Mit dem Ausbau des ÖPNV-Streckennetzes will Karlsruhe im Zusammenspiel mit einem Autotunnel mehr Mobilität und Lebensqualität schaffen: Die sogenannte „Kombilösung“ soll das hochfrequentierte Streckennetz der Verkehrsbetriebe entlasten und dabei Berufspendler und Besucher schneller und sicherer ans Ziel bringen. Dafür ist eine unterirdische Straßenbahntrasse zwischen Ettlinger Tor und Marktplatz entstanden.
Der gut 300 m lange Tunnel mitten unter der Stadt hindurch gestaltete sich vor allem wegen der besonderen geologischen Formation als anspruchsvoll. Damit kein Wasser in die Baustelle eindringen konnte, setzte Pressluft Frankfurt auf Verdichtertechnik von Aerzen.
Druck gegen Grundwasser
Wer während der Bauarbeiten bei einem Regenguss auf der Karl-Friedrich-Straße stand und einen Blick auf den Asphalt warf, der erlebte eine feinperlige schäumende Fahrbahn. Der Grund: Der darunter liegende Tunnel mit seiner Sohle 15 m unter Straßenniveau verlor Luft. „Wir haben es hier mit viel Sand, Kies und Lockergestein zu tun – alles Materialien, die wir im Tunnelbau so gar nicht gebrauchen können“, sagt Bauleiter Robert Schweitzer über die Herausforderungen in der Karlsruher City.
Die Geologie sorgte einerseits dafür, dass die Firma BeMo Tunnelling beim Vortrieb sofort die Wände mit Spritzbeton stabilisieren musste, damit der Boden nicht wie bei einer Sandburg nachrutscht. Andererseits waren die Poren so groß, dass ebenfalls unmittelbar Grundwasser aus den Wänden gelaufen wäre, wenn nicht der passende Gegendruck auf der Baustelle geherrscht hätte.
Daraus folgt der Rückschluss, dass die Arbeiten zwischen Ettlinger Tor und Marktplatz buchstäblich unter Druck standen – und dieser lag in der ersten Bauphase bei einem Delta zur Atmosphäre von 0,75 bis 0,85 bar. Das Projekt fiel damit unter die deutsche Druckluftvorordnung, die die entsprechenden Regeln für die Arbeitsplatzsicherheit definiert. Vor diesem Hintergrund betritt niemand die Druckschleuse ohne besondere Einweisung sowie das entsprechende Gesundheitszeugnis – und verlässt sie auch nicht ohne Dekompression.
Falsche Prognosen zur Förderleistung
Die Druckschleuse gehörte zu einer Leitwarte, in der der Schleusenwächter den Betriebszustand aller Kompressoren auf einem Display immer im Blick hatte. Zwölf Aggregate waren installiert – vier davon unterirdisch und acht auf der Straße direkt darüber. Die räumliche Zweiteilung war der Tatsache geschuldet, dass Bodenanalysen zu Beginn des Tunnelprojektes eine höhere Dichtigkeit vermuten ließen.
Diese Einschätzung traf jedoch nicht zu – und die anfangs errechnete Förderleistung der Verdichter ebenfalls nicht. „Prognosen in alten Flussbetten sind kaum machbar. Man weiß einfach nicht, was einen erwartet“, sagt Peter Engelke, Projektleiter von Pressluft Frankfurt. Das Unternehmen erhielt von BeMo den Auftrag, die Druckluft entsprechend der anfänglichen Bodenanalyse in der Rhein-Ebene auszulegen. Weil schnell feststand, dass die anfänglich errechnete Leistung nicht ausreichen würde, kümmerte sich Pressluft Frankfurt gemeinsam mit Aerzen Rental, dem internationalen Mietservice des Kompressorherstellers, um eine schnell verfügbare Lösung. „Die Zusammenarbeit mit allen drei Unternehmen gestaltet sich überaus flexibel und sachkundig“, berichtet Engelke.
Peter Link, Verantwortlicher für das deutsche Vermietungsgeschäft, erklärt: „Wir haben die Verdichtereinheiten mit DeltaScrew-Aggregaten (VM 60, 1140-4550 m3/h, 45-250 kW) als Herzstück in Containerrahmen integriert. Die lassen sich leicht transportieren, auf der Baustelle zu platzsparenden Einheiten kombinieren – und dieses dank Cartridge-Bauweise auch mehrstöckig übereinander.“
In Karlsruhe waren die Verdichter vom Typ CVO4400 kombiniert mit Wasserkühlern, die die Luftaustrittstemperatur am Kompressor von 120 °C herunterbringen auf rund 20 °C. „Würden wir die heiße Luft direkt in den Tunnel blasen, könnte dort niemand mehr arbeiten“, merkt Schweitzer an.
Sicherheit durch redundante Aggregate
Im Tagesmittel waren es während der nicht so tief liegenden Arbeiten 100 bis 140 m3 Luft pro Minute, die die Aggregate in den Tunnel pumpten – was letztlich auch die schäumende Straße bei Regen erklärt. Schweizer: „Die Luft blubbert halt langsam und stetig nach oben heraus. Der Spritzbeton hält zwar die Wände, ist aber längst nicht so dicht, wie die spätere Innenschale im Endausbau.“
Um den Druck auf weiter Strecke für die Bauarbeiter zu begrenzen, wurde der Tunnel schichtweise in den Boden getrieben – von oben nach unten bis zu Sohle. Je tiefer die Baustelle liegt, desto höher steigt der Druck durch das Grundwasser an. Schweitzer geht zum Schluss der Rohbauarbeiten von einem Druckdelta bis 1,3 bar aus – was die Druckverluste exponentiell ansteigen lassen wird und auch einen höheren Volumenstrom erfordert.
Aus diesem Grund sowie den Vorgaben der Druckluftverordnung nach ausreichender Redundanz verfügte das von Aerzen Rental gelieferte Equipment über ausreichend Reserven. „Wir müssen mit zwei Dritteln der installierten Maschinenleistung den kompletten Bedarf decken können“, erklärt Schweitzer. „Von den zwölf Aggregaten bilden vier also quasi unsere Ersatzbank.“
Thema Energieeffizienz
Betriebssicherheit zählt vor allem in Tunnelprojekten, weil Ausfälle verheerende Folgen haben können. Während die Männer vor Ort ausreichend Zeit hätten, bei einem Ausfall der Verdichter durch die Schleuse sicher ins Freie zu gelangen, würde das eintretende Wasser zu einer Tunnelhavarie führen. „Das müssen wir unter allen Umständen verhindern“, betont Schweitzer. „Die Geräte müssen einfach laufen.“
Würden alle Maschinen in Betrieb sein, stünde ein Volumenstrom von 700 m3 pro Minute zur Verfügung, abzüglich der genannten Reserve dann 420 m3 im Normalbetrieb. Weil aber die geforderten Reserven immer gleichbedeutend sind mit ungewünschten Überdimensionierungen, stellt sich spätestens jetzt die Frage der Energieeffizienz. Immerhin haben die Verdichtereinheiten eine Anschlussleistung von jeweils 200 kW.
„Der sparsame Umgang mit elektrischer Energie zählt – selbst bei zeitlich begrenzten Bauprojekten“, unterstreicht Link. Und auch Engelke hat die Erfahrung gemacht, „dass Stromkosten immer ein Thema sind. Bei zwölf Verdichtern mit je 200 kW spielt jede Stelle hinter dem Komma eine Rolle.“ Die einstufigen, ölfreien Schraubenverdichter der Delta-Screw-Generation 5 plus waren deshalb als Universalwerkzeuge auch energetisch optimiert und ließen sich mittels eines Frequenzumrichters bedarfsgerecht steuern.
In Karlsruhe wurde die Drehzahl der Verdichter druckgesteuert so angepasst, dass die Ist-Leistung exakt den Druckverlusten des 15.000 m3 im Volumen messenden Tunnels zwischen Marktplatz und Ettlinger Tor entsprach. Für BeMo Tunnelling und Pressluft Frankfurt rechnete es sich dabei, Verdichtereinheiten für solche speziellen Einsatzgebiete zu mieten statt dauerhaft anzuschaffen. Aerzen Rental übernahm während der Betriebszeit zudem die komplette Wartung.