Das Technologieberatungsunternehmen Slalom hat eine Studie unter 2.000 Befragten zum Thema Legacy-Technologien durchgeführt. 161 davon stammten aus Deutschland – und sie zeigen: Deutsche Unternehmen stehen vor einem Technologie-Dilemma.
So betreiben 61 Prozent den Großteil ihrer Hauptgeschäftsanwendungen auf veralteten Plattformen, bei elf Prozent sind sogar 76 bis 100 Prozent der kritischen Anwendungen betroffen. 50 Prozent weisen einen Legacy-System-Anteil von 51 bis 75 Prozent auf, 26 Prozent haben 26 bis 50 Prozent ihrer Anwendungen auf veralteten Plattformen laufen. Acht Prozent der Befragten haben den Anteil auf unter 25 Prozent reduziert.
„Veraltete Systeme sind mehr als nur technische Schulden – sie sind strategische Bremsen in einer Zeit, in der Agilität über Wettbewerbsfähigkeit entscheidet“, sagt Dominik Beierschoder, Managing Director Cloud bei Slalom Germany. „Wir gehen in eine neue Technologie-Ära über, die jetzt verlangt, die Infrastruktur zukunftsfähig ausrichten.“
Modernisierung ohne klares Ziel
Laut der Studie fehlt vielen Unternehmen eine konsequente Modernisierungsstrategie. Nur 30 Prozent haben einen unternehmensweiten Auftrag zur Migration oder Außerbetriebnahme von Altsystemen und setzen diesen aktiv um. 39 Prozent verfügen zwar über einen Modernisierungsfahrplan mit freigegebenen Budgets, aber kein explizites Ziel, die Altlasten vollständig zu beseitigen. 27 Prozent modernisieren nur, wenn es Business Cases gibt, die die Modernisierung erfordern. Drei Prozent gehen davon aus, bestehende Altsysteme auf absehbare Zeit beizubehalten.
Diese Unentschlossenheit wird nach den Studienautoren zunehmend riskanter. Wettbewerber, die mit neuen Technologieplattformen arbeiten, agieren schneller und setzen neue Compliance-Anforderungen wie NIS2 zügiger um. Der Innovationsstau dagegen verhindert zukunftsweisende Geschäftsmodelle.
„Altsysteme haben ihre Arbeit geleistet. Der Zeitpunkt, sie zu modernisieren war nie günstiger“, erklärt Beierschoder. „KI und KI-Agenten ermöglichen dabei erstmals, Fähigkeiten und Fertigkeiten kosteneffizient zurück ins Unternehmen zu holen. Damit steigt die Agilität auf Unternehmensebene, und Abhängigkeit und Kosten von Offshoring-Unternehmen, die Modernisierungsaufgaben klassisch übernehmen, können langfristig reduziert werden.“
KI als Katalysator
KI-gestützte Werkzeuge wie Codeanalysen revolutionieren die Art, wie Unternehmen Legacy-Modernisierung angehen können. Komplexe Migrations- und Modernisierungsprozesse lassen sich mit reduzierter Manpower durchführen und Risiken zeitgleich minimieren. Durch die Modernisierung von Applikationen und skalierbare Plattformen können Firmen das volle Potenzial ihrer KI-Initiativen ausschöpfen.
„Gerade im deutschen Mittelstand sind über Jahrzehnte komplexe Applikationslandschaften entstanden, die große Teams zur Verwaltung benötigen“, sagt Beierschoder. „Mit KI und KI-Agenten können kleine, hochqualifizierte Teams mittel- bis langfristig dieselbe Leistung erbringen wie große Offshoring-Teams, während Innovation, Agilität und vor allem Mitarbeiterzufriedenheit und Arbeitgeberattraktivität stetig zunehmen. Denn auch Entwickler wollen sinnvollen Tätigkeiten in modernen Arbeitsumgebungen nachgehen, statt veraltete Systeme zu verwalten.“
Vom Kostenblock zum Enabler
Die Modernisierung von Legacy-Systemen bietet IT-Abteilungen eine Chance, sich grundlegend neu zu positionieren. Anstatt IT-Tickets abzuarbeiten, können sie sich strategischen Aufgaben widmen und die digitale Transformation von Unternehmen vorantreiben.
Für den Wandel brauche es laut Beierschoder aber gezieltes Change-Management und den Aufbau neuer Kompetenzen in Bereichen wie Cloud, KI und DevOps. „Die Einführung zukunftsweisender Technologien und neuer Kompetenzen versetzt das gesamte Unternehmen in die Lage, schneller, intelligenter und effizienter zu arbeiten. Die IT entwickelt sich damit zum zentralen Innovationstreiber und strategischen Partner des Business“, sagt er.
Über die Studie
Die Untersuchung wurde vom 8. bis 19. August 2025 im Auftrag von Slalom durch das Dienstleistungsunternehmen GLG Insights durchgeführt. Sie umfasste 2.000 Führungskräfte, Manager und Fachexperten aus fünf Ländern: den USA (1.240 Befragte), dem Vereinigten Königreich und Irland (417 Befragte), Kanada (182 Befragte) und Deutschland (161 Befragte). Befragt wurden ausschließlich Personen, die in Unternehmen arbeiten, die ihre KI-Journey bereits gestartet haben oder dabei sind, den Prozess der KI-Einführung zu starten.
Weltweit arbeiten 71 Prozent der Befragten für Unternehmen, die bereits aktiv in KI-Initiativen stecken, während 30 Prozent in Unternehmen tätig sind, die den Einführungsprozess gestartet haben. In Deutschland liegt dieser Anteil bei 65 zu 35 Prozent. Die Studie konzentriert sich auf größere Unternehmen: 98 Prozent der weltweit Befragten arbeiten in Unternehmen mit mehr als 500 Millionen US-Dollar Umsatz. 30 Prozent der Befragten arbeiten in Unternehmen mit mehr als zehn Milliarden US-Dollar Jahresumsatz. In Deutschland arbeiten 40 Prozent der Befragten in Unternehmen mit mehr als zehn Milliarden US-Dollar Jahresumsatz.
56 Prozent der weltweit befragten Entscheider sind finale Entscheider oder Mitentscheider, 41 Prozent beeinflussen Entscheidungen oder geben Empfehlungen ab. In Deutschland sind 51 Prozent der Befragten finale Entscheider oder Mitentscheider, 41 Prozent beeinflussen Entscheidungen, und acht Prozent geben Input. Für die Übersichtlichkeit wurden die Zahlen gerundet, sodass die kumulierten Summen möglicherweise nicht 100 Prozent ergeben.