77 t CO2 weniger im Jahr: Das war die Prämisse hinter der energetischen Sanierung der Belebungsbecken in der Kläranlage Oschersleben. Dafür arbeiten jetzt drei Turbo- statt fünf Drehkolbengebläsen. Der Trink- und Abwasserverband Börde (TAV) senkt damit seinen Energiebedarf und freut sich über eine Co-Finanzierung der Maßnahme durch die Europäische Union.
Knapp 20.000 Einwohner zählt die Stadt Oschersleben mitten in der Magdeburger Börde. Die Abwasserreinigung ist für 48.000 Einwohnungsgleichwerte (EWG) ausgelegt, wobei die mittlere Leistung aktuell bei 33.000 EWG liegt. „Wir haben noch Kapazitäten“, sagt Olaf Wachsmuth, im TAV Projektverantwortlicher für die Modernisierung. Der Verband zählt insgesamt 13 Kläranlagen, wovon Oschersleben mit einem durchschnittlichen Zufluss von 2.900 m3 Abwasser pro Tag die größte ist.
Schallisolierter Container
Die neue Gebläsetechnik ersetzt fünf Drehkolbengebläse, die seit dem ersten Umbau der Kläranlage im Jahr 2000 in Betrieb sind. Die Delta Blower von Aerzen – Typ GM 35 S (2.388 m3/h, 90 kW maximal) – waren seinerzeit für die Außenaufstellung konzipiert und mit einer entsprechenden Schutzhaube versehen. Hochfrequente Turbomaschinen sind standardmäßig nicht darauf ausgelegt, Wind und Wetter ausgesetzt zu sein. Folglich stellte sich im Zuge der Modernisierung die Frage, wo die Aggregate ihren Raum finden.
Statt dafür ein kostspieliges Maschinenhaus zu bauen, fiel im Rahmen der Ausschreibung die Entscheidung, die Gebläsetechnik in einem Standardcontainer direkt an den beiden Belebungsbecken zu platzieren. Die kompakten Maße des 20-Fuß-Containers machten es möglich, die Einheit weitgehend auf den vorhandenen Fundamenten der alten Gebläse zu platzieren – was letztlich Einsparungen im Tiefbau zur Folge hatte.
Im Container werden auf einer Innenfläche von knapp 14 m2 drei Aerzen-Turbogebläse vom Typ AT 75 - 0.8 S G5plus (2.900 m3/h, 65 kW) eingesetzt. Der standardisierte Transportbehälter wurde von Aerzen Turbo Europe als Auftragnehmer innerhalb der Aerzen-Gruppe einer besonderen Schallisolierung unterzogen. Hierbei ist zu wissen, dass die Bauarbeiten in der Kläranlage nicht nur unter der Voraussetzung nachhaltiger Energieeinsparungen, sondern auch unter den Bestimmungen des Baurechts standen. Die Baugenehmigung sah vor, dass die neue Gebläsezentrale in puncto Geräuschemissionen nicht über einen Schalldruckpegel von 60 dB(A) hinausgeht.
„Wir haben etwa 180 m Luftlinie bis zur Wohnbebauung“, sagt Wachsmuth und berichtet von einem Schallschutzgutachten im Rahmen der Genehmigung. „Dabei wurden die alten Gebläse und ihre Ausbreitung bis zum ersten Haus gemessen.“ Mit der neuen Belüftungstechnik ist der TAV spürbar leiser unterwegs. Dazu haben sowohl der schallisolierte Container als auch die im Vergleich zur Vorgängertechnik leiseren Turbomaschinen beigetragen.
Management der Prozessluft
Damit den Gebläsen nicht die Zuluft ausgeht, kommen spezielle Kulissenschalldämpfer zum Einsatz. Sie sind Teil des Aerzen-Systems und darauf abgestimmt, die optimale Luftversorgung für die Strömungsmaschinen zu gewährleisten – bei wirkungsvollem Schallschutz. In Oschersleben liefert dieser Aufbau 9.000 Normkubikmeter pro Stunde – also 3.000 m3 pro Turbogebläse. „Wir können mit diesem Setup auch 24.000 Normkubikmeter aus einem Container heraus liefern“, sagt Ingo Bartz, Vertriebsleiter Aerzen Turbo. Auch leistungsstärkere Aerzen Turbogebläse seien immer noch so klein, dass drei davon in den Container passen. „Das ist mächtig viel Luftleistung mit einem extrem kleinen Fußabdruck.“
In Oschersleben ist der „Turbo-Container“ regelungstechnisch mit dem Aqualogic-Rechner von Aqseptence verbunden. Dieser ermittelt mithilfe von Sensoren den Sauerstoffbedarf in den beiden Belebungsbecken und regelt daraufhin die Öffnung von Schiebern in der Zuluftleitung. Die übergeordnete Maschinensteuerung AERsmart regelt entsprechend des herrschenden Drucks in der Leitung die Leistung der drei Turbogebläse. Fällt der Druck ab, steigt die Luftleistung, nimmt er zu, sinkt sie wieder ab. Die Verbundsteuerung managt dabei das Zusammenspiel aller drei Turbos für beide Belebungsbecken. Der Einsatz von drei Strömungsmaschinen schafft die Basis, einerseits Lastspitzen zu beherrschen und andererseits immer ein Aggregat als Redundanz zur Verfügung zu haben.
Betriebskosten im Fokus
Mit der Auswahl einer Belüftungslösung auf Grundlage von Strömungsmaschinen ist es in Oschersleben gelungen, den Energiebedarf in der biologischen Reinigung spürbar zu senken; die Projektbeteiligten rechnen mit Einsparung von rund einem Drittel. Dieses Effizienzpotenzial führt dazu, dass in Ausschreibungen immer mehr die Betriebskosten einer technischen Lösung in den Vordergrund rücken – und weniger der reine Anschaffungspreis.
„Wir haben für alle Lastfälle die benötigte Energie durchgerechnet und die Werte auch zeitlich korreliert, also über die Betriebszeiten hinweg entsprechend gewichtet“, sagt Wachsmuth. Auch flossen die Wartungskosten über fünf Betriebsjahre hinweg in die Evaluierung der besten technischen Lösung ein. Hier konnten die Turbos ebenfalls punkten. Der Aufbau der Lösung in einem schnell anzuschließenden Container kann zudem bei künftigen Modernisierungsprojekten Schule machen, da die Einheiten kurzfristig in Betrieb zu nehmen sind und wenig Platz benötigen.