Industrieelektronik "Viele wechselwillige Ingenieure haben noch nicht intensiv darüber nachgedacht, was ihnen wirklich wichtig ist.“


Renate Schuh-Eder berät Unternehmen und Bewerber aus der Elektronik-Industrie.

27.02.2013

Renate Schuh-Eder, Inhaberin und Geschäftsführerin SchuhEder Consulting, im Gespräch über aktuelle Chancen für die Jobsuche und die richtige Strategie auf dem Weg zum Traumjob.

Gibt es in der Elektronikbranche tatsächlich einen Fachkräftemangel oder finden Unternehmen einfach nicht das, was sie gerne hätte?

Ich glaube die Wahrheit liegt - wie so oft im Leben - irgendwo in der Mitte. In der Tat ist es so, dass die Qualifikationen, die viele Unternehmen in diesen Tagen suchen, nicht immer im Markt verfügbar sind. Insbesondere nicht zu den Gehältern, die die Firmen bereit wären zu zahlen. Zum anderen stellen wir aber auch große Defizite bei den Unternehmen in Bezug auf ihre "Hiring-Prozesse" fest. Ein ähnliches Feedback werden Sie vermutlich auch von etwa 90 Prozent der wechselwilligen Ingenieure erhalten. Wie lange dauert es zum Beispiel von der Bewerbung bis hin zum Zwischenbescheid oder einer eindeutigen Absage? Wann kommt es zur Terminvereinbarung beziehungsweise zum eigentlichen Bewerbungsgespräch? Unsere Erfahrung zeigt, dass zwischen der Terminvereinbarung und dem Gespräch oft Wochen vergehen. Danach lässt wiederum das Feedback zum Bewerbungsgespräch auf sich warten. Auch in Sachen Verantwortlichkeit sind viele Bewerber von den Firmen enttäuscht. Wie professionell werden Bewerbungsgespräche eigentlich geführt und wer kann letztlich beurteilen, ob der ausgesuchte Kandidat wirklich der Passende ist? Und vor allem: Wer darf am Ende entscheiden, wer eingestellt wird? Unser Fazit ist: Es ist kaum mehr möglich, eine Position innerhalb von sechs Wochen zu besetzen. Der Grund dafür ist jedoch nur selten der Mangel an passenden Arbeitnehmern. Meist sind es die angesprochenen Terminprobleme und unklare Verantwortlichkeiten in den Unternehmen!

Welche Fähigkeiten sind bei den Unternehmen derzeit besonders gefragt?

Fachkompetenz, Fachkompetenz und nochmals Fachkompetenz für den jeweiligen Bereich. Erst wenn man sich hier sicher ist, dass alles zum gewünschten Profil passt, kommen drei andere relevante Soft Skills zum Tragen. Deren Gewichtung hängt meist von der Personalabteilung ab.

Sehr gute englische Sprachkenntnisse und ein damit verbundenes multikulturelles Verständnis werden immer wichtiger.
Die Persönlichkeit muss zum jeweiligen Unternehmen sowie zur entsprechenden Position und deren Anforderungen passen.
Die Motivation für ein Projekt bzw. für eine Firma ist ebenfalls entscheidend.

Woran erkennt man als Arbeitnehmer, dass es Zeit für einen Jobwechsel ist?

Auf alle Fälle dann, wenn man nichts Neues mehr hinzulernt. Wenn man sich sozusagen in der "Komfortzone" befindet. Ich halte nichts von Jobhoppern, die alle zwölf bis 36 Monate ihren Arbeitgeber wechseln. Andererseits kann es auch nicht förderlich sein, 15 Jahre oder mehr bei dem gleichen Unternehmen zu arbeiten; selbst wenn man - wie diese Mitarbeiter dann immer betonen - laufend neue Verantwortlichkeiten hatte. Jede wirtschaftliche Krise beweist aufs Neue, dass dann meist diese langjährigen Arbeitnehmer abgebaut werden. Und schöne Anschlusstätigkeiten zu finden, gestaltet sich oft sehr schwierig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Bewerber ist für das gebotene Know-how zu teuer, zu unflexibel und zu eingefahren. Klappt es dann doch mit einem neuen Job, ist leider des Öfteren zu beobachten, dass diese Mitarbeiter beim Anschlussarbeitgeber innerhalb der sechsmonatigen Probezeit oder innerhalb von 18 Monaten Schiffbruch erleiden. Es wird hier keine goldene Regel geben, dennoch ist unsere Empfehlung, im Zeitraum von sechs bis zwölf Jahren immer mal wieder eine neue Firmenkultur und eine neue Aufgabe kennen zu lernen. So erhält man sich die so genannte "Employability".

Wo findet man die interessantesten Jobs als Elektronik-Entwickler?

Dazu müssten wir zunächst defi nieren, was "interessant" für den einzelnen Entwickler bedeutet. Das ist von Typ zu Typ ganz unterschiedlich. Da gibt es zum Beispiel den Entwickler, der beim Marktführer arbeiten will. Ein anderer will wiederum einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, um Marktführer zu werden. Es gibt Entwickler, die sich gerne in eine Detailfrage verbeißen; andere Entwickler haben lieber das große Ganze im Auge. Es soll Entwickler geben, die auch gerne am Sonntag ins Büro kommen und an einer Aufgabe weiter arbeiten wollen; was in vielen Unternehmen rein arbeitsrechtlich gar nicht möglich ist. Andere Elektronik-Entwickler arbeiten am erfolgreichsten vom Home Offi ce aus, wieder andere legen viel Wert auf ein ausgewogenes "Work-Live-Konto". Abhängig von seinen persönlichen Vorlieben und Stärken muss man dann auf die Jobsuche gehen. Es geht nicht darum, einfach nur "Jobs" zu finden. Die gibt es in allen Jobbörsen, Blogs, Messen und auf den Websites der Unternehmen zur Genüge. Die große Kunst ist es, die richtige Aufgabe zu finden. Das kostet Zeit und man muss intensiv nachfragen. Zuvor muss man allerdings erst einmal für sich selbst definieren, was einem wirklich wichtig ist. Ich stelle in den Gesprächen mit wechselwilligen Ingenieuren immer wieder fest, dass darüber wohl noch nicht so viele nachgedacht haben.

Was empfehlen Sie Entwicklern für die Jobsuche? Wie soll man vorgehen, worauf sollte man achten?

Ich würde einem Entwickler empfehlen, die Jobsuche klar zu strukturieren. Fünf Schritte sind hierzu, meiner Meinung nach, sehr wichtig:

Selbstanalyse: Was ist mir persönlich wichtig und wonach suche ich?
Marktanalyse: Wer stellt aktuell überhaupt neue Mitarbeiter ein? Wie präsentieren sich diese Unternehmen? Wo lassen sich potentielle Zukunftsmärkte erkennen?
Bewerbungsphase: Schreiben Sie fünf bis zehn Bewerbungen und beobachten Sie, wie Unternehmen darauf reagieren.
Reflektion: Kann ich meine Ziele verwirklichen? Können mir die Unternehmen das bieten, was ich suche? Werden meine Fähigkeiten im Markt angenommen oder habe ich eventuell Defizite?
Entscheidung: Nehme ich eine neue Stelle an? Oder behalte ich lieber die alte Position? Entscheide ich mich vielleicht für eine Weiterbildung?

Welche Tipps haben Sie für das Vorstellungsgespräch?

Es gibt gefühlt eine Million Bücher, die das ideale Vorstellungsgespräch beschreiben. Es schadet nichts, eines davon mal durchzulesen. Das Wichtigste ist wohl, authentisch zu sein und sich nicht zu verstellen. Wenn man weiß, was man kann, wo die eigenen Stärken und Interessen liegen und was man am liebsten vermeiden möchte, ist eine klare Kommunikation im Bewerbungsgespräch möglich. Es ist immer besser, man bekommt eine Position nicht, als dass in der Probezeit die Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden und es zum Bruch kommt. Und nicht vergessen: Man sieht sich im Leben mindestens zweimal. Deshalb kann ein klarer, authentischer Eindruck schon mal - mittelfristig - die neue Traumposition mit sich bringen.

Welche zusätzlichen Leistungen sind für Arbeitnehmer derzeit drin? Welche Forderungen kann man bei den Vertragsverhandlungen

stellen?

Vielleicht kann man folgende Trennung machen: Bis zu einem bestimmten Gehaltslevel - den jeder für sich selbst definieren muss in Bezug auf seine persönlichen Grundbedürfnisse - sollte bei einem Jobwechsel auch der nächste finanzielle Schritt realisierbar sein. Der wird zwischen sieben und zwölf Prozent liegen. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Hat man dieses Gehaltslevel bereits erreicht, sollte es, meiner Meinung nach, aber mehr um die Inhalte gehen. Bin ich zufrieden mit dem, was ich 40 Stunden oder mehr pro Woche mache? Ich erlebe es einfach zu oft, dass wir wechselwillige Arbeitnehmer bei uns im Bewerbungsgespräch haben, die heute 100.000 Euro und mehr verdienen, aber eigentlich "todunglücklich" mit ihrer Aufgabe sind. Ist das hohe Gehalt diesen Preis wirklich wert?

Wird 2013 ein gutes oder schlechtes Jahr für einen Jobwechsel?

2013 ist ein hervorragendes Jahr für einen Jobwechsel. Wie es auch die letzten Jahre schon waren - selbst die Krisenjahre 2008 und 2009. Letztlich gilt das aber nur für den, der weiß, was er will, was er kann und der sich insgesamt mit seinen Fähigkeiten an den Marktbedürfnissen ausgerichtet hat.

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