Internet of Things Virtualisierung bei der Bahn

In modernen Zügen müssen immer mehr Funktionen parallel ablaufen.

Bild: MEN Mikro Elektronik
15.10.2016

Für Komfort und Sicherheit in den Zügen müssen Zugbetreiber und -integratoren mit den unterschiedlichsten Anwendungen arbeiten. Diese benötigen viel Platz und einen großen Wartungsaufwand. Beides kann jedoch mit Virtualisierung verringert werden.

Moderne Züge sind mit immer komplexeren Embedded-Systemen ausgestattet, die die an Bord befindliche Elektronik steuern und überwachen, die Zuverlässigkeit sowie Sicherheit und den Fahrkomfort erhöhen und immer neue Funktionen bereitstellen. Um all diese Funktionen zu erfüllen, müssen Zugbetreiber und -integratoren eine Vielzahl an verschiedenen Systemen innerhalb eines Zugs installieren und warten. Die Herausforderungen dabei folgen auf dem Fuße: immense Mengen an Daten, benötigte Leistung, physikalischer Platz in Kombination mit rauen Umweltanforderungen, höchste Systemzuverlässigkeit und strenge Markt-
regulierungen. Virtualisierung ist dabei ein Ansatz, der sich in der IT schon lange bewährt hat, in mobilen Märkten aber noch nie notwendig war. Dabei spart dieser Ansatz Platz, garantiert Langzeitverfügbarkeit durch unabhängige Hardware und zahlt sich nach der Entwicklung der Abstraktionsschicht und bei entsprechend großem Funktionsumfang auch wirklich aus.

Anwendungen teilen sich Hardware-Plattform

Viele Anwendungen in Zügen laufen parallel ab, müssen oftmals Echtzeitfähigkeit besitzen und beeinflussen die Sicherheit und den Fahrkomfort des Zuges. Einige Beispiele für die vielfältigen Einsatzgebiete sind: Kommunikationssyteme, Bremskontrolle und Signaltechnik, Unterhaltungs- und Passagier-Informationssysteme (PIS), Wireless Access Points (WAP) für Internet im Zug, Videoüberwachungs-, Diagnose- und Wartungssysteme sowie elektronische Fahrkartenausgabe. Um jede dieser Anwendungen auf einem dedizierten System laufen zu lassen, ist jedes Mal wieder Platz, Strom, Montage, Verkabelung und Schutz vor Datenangriffen nötig. Auch im laufenden Betrieb bedeutet das mehr Wartungsaufwand für unterschiedliche Systeme, die schlimmstenfalls auf unterschiedlichen Systemarchitekturen basieren. Ein Alptraum für die IT-Integratoren, der oft zum Austausch kompletter Einheiten, anstatt ihrer fehlerhaften oder veralteten Komponenten, führt.

Durch die Virtualisierung und die Abstraktionsschicht zwischen Hard- und Software kann die Betriebslast vieler Anwendungen auf einer geringeren Anzahl physikalischer Systeme zusammengefasst werden. Kurzum: mehrere Anwendungen teilen sich in unterschiedlicher Auslastung eine Hardware-Plattform und sparen damit Equipment-, Energie- und Verwaltungskosten.

Weitere Vorteile der Virtualisierung in Bahnanwendungen sind die verbesserte Nutzbarkeit von Rechenressourcen im Vergleich zu mehreren Systemen, die nur einen Bruchteil ihrer Kapazität benötigen, erleichterte und kostengünstigere Upgrades, da nicht das komplette System ausgetauscht werden muss und die Möglichkeit kritische Funktionen von weniger kritischen zu separieren. Außerdem muss nur eine Hardwareplattform verwaltet und abgesichert werden und redundante Systeme lassen sich leichter und günstiger implementieren.

Höhere Ansprüche für Züge

Embedded-Systeme in Zügen müssen umfangreiche und spezielle Anforderungen erfüllen, die weit anspruchsvoller sind als bei General-Purpose-Anwendungen in einer IT-Umgebung. Lösungen für die Virtualisierung müssen sicherstellen, dass die benötigten Funktionen auf fest zugewiesene Ressourcen zugreifen können, ohne dabei in Wettbewerb mit Rechen-, Speicher- und Netzwerk-Ressourcen zu gehen. Zusätzlich spielt in letzter Zeit auch die Datensicherheit in Zügen, also Security, eine immer größere Rolle. Und natürlich sind die Umgebungsbedingungen im fahrenden Zug völlig andere, als die eines geschützten Serverraums. Die Systeme müssen Schock und Vibration widerstehen, starke Temperaturschwankungen und in diesem Zusammenhang auch Kondensationsfeuchtigkeit aushalten. Gleichzeitig ist das Platzangebot beschränkt, was sich auch auf die Möglichkeiten zur Kühlung der Systeme also die größtmögliche Verlustleistung auswirkt.

Die Kombination aus Virtualisierung und Eignung für den Bahnbereich kann mit der steigenden Zahl an Funktionen im Zug eine lohnenswerte Alternative zu vielen verschiedenen Einzelsystemen sein. Innerhalb eines Rail Data Centers können beispielsweise sämtliche Funktionen eines Zuges mit nur einem System angesteuert werden, was nicht nur bei Updates auf schnellere Prozessorplattformen oder Speichermedien Zeit und Kosten spart. Die passende, derzeit noch einzigartige, Hardware liefert dazu nun MEN mit einem robusten CompactPCI-Serial-SBC (Single-Board-Computer), der mit einem Intel-Xeon-D-Prozessor bestückt ist.

Seine Robustheit ergibt sich unter anderem aus ausschließlich fest verlöteten Komponenten, der Vorbereitung zum Lackieren gegen Feuchte und Staub, einem erweiterten Temperaturbereich und der Möglichkeit zur Einbettung in einen massiven Conduction-Cooling-Rahmen. Er entspricht den Anforderungen des Bahnstandards EN 50155. Die vom Prozessor unterstützte Hardware-Virtualisierung, PCIe 3.0 auf der Backplane und zweimal
10-GBit-Ethernet an der Front bieten die nötigen Grundvoraussetzungen für die Abstraktion der Software von der Hardware und eine schnelle Datenübertragung. Die Entwicklung des für die Virtualisierung erforderlichen Hypervisors bleibt dabei Aufgabe des Kunden.

Beispiel für zwei Funktionsblöcke

Damit bietet der SBC eine flexible Plattform sowohl für verschiedene sicherheitskritische Aufgaben, als auch für die System- und Videoüberwachung, das Passagier-Infotainment, die Daten- und Audioübertragung innerhalb eines Zuges und die Kommunikation mit Wayside-Equipment oder dem Control-Center.

Durch den CompactPCI-Serial-Standard, der über die Backplane ein voll vermaschtes Ethernet-Netz bietet und die vielfältigen I/O-Möglichkeiten innerhalb eines Systems, können typische Network-Attached-Storage-Systeme (NAS), RAIDs oder Internet-Access-Systeme realisiert werden. Durch die Virtualisierung lassen sich nun auch mehrere Funktionsblöcke innerhalb eines Systems verbauen, die jeweils von einer CPU-Karte angesteuert werden. So könnte ein Funktionsblock aus einem PIS, einem elektronischen Ticketing-System und der Türkontrolle bestehen, ein weiterer Block als Video-Recorder und Internet-Access-System mit Fahrzeug-zu-Land-Kommunikation dienen und sich jeweils die dazu benötigten Speicher- und I/O-Karten teilen.

Um die Verfügbarkeit des Systems zu erhöhen, kann der Hypervisor oder Virtual Machine Monitor (VMM) auch eingesetzt werden, um zwei via Ethernet-Kabel verbundene CPU-Karten zu kontrollieren. Je nachdem was eher benötigt wird, können zwei Systeme so redundant aufgebaut oder die Kapazität eines Systems verdoppelt werden.

Die Brücke zum Hypervisor – Intels Xeon D

Kernelement für die Virtualisierung ist der Intel-Xeon-Prozessor, der erstmals in Kombination mit einem bahntauglichen SBC verwendet wurde. Er ist mit 16 Kernen (Modell: D-1577), 8 Kernen (Modell: D-1539) und 4 Kernen (Modell: D-1519) verfügbar, wobei die 4-Core-Variante von MEN mit robusten M12-Steckern bestückt ist und sich daher besonders für Bahnanwendungen eignet.

Die Virtualisierungstechnik VT-x von Intel, die auf allen Xeon-D-Prozessoren der 15xx-Familie integriert ist, ermöglicht den dynamischen Zugriff auf Kerne, Speicher und Ein-/Ausgabe innerhalb der Funktionsblöcke. Außerdem können Echtzeit- und Nicht-Echtzeit-Anwendungen simultan ausgeführt werden. Erreicht wird das durch Partitionierung des Prozessors, wobei sich jede Partition wie eine eigene virtuelle Maschine (VM) verhält und so auch mehrere Betriebssysteme und Anwendungen auf unterschiedlichen Partitionen laufen können.

VT-x schafft die Brücke von der Virtualisierungs-Hardware zur -Software, indem es schon im Prozessor integriert die Komplexität der Software reduziert und kostensparend leistungsfähige Virtualisierungslösungen ermöglicht.

Mit Virtualisierung immer in Bewegung bleiben

Durch Virtualisierung, beispielsweise innerhalb eines Rail Data Centers, können sämtliche Funktionen eines Zuges mit nur einem System angesteuert werden. Das spart nicht nur bei Updates auf schnellere Prozessorplattformen oder Speichermedien Zeit und Kosten. Gleichzeitig ergeben sich weitere Vorteile, wie Langzeitverfügbarkeit oder schnellere Marktreife durch die Abstraktion von Software und Hardware. Zumindest solange letztere den besonderen Umweltanforderungen der Bahntechnik gerecht wird.

Bildergalerie

  • Den Multicore-System-Basis-Chip gibt es in verschiedenen Ausführungen mit 4, 8 oder 16 Kernen und RJ45- (links) oder robusten M12-Steckern (rechts).

    Den Multicore-System-Basis-Chip gibt es in verschiedenen Ausführungen mit 4, 8 oder 16 Kernen und RJ45- (links) oder robusten M12-Steckern (rechts).

    Bild: Men Mikro Elektronik

  • Die Virtualisierungstechnik VT-x von Intel, die auf allen Xeon-D-Prozessoren der 15xx-Familie integriert ist, ermöglicht den dynamischen Zugriff auf Kerne, Speicher und Ein-/Ausgabe innerhalb der Funktionsblöcke.

    Die Virtualisierungstechnik VT-x von Intel, die auf allen Xeon-D-Prozessoren der 15xx-Familie integriert ist, ermöglicht den dynamischen Zugriff auf Kerne, Speicher und Ein-/Ausgabe innerhalb der Funktionsblöcke.

    Bild: Men Mikro Elektronik

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