Anlagenbau Projektübersicht für alle Beteiligten – unabhängig vom Betriebssystem

Das als App konzipierte Tool EB Mobile View sorgt in Störungsfällen für ein schnelles Finden von Gerätedaten samt aller zugehörigen logischen Verbindungen.

Bild: iStock, macroworld
20.09.2021

Um wertvolle Daten rund um den Digital Twin einer Anlage nutzen zu können, ist enormes Know-how zu Dokumentationsstrukturen und dem Planungssystem erforderlich. Zumindest war das bisher die Regel. Ein Software-Entwickler hat mit seiner Kooperationsplattform diese Regel umgeschrieben und eröffnet damit ganz neuen User-Gruppen die Nutzung von Engineering-Daten. Umfassendes Systemwissen ist nicht notwendig, ebenso wenig wie ein Client.

Ingenieure, die einen Großteil ihres anspruchsvollen Tagesgeschäfts mit einer Engineering-Software arbeiten, brauchen einen Desktop-Client. Sie verfügen über breites System-Know-how und lösen ihre weit gefächerten Aufgaben mit zahlreichen Features an ihrem festen Arbeitsplatz.

Dafür wurde die Kooperationsplattform Engineering Base (EB) konzipiert. Ihr universelles, zentrales Datenmodell vereint interdisziplinär alle Beteiligten im Entstehungsprozess einer Anlage und stellt im Anschluss den Betreibern einen umfassenden Digital Twin zur Verfügung, als Backbone für alle Um- und Ausbauten, klassischen Wartungsfälle und Predictive Maintenance. Alle Beteiligten greifen auf dieselbe Datenbasis zu, jedes Objekt existiert nur einmal, jede Änderung daran ist in jeder Disziplin sofort sichtbar – ohne Datenübertragung, Absprachen, Schnittstellen und Synchronisationen.

Doch so ein umfangreiches System wirkt wie ein behäbiges Schwergewicht, wenn man nur bestimmte Daten gezielt für einzelne Spezialaufgaben nutzen will. Möchte ein Projektleiter etwa regelmäßig den Fortschritt des Engineering-Prozesses oder einer Umbauplanung verfolgen, so ist es erheblich effizienter, wenn er oder sie sich die gewünschten Informationen quasi mit „leichtem Gepäck“ direkt holen kann, ohne sich durch ein komplexes System hangeln zu müssen, das zudem an einen Client samt dazugehöriger Voll-Lizenz gebunden ist.

Datenzentrierte Plattform

So entwickelte Aucotec die Idee, eine EB-Familie zu gründen, deren „Ableger“ für bestimmte Nutzer und Spezialaufgaben leicht zugänglich und zu bedienen sind, aber auf den ganzen Schatz an Anlagenwissen zugreifen können. Dr. Pouria Bigvand, Leiter des Aucotec-Produktmanagements, erklärt: „Durch die enge Kooperation mit unseren Kunden haben wir gelernt, dass aufgrund von EBs Industrie-4.0-gerechter Datenverfügbarkeit ganz neue, unterschiedlich geprägte Nutzer Bedarf an Datenzugang anmeldeten.“

Das sei eine eindrucksvolle Bestätigung, dass die Erkenntnis vom Wert der Daten in der Praxis angekommen ist. „Zudem bestätigt es unseren Weg zur datenzentrierten Plattform, den wir mit EB lange vor Industrie 4.0 eingeschlagen haben“, sagt Bigvand.

Alles schon da

Ein Beispiel für so einen individuellen Anwendungs-„Ableger“ ist das neue EB Mobile View. Damit können bei einem Störfall im Nu die Daten des betroffenen Anlagenbereichs auf ein mobiles Gerät gezogen werden. Zudem kann der Reparatur-Service per Redlining seine Änderungsinformationen direkt an den Objekten eingeben und sie an das Engineering zurückspielen, damit As-built auch As-built bleibt.

Eine Monitoring- und Maintenance-App, die für eine etwas andere Zielgruppe darüber hinaus zum Beispiel noch organisierte Wartungsaufträge bereitstellt, die sich kontinuierlich abarbeiten lassen, ist bereits in Arbeit. Und auch das erwähnte Monitoring für Projektleiter ist per Frontend-Zugang denkbar. So wird die EB-Familie kontinuierlich wachsen.

„Es ist alles schon in EB vorhanden, die Daten und die Technologie“, erklärt der Produktmanager. „Die Apps bieten ganz gezielt Ausschnitte oder Zusammenfassungen aus dem zentralen Datenmodell, auch für Anwender ohne Systemwissen oder solche, die nicht alle Details des Anlagenzwillings kennen.“ Dank EBs Mehrschichtarchitektur und Webservice-Orientierung lassen sich die gewünschten Daten jederzeit von überall einfach via Browser abrufen.

Kürzere Entwicklungszyklen

Die Technologie, die dahinter steckt, erklärt Eike Michel, Director R&D and Operations bei Aucotec: „Die Entwicklung unseres Web-Communication-Servers (WCS) hat diese neuen Möglichkeiten eröffnet. Er ist als ‚Tor zum www‘ beliebig skalierbar und EBs Application-Server vorgelagert, dabei längst nicht so fehleranfällig wie die üblichen Stand-alone-Server.“

WCS und EBs Client haben denselben Datenzugang, es gibt nur einen Quellcode, also keine Widersprüche. Web-Zugriffe auf EB laufen völlig unabhängig voneinander; das bei Desktop-Applikationen übliche „Hinten-Anstellen“, wenn mehrere Datenverarbeitungen angefragt sind, gibt es nicht mehr. Kommen hunderte Anfragen gleichzeitig, lässt man einfach mehr WCS-Instanzen laufen. „Auf dieser Grundlage konnten wir die neuen Frontend-Produkte entwickeln, ohne den Engineering Client zu verändern“, sagt der R&D-Experte.

So sind die Entwicklungszyklen für Frontend-Anwendungen sehr viel kürzer. „Wir haben für EB Mobile View nur etwa ein Drittel der Zeit gebraucht, die ein vergleichbar komplexes Feature für EBs Desktop Client erfordern kann“, erklärt Michel. Zudem sei die Freigabe von Frontend-Produkten nicht an die einmal jährlich erfolgenden Major Releases von EB gebunden – ein weiterer Beschleunigungsfaktor.

Und der oberste Produktmanager ergänzt: „Früher hätten wir solche Aufgaben per Assistenten gelöst, die Systemwissen und eine volle EB-Lizenz erfordern. Heute können wir Anwendern für fast jede vorstellbare Spezialaufgabe genau den Extrakt ihrer Anlagendaten bieten, den sie wünschen; mit angepassten Lizenzierungen und ohne Client-Umgebung.“ Es muss nicht zwangsläufig eine App für mobile Geräte sein, kann aber.

Flexibler mit DaaS

Dank WCS kann Aucotec sichere „Data as a Service“ (DaaS) anbieten. „Das Spektrum an Nutzern von EB-Daten wächst immer weiter. Doch eine Festlegung auf feste Arbeitsplatz-Lizenzen zwingt Engineering- wie Unternehmensprozesse in ein zu enges Korsett“, sagt Entwicklungs-Profi Michel.

Mit DaaS dagegen sind die EB-nutzenden „Endpunkte“ frei organisierbar. Es wird nach objektiv messbaren Datenzugriffen abgerechnet, bedarfsgerecht staffelbar. Das Verstauben ungenutzter Lizenzen ist damit passé. „Wenn Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind, ist EB nicht nur eine Engineering-, sondern quasi eine Förderplattform“, lautet Michels Fazit.

Ideen erwünscht

Ob Planer, Betreiber oder EPC – laut Bigvand könne jeder so eine Frontend-Entwicklung initiieren. Wie zum Beispiel die Pilotgemeinde aus Betreibern und Zulieferern, für die Aucotec-Entwickler gerade eine Applikation erarbeiten, die den Datenaustausch untereinander erheblich beschleunigt, trotz unterschiedlicher EB-Versionen und -Customizings. „Als Gemeinschaft konnten sie die Schwelle, so ein Frontend-Special anzugehen, leichter überwinden und profitieren als erste vom Ergebnis“, sagt der Produktmanager.

Vorzeigefamilie

Sämtliche Funktionalitäten, auch die künftiger Apps, werden als Teil von EB immer auch per Desktop-Client nutzbar sein. „Er ist der große Bruder, der alles kann, von FEED über Process und Detail Engineering bis zu Automation und Betrieb“, erklärt Bigvand. Dazu gesellen sich die „kleineren Geschwister“ wie Mobile View, künftige Monitoring-, Asset-Verwaltungs- oder sonstige Frontend-Ableger – alle mit Webservice-Zugriff auf EBs universelles Datenmodell, quasi die „Mutter aller Anlageninformationen“. Eine echte Vorzeigefamilie – zumindest für die internationale Engineering-Gemeinschaft.

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  • Der Web Communication Server (WCS) erlaubt die sichere bidirektionale Kommunikation externer Systeme mit dem Engineering und entlastet IT-Abteilungen.

    Der Web Communication Server (WCS) erlaubt die sichere bidirektionale Kommunikation externer Systeme mit dem Engineering und entlastet IT-Abteilungen.

    Bild: Aucotec

  • Engineering Base bietet ganz neuen Gruppen von Datenkonsumenten einfachen Zugang zu komplexen Anlagen- oder Projektinformationen.

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    Bild: Aucotec

  • Engineering Base bildet nicht nur die Äußerlichkeiten einer Anlage ab, sondern die komplette Wirklichkeit.

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    Bild: Aucotec

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