Zukunft der Energieversorger Potenziale durch Smart Citys für Stadtwerke

Smart Citys bieten für Stadtwerke hohe Potenziale.

Bild: iStock, metamorworks
20.01.2020

Bei zahlreichen Themen und Anwendungen in der sogenannten Smart City besitzen kommunale Betriebe bessere Startchancen aus Sicht der Endkunden als große Energieversorger. Welche Geschäftsfelder ein besonders hohes Potenzial bieten, zeigt eine Studie.

Die verstärkte Digitalisierung der Metropolen bringt deutsche Stadtwerke in eine vielversprechende Wettbewerbsposition: Bei zahlreichen Themen und Anwendungen in der sogenannten Smart City besitzen kommunale Betriebe bessere Startchancen aus Sicht der Endkunden als große Energieversorger. Eine repräsentative Oliver Wyman-Untersuchung zeigt, welche Geschäftsfelder auf besonders hohes Nachfragepotenzial der Städter stoßen - und wo sich in Deutschland Investitionen aktuell noch nicht lohnen. Denn trotz aller Aufbruchstimmung bleibt ein gravierendes Problem: Die Zahlungsbereitschaft für sämtliche Lösungen ist sehr niedrig.

Lukrative Geschäfte und Zahlungsbereitschaft

Superschnelle Internet-Hotspots, Gesundheitsapps mit Frühwarnfunktion oder Navigationssysteme, die den nächsten freien Parkplatz gleich reservieren und bezahlen: An Pilotprojekten und Visionen für die Smart City mangelt es nicht. Doch welche digitalen Angebote für Städte locken auch zahlungsbereite Nutzer? Und wo bieten sich speziell für Energieversorger lukrative Geschäftschancen? Die Antwort liefert eine aktuelle Analyse der Strategieberatung Oliver Wyman. Die Experten haben 31 potenzielle Einzellösungen in acht Themenfeldern auf dem deutschen Endkundenmarkt abgefragt. Untersucht wurden das Interesse, die erwartete Nutzungshäufigkeit und nicht zuletzt die Zahlungsbereitschaft. Im Schnitt signalisieren 34 Prozent der Befragten ein Interesse oder gar hohes Interesse an neuartigen Smart City-Angeboten.

„Energieversorger haben jetzt eine gute Chance, sich als innovativer Lösungsanbieter in den Städten von morgen zu etablieren“, sagt Thomas Fritz, Partner bei Oliver Wyman in Düsseldorf. „Mit entsprechender Strategie können sie sich zu einem Lösungsanbieter und Orchestrierer im städtischen Ökosystem entwickeln.“ Allerdings braucht es einen präzisen Blick, welche Themenfelder sich vordringlich lohnen - in Anbetracht der heutigen Positionierung der Energieversorger und des jeweiligen Marktpotenzials der Lösung. Denn erschwerend kommt hinzu: Die Zahlungsbereitschaft für die smarten Extras liegt mit durchschnittlich 72 bis 124 Euro im Jahr nur auf bescheidenem Niveau. „Bei öffentlichen Gütern wie Verwaltung, Gesundheit und Sicherheit erwarten viele Verbraucher ein kostenloses Angebot“, sagt Fritz. Gegen gelernte Strukturen zu arbeiten, könnte sich als Kampf gegen Windmühlen erweisen. Umso mehr stelle sich die Frage, wo sich schon in Kürze Geld verdienen lässt und wo der Kompetenzaufbau als Investition lohnend erscheint.

Höchstes Interesse im Bereich Infrastruktur

Von den acht analysierten Lösungsclustern zeigen Endkunden das höchste Interesse an Smart City-Angeboten in den Themenbereichen Infrastruktur (37 Prozent), Gesundheit (36 Prozent), Verwaltung (36 Prozent) und Mobilität (35 Prozent). Insbesondere jüngere Zielgruppen (unter 38 Jahren) sind überdurchschnittlich stark interessiert. „Energieversorger können sich mit Smart City-Lösungen über klassische Angebote in den Bereichen Strom, Gas oder Wärme hinaus differenzieren“, sagt Fritz. Der Aufbau neuer Dienste habe perspektivisch das Potenzial, den Druck im Bestandsgeschäft zu lindern. Die Anforderungen sind jedoch hoch: „Die Anbieter können nur dann die Zahlungsbereitschaft erhöhen, wenn sie zugleich mehr Komfort und eine einfache Nutzung bieten oder Wünsche nach Umweltverträglichkeit erfüllen.“

Produkte mit klassischem Energiebezug rangieren laut Umfrage im oberen Mittelfeld des Interesses: Lokale und dezentrale Energieversorgungskonzepte, die zudem auf erneuerbare Quellen setzen, sind mit 171 bis 255 Euro von überdurchschnittlich hoher Zahlungsbereitschaft gekennzeichnet. Überdurchschnittliche 38 Prozent der Befragten zeigen sich an ihnen interessiert. „Hier können Energieversorger ihren natürlichen Vorteil ausspielen“, sagt Jörg Stäglich, Partner bei Oliver Wyman in München. „Zusätzlich sollten sich Energieversorger bei den Topthemen Infrastruktur und Mobilität als Anbieter positionieren - sie haben unmittelbare Relevanz“, rät er. Dazu könnte auch die intelligente Abfallentsorgung zählen: „Wenn Mülltonnen mit Sensoren ausgestattet werden, ermöglicht das eine füllstandsabhängige Leerung“, nennt Stäglich ein Beispiel. Weil sich die Routen der Entsorgungsdienste so optimieren lassen und überflüssige Fahrten entfallen, sinken die Kosten. Zwischen 60 und 103 Euro im Jahr würden sich die Befragten laut Studie solcherlei Intelligenz an der Tonne kosten lassen. In Sachen Mobilität ist automatisiertes Fahren von höchstem Interesse.

Das sind die Stars of Tomorrow

Als „Stars Of Tomorrow“ charakterisiert die Untersuchung drei Themen: Automatisiertes Fahren, P2P-Fahrradsharing sowie Plattformen für modernes und kollaboratives Wohnen. „Diese Themen sind zwar groß in der Diskussion, doch ihr kommerzielles Potenzial sehen wir eher langfristig“, sagt Fritz. Von einem jetzigen kräftigen Engagement sei daher mit Blick auf die Kundenresonanz abzuraten.

Generell sieht Fritz die Stadtwerke in sechs von acht Themenclustern im Vorteil gegenüber großen Energieversorgern (EVU). „Nur im Themenbereich Nachhaltigkeit erzielen große EVUs eine Bestplatzierung in der Kundenpräferenz. Wie weit vorne ansonsten die Stadtwerke in den Augen der Endkunden sind, ist schon etwas überraschend.“ Fritz hält es für eine lohnende Strategie, gezielte Kooperationen mit Spezialanbietern einzugehen - auch um die Kundenwahrnehmung weiter zu verbessern.

Beispiel intelligente Parklösungen aus dem Cluster Mobilität: Hier kollaborieren bereits einige lokale Stadtverwaltungen mit Technologieunternehmen. „Stadtwerke können hier genauso wie große Energieversorger schlagkräftige Kooperationen etablieren“, sagt Fritz. Stadtwerke werfen eine hohe lokale Verankerung und etablierte Kundenzugänge in die Waagschale.

An der repräsentativen Befragung nahmen 1.000 Endverbraucher aus deutschen Großstädten teil. Sie fand im November 2019 statt.

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