl in der Wundtherapie als auch in der Diagnostik Anwendung finden.

Blutzucker schmerzfrei messen

Trumpf Photonic Components verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Miniatur-Laserdioden, sogenannten VCSEL (Vertical Cavity Surface Emitting Laser). Schon heute werden sie für Smartphones und -watches, die digitale Datenübertragung und für das autonome Fahren eingesetzt. Nun will Trumpf mit ihnen auch Diabetiker beim Messen ihres Blutzuckerspiegels entlasten: Ziel ist ein nichtinvasiver und tragbarer Sensor, der kostengünstig und völlig schmerzfrei den Glukosegehalt im Blut überwacht.

Das Grundprinzip mit photonischen Komponenten von Trumpf ist eine monochromatische, polarisierte Lichtquelle, die eine inelastische Lichtstreuung im Nahinfrarotbereich zwischen 785 und 1.066 nm aufweist. „Während heutige Lösungen auf Neodym-YAG-Laser mit 1.060 nm Wellenlänge setzen, sehen wir große Vorteile bei der Raman-Spektroskopie“, sagt Dr. Cynthia Klett, Product Manager bei Trumpf Photonic Components. „Bei rund 800 nm ist ihre Wellenlänge ideal für die Glukosemessung, weil hier die störende Fluoreszenz gering, die Streuung ausreichend und die Laserleistung nur moderat sind.“

Nach Angaben der International Diabetes Federation leben bereits weltweit etwa 540 Millionen Menschen mit der Stoffwechselkrankheit Diabetes. Bis 2030 dürfte die Zahl auf 643, bis 2045 auf 783 Millionen steigen. Bis dato hat Diabetes global Gesundheitskosten in Höhe von nahezu 966 Milliarden Dollar verursacht.

Mehr sehen auf der Compamed 2023

Die auf dem Compamed-Innovationsforum aufgezeigten Beispiele liefern einen inhaltlichen Vorgeschmack auf die diesjährige Compamed. Die Messe findet vom 13. bis 16. November 2023 in Düsseldorf statt und präsentiert sich mit über 700 Ausstellern in zwei Hallen.

„Die Bedeutung von Sensorik für die Medizintechnik ist von unschätzbarem Wert, da sie die Grundlage für präzise Diagnosen, effektive Behandlungen und eine verbesserte Patientenversorgung bildet. Die künftige Entwicklung der Sensorik in der Medizintechnik verspricht eine immer größer werdende Bandbreite an Anwendungen, von implantierbaren Sensoren zur Überwachung chronischer Krankheiten bis hin zu kompakten und tragbaren Wearables, die die Gesundheit der Menschen zuverlässig und kosteneffektiv kontinuierlich überwachen können“, fasst IVAM-Geschäftsführer Dietrich zusammen.

Bildergalerie

  • Ein Movesense-Medical-Sensor zur Erfassung von Herzparametern

    Ein Movesense-Medical-Sensor zur Erfassung von Herzparametern

    Bild: Constanze Tillmann, Messe Düsseldorf

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