Ingenieursausbildung für Industrie 4.0 VDMA sieht Hochschulen vor gewaltigem Change-Prozess

Eine VDMA-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass ein gewaltiger Change-Prozess notwendig wird, um die Lehre an Industrie 4.0 anzupassen.

17.01.2019

Eine neue Studie der Impuls-Stiftung des VDMA hat erstmals ein Soll-Profil für Ingenieurinnen und Ingenieure der Industrie 4.0 entwickelt. Der Verband appelliert an die Hochschulen die Ingenieurausbildung an den digitalen Wandel anzupassen und Lehre interdisziplinärer zu gestalten. In einem neuen Online-Kompetenzcheck kann man jetzt seine eigenen ingenieurswissenschaftlichen Kompetenzen für Industrie 4.0 überprüfen.

Industrie 4.0 stellt neue Anforderungen an die Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren an den Hochschulen. „Wir brauchen neue Qualifikations- und Kompetenzprofile in der Ingenieurausbildung. Die Hochschulen müssen mit dem technischen Fortschritt gehen und ihre Curricula rasch anpassen,“ betont Dr. Manfred Wittenstein, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Wittenstein und im Vorsitz des Kuratoriums der Impuls-Stiftung, anlässlich der Vorstellung der Studie „Ingenieurinnen und Ingenieure für Industrie 4.0.“ Die Studie wurde im Auftrag der Impuls-Stiftung des VDMA vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München erstellt.

„Mit der Studie liegt erstmals ein ‚Soll-Profil Ingenieurinnen und Ingenieure 4.0‘ vor, das auf den Anforderungen der Maschinenbau-Industrie basiert. „Der digitale Wandel ist kein Selbstläufer, sondern setzt einen gewaltigen Change-Prozess in den Hochschulen voraus“, unterstreicht Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer. „Als wichtigster deutscher Ingenieurarbeitgeber und Technologieführer sind wir im Maschinenbau vom Gelingen dieses Prozesses existenziell abhängig.“

Vernetzung in der Lehre entscheidend

Die Studie zeigt, dass die Hochschulen bei der Ingenieurausbildung für Industrie 4.0 bereits erste zielführende Ansätze entwickelt haben. Dennoch stehen sie vielfach noch am Anfang einer notwendigen Entwicklung. Insbesondere die Integration neuer fachlicher Inhalte stellt eine große Herausforderung dar: So gibt es kaum strukturierte Entscheidungsprozesse zum Einbezug neuer und zur Streichung alter Inhalte. Zudem erweist sich durch administrative Hürden die fakultäts- und fachbereichsübergreifende Studienorganisation als schwierig. „Vielfach dominiert in den Fachbereichen und Fakultäten ein fachbezogenes Silodenken,“ kritisiert Rauen. „Die Vernetzung vor allem auch in der Lehre muss besser werden.“

In den Fachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik sind zukünftig Grundlagenkenntnisse aus der Informatik unabdinglich. Genauso braucht die Informatik den Maschinenbau und die Elektrotechnik. „Dies erfordert eine stärkere interdisziplinäre Verschränkung von Studieninhalten und ein besseres Miteinander der einzelnen Fachbereiche und Fakultäten,“ erläutert Rauen. Die Studie empfiehlt die Einführung eines zweisemestrigen gemeinsamen ingenieurwissenschaftlichen Grundstudiums. Studierende erhalten so gleichermaßen Einblicke in die ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik.

Im Fokus: Informatik, Data Science und Datensicherheit

„Den Kern des ‚Soll-Profils Ingenieurinnen und Ingenieure 4.0‘ bilden die fachlichen Anforderungen in den jeweiligen Ingenieurdisziplinen“, betont Dr. Eckhard Heidling, Wissenschaftler am ISF München und Projektleiter der Studie. „Neu hinzu kommen Fähigkeiten in der Informatik, Data Science und der Datensicherheit.“ Ingenieurinnen und Ingenieure 4.0 müssen zudem in der Lage sein, Sichtweisen anderer Disziplinen bei ihrer eigenen Arbeit zu berücksichtigen. Daher sind methodische Kompetenzen, insbesondere Prozess- und Systemdenken, sowie überfachliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Selbstständigkeit oder Lern- und Anpassungsfähigkeit besonders wichtig.

Online-Kompetenzchek 4.0

Im Rahmen der Studie wurde auch ein „Kompetenzcheck 4.0“ entwickelt, der sich an Studierende, Beschäftigte und Unternehmen richtet. Das Online-Tool gibt Auskunft über die eigenen ingenieurwissenschaftlichen Kompetenzen für Industrie 4.0. „Wir brauchen im Maschinenbau Mitarbeiter, die aus virtuellen reale Welten machen“, unterstreicht Dr. Wittenstein. „Die Schere zwischen den Anforderungen in der unternehmerischen Praxis und der Realität der hochschulischen Ingenieurausbildung zu Industrie 4.0 darf nicht weiter auseinander gehen“.

„Die Studienergebnisse zahlen voll in die ‚Maschinenhaus-Initiative‘ des VDMA ein“, betont Rauen mit Blick auf weitere Verbandsaktivitäten. Mit dem Maschinenhaus unterstützt der VDMA die Hochschulen bei der Weiterentwicklung der Lehre in der Ingenieurausbildung. Ausgangspunkt waren die hohen Studienabbruchquoten in den Ingenieurwissenschaften. So wurden seit 2013 über 50 Beratungsprojekte an den Hochschulen durchgeführt. Eine Toolbox vereint herausragende Beispiele einer guten Lehre. Das „Beste Maschinenhaus“ prämiert als höchstdotierter Lehrpreis in den Ingenieurwissenschaften innovative Lehrkonzepte für mehr Studienerfolg. Künftig stehen in der Maschinenhaus-Initiative die Digitalisierung und die Fachbereiche und Fakultäten der Informatik besonders im Fokus.

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