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Interview: Digitale Services als Enabler für neuen Umsatz Neue Geschäftsmodelle auf Basis der Antriebstechnik

ABB AG

„Wir empfehlen Maschinenbauer unseren Co-Creation-Prozess: Hier überlegen wir zusammen, welches Problem die Kunden eigentlich haben und wie sich dies mit einem digitalen Service lösen lässt.“ Armin Wallnöfer, Digital Leader Motion Deutschland, ABB

29.09.2020

Die Digitalisierung der elektrischen Antriebstechnik bringt Transparenz in Maschinen. Durch digitale Services auf Basis der Antriebstechnik lässt sich die Wertschöpfungskette auch um neue Geschäftsmodelle verlängern. Wie Maschinenbauer davon profitieren können, erklären im Gespräch mit A&D Armin Wallnöfer, Digital Leader Motion Deutschland bei ABB, und Christos Lithoxopoulos, Business Development Manager bei Neogramm – einem Systemintegrator für die Umsetzung von industriellen Digitalisierungsprojekten.

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Laut einem 2018er VDMA-Report lag bei rund 87 Prozent der Maschinenbauer der Umsatzanteil digitaler Services wie Condition Monitoring bei weniger als fünf Prozent. Die Hälfte der Befragten strebt bis 2021 aber Umsatzanteile zwischen fünf und 40 Prozent an. Ist das nicht deutlich zu ambitioniert?

Wallnöfer:

Wenn wir mit Maschinenbauern sprechen, sind die Ambitionen immer sehr hoch, aber 40 Prozent klingt sportlich! Für viele Unternehmen – und da ging es uns bei ABB vor einigen Jahren auch so – ist es sehr schwierig, aus den bisherigen Geschäftsmodellen auszubrechen und offen neue Umsatzquellen anzugehen. Das klassische Geschäft mit Maschinen und Komponenten ist sehr tief in der DNA der Unternehmen verwurzelt, hier lassen sich die Geschäftserwartung sowie die Risiken aus langer Erfahrung einschätzen. Diese Beständigkeit des deutschen Mittelstands ist natürlich eine tragende Säule unserer Wirtschaft, aber auch ein Hemmschuh für Innovation. Und die Umsetzung der Digitalisierung im Maschinenbau und Generierung digitaler Services erfordert eine andere Herangehensweise.

Lithoxopoulos:

Wir bei Neogramm sind primär für die Umsetzung der Technologien zuständig, die diese Service-Modelle ermöglichen. Wir haben erkannt, dass Kunden weitaus mehr Unterstützung benötigen, als nur eine Lösung mit Technologie zu kreieren. Wir haben durchaus Kunden mit sehr ambitionierten Umsatzerwartungen an ihr digitales Servicegeschäft. Dennoch merken wir nach der technischen Umsetzung von Projekten, dass die notwendige Konsequenz für erfolgreiche Geschäftsmodelle meist nicht vorhanden ist. Denn für digitale Services werden auch neue Vertriebsstrukturen notwendig. Wir erleben nur zu oft, dass sowohl Software als auch Services genauso verkauft werden, wie Maschinen – und das funktioniert meistens einfach nicht!

Welche Herangehensweise empfehlen Sie denn generell Maschinenbauern, über digitale Services neue Geschäftsmodelle zu kreieren?

Wallnöfer:

Hier empfehlen wir zuallererst den Co-Creation-Prozess. Wir überlegen mit dem Maschinenbauer zusammen, welches Problem die Kunden eigentlich haben und wie sich dies mit einem digitalen Service lösen lässt. Erst dann geht es um das Geschäftsmodell für den Maschinenbauer und wie er sich damit vom Markt abheben kann! Und es werden argumentativ starke Antworten auf Fragen benötigt. Ein gutes Beispiel sind Betreibermodelle bei Endkunden. Deren Grundidee ist, eine Maschine nicht als Investitionsgut zu erwerben. Stattdessen vergütet der Endkunde dem Maschinenbauer die von der Maschine erbrachte Leistung. Hier stellt sich die Frage: Welche Risiken ergeben sich daraus und wie kann diesen begegnet werden? Oft geht es in der Umsetzung dann nicht primär um eine Technologie, sondern darum wie diese nutzbringend angewandt wird, einen anders durchzuführenden Geschäftsprozess oder eine andere Art der Vermarktung.

Lithoxopoulos:

Aus unseren täglichen Kundengesprächen wird immer wieder klar, dass die Problemdefinition noch keine wirkliche Priorität genießt. Der Fokus liegt sehr oft zu stark auf technischen Lösungen, aber das ist häufig nicht der richtige Weg. Der Maschinenbauer muss sich erst dem Kern des Problems seiner Kunden widmen, es richtig verstehen. Die technische Lösung ist heutzutage dann meist relativ einfach. Hier müssen wir keine technischen Grundlagen mehr entwickeln, egal ob Software, Cloud-Technologien oder Connectivity-Themen – alles ist am Markt verfügbar. Es muss nur noch richtig „zusammengesteckt“ und dem Problem entsprechend angepasst werden.

Wallnöfer:

Ich muss auch noch das oft strapazierte Stichwort „Agilität“ einbringen. Maschinenbauer sollten mit einer kleinen Lösung anfangen und gemeinsam mit den Kunden experimentieren, um dann partnerschaftlich den Service so zu verbessern, dass beide davon profitieren. Die Digitalisierung der Maschine inklusive digitaler Services muss nicht immer sofort der „große Wurf“ sein, dessen Entwicklung Jahre dauert und dann oft das eigentliche Problem der Kunden nicht trifft. Maschinenbauer müssen agil in kleinen Schritten immer mit dem Problem der Kunden im Fokus an Lösungen arbeiten.

Lithoxopoulos:

Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung digitaler Lösungen ist auch die Bereitschaft, scheitern zu können! Der deutsche Maschinenbau fühlt sich unserer Wahrnehmung nach immer zum direkten Erfolg verpflichtet. Aber gerade digitale Lösungen und Services funktionieren nicht auf Anhieb optimal. Unternehmen müssen sich auch eingestehen können, wenn nicht die richtige Lösung oder das richtige Geschäftsmodell entwickelt wurden. Darum ist die eben erwähnte Agilität und Entwicklung in kleinen Schritten sehr wichtig. Die Managementebene möchte Digitalisierungsprojekte mit klaren Vorgaben für Budget, Ziel und Go-to-Market durchführen. Das geht meistens schief und Enttäuschungen sind vorprogrammiert.

Neogramm bietet für Digitalisierungsprojekte von der Machbarkeitsstudie über Entwicklung bis zur Konfiguration und darüber hinaus seine Dienstleitung an. Nutzen Sie hier auch das Wissen und die Möglichkeiten von ABB – Stichwort Co-Creation?

Lithoxopoulos:

Die Möglichkeit der Co-Creation mit ABB ist für uns außerordentlich wertvoll, weil wir so mit einem eigenen Netzwerk zum Kunden kommen können. Wenn wir zusammen mit Kunden in einen Co-Creation-Prozess für ein Digitalisierungsprojekt gehen, agieren alle objektiv und fokussiert auf das Problem der Kunden. Wenn in den späteren Schritten der Lösungsentwicklung dann auch Produkte und Services von Drittanbietern notwendig werden, gibt es keinerlei Berührungsängste. Diese Offenheit von ABB und auch die Fokussierung auf das Kundenproblem – unabhängig von den eigenen Produkten – schätzen wir sehr!

Bei digitalen Services sehen sich Maschinenbauer neuen Wettbewerbern ausgesetzt: Komponentenhersteller mit eignen digitalen Servicelösungen wie ABB, Softwareunternehmen sowie unzählige Start-ups – alle bieten Anlagenbetreibern digitale Services an. Wie entkräften Sie diese Befürchtungen beim Maschinenbauer, ihnen Geschäft wegzunehmen?

Wallnöfer:

Natürlich könnte ein Maschinenbauer die Bedenken haben, dass ABB sich über die eingesetzte voll digitalisierte Antriebstechnik beim Endkunden das Service-Geschäft schnappt. Doch das war noch nie unsere Herangehensweise, wir wollen Kunden durch unsere Lösungen dazu befähigen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und neue Umsatzquellen zu generieren. Durch vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit konnten und können wir das immer vermitteln. Das gilt auch für Partner wie Neogramm, die für ihre Kunden diese Services ermöglichen oder auf deren Wunsch auch selbst durchführen. Maschinenbauer sehen sich aber natürlich mit neuen Playern wie Softwareunternehmen oder Start-ups konfrontiert, die Anlagenbetreibern digitale Services anbieten. Doch dieser Wettbewerbsdruck beschleunigt letztendlich auch die Innovationen beim Maschinenbauer, weil die Priorität der Digitalisierung einen hohen Stellenwert einnimmt.

Lithoxopoulos:

Und tatsächlich ist dieser Umstand für uns gerade auch ein Beschleuniger. Unsere Kunden im Maschinenbau wollen deshalb Innovationen schneller auf die Straße bringen. Wir können ihre Maschinen und Anlagen dann problemlos digitalisieren und mit der ABB Ability Cloud – die sich durch offene Schnittstellen auszeichnet – einfach verbinden. Und ganz wichtig: Wir gestalten eine Gesamtlösung und bilden die nachgelagerten Geschäftsprozesse ganzheitlich ab. Denn was bringt es, wenn die Kunden über eine „fancy“ Datenbrille einen Maschinenfehler sehen, aber nicht wissen, wie der passende Instandhaltungsprozess initiiert wird. Wir sprechen hier von der Materialbereitstellung bis hin zur Ressourcenplanung. Wenn also Maschinenbauer über digitale Services nachdenken, dann muss der komplette Prozess wirtschaftlich und effizient realisiert werden. Hierfür wird ein tiefes Domänenwissen und ein ganzheitlicher Blick benötigt – dann dezimieren sich die neuen Wettbewerber ziemlich schnell.

Über welche digitalen Services sprechen wir eigentlich, die der Maschinenbauer primär derzeit benötigt?

Wallnöfer:

Jeder spricht natürlich von Predictive und Prescriptive Maintenance, aber letzten Endes ist immer noch das Hauptproblem der Maschinenbauer, die Maschine steht irgendwo in der Welt, fällt aus und ein hilfesuchender Supportanruf erfolgt. Wenn jetzt die Maschine digitalisiert ist, der Maschinenbauer remote die Daten und die Historie auslesen und analysieren kann, dann wäre das bereits ein sehr großer Vorteil für alle. Aber leider ist dies meist noch nicht die Realität, weil das Gros der Maschinen nur begrenzte Connectivity besitzt. Über digitale Services lässt sich einfach viel schneller und auch günstiger reagieren. Schon im Vorfeld können Instandhalter erkennen, ob sich Probleme abzeichnen, bei Defekten wird durch die Ferndiagnose gleich das richtige Ersatzteil mitgenommen und vieles mehr.

Lithoxopoulos:

Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren durch die Standardisierung der Connectivity einiges getan und Kunden müssen nicht auf proprietäre Lösungen oder Plattformen setzen; das erleichtert die Diskussion bei der Umsetzung schon mal sehr. Wichtig im Gespräch mit Kunden ist, ihnen stets einen „Proof-of-Value“ zu vermitteln. Sie müssen wissen, welchen Wert die Lösung für sie hat und wie darauf basierend ein Geschäftsmodell generiert werden kann. Die Technik, Komponenten und Plattformen sind vorhanden, dafür gibt es Unternehmen wie ABB, die beispielsweise Smart-Sensor-Technologien anbieten, Daten aus Maschinen auslesen und deuten können, Connectivity in die Cloud aufbauen. Das ist alles fertig und funktioniert. Und Maschinenbauer können es zusammen mit einem Systemintegrations-Partner individuell umsetzen.

ABB unterstützt mit der ABB Ability Cloud stets auch offene Schnittstellen. Ist das ein Hauptgrund für Neogramm, diese Services zu nutzen – weil einfaches Einbinden in Kundenumgebungen so möglich ist?

Lithoxopoulos:

Definitiv! Wir haben uns explizit für ABB entschieden, weil das Unternehmen Standards und Offenheit ebenso forciert wie wir selbst. Unser Credo ist die Offenlegung aller Schnittstellen, damit die Kunden jederzeit auch eigene Entwicklungen leicht anbinden können und nicht in einen Vendor-Lock hineinlaufen.

Was zeichnet das Zusammenspiel von ABB und Neogramm bei Digitalisierungsprojekten aus?

Wallnöfer:

Wir sind davon überzeugt, dass Partnerschaften bei der Digitalisierung im Maschinenbau das A und O sind. Kein Unternehmen kann alles leisten, sondern jeder muss sich auf seine Stärken konzentrieren. Bei ABB ist unsere Stärke das Know-how der elektrischen Antriebstechnik sowie die digitalen Services in Kombination mit der bereits erwähnten Offenheit. Wir maßen uns aber nicht an, allen Kunden umfassend das Gesamtsystem realisieren zu können, das sie brauchen. In unseren Co-Creation-Workshops arbeiten wir jedoch genau diese Bedürfnisse heraus und binden dann Partner wie Neogramm ein, die eben fit sind, das „letzte Bit“ zugeschnitten auf die individuelle Lösung zu kreieren.

Lithoxopoulos:

Für uns ist es wichtig, einen Partner zu haben, der die gleiche Denkweise in Bezug auf Agilität und Offenheit unterstützt, der aber auch eine Marktdurchdringung und Vertrauen in die Lösungen mitbringt. Die ABB Ability-Plattform ist ein funktionierender und offener Standard, die Datensouveränität wird ebenso gewährleistet wie auch die Verfügbarkeit der Services. Als Systemintegrator schätzen wir einen Partner wie ABB sehr, der dieses Vertrauen bei den Endkunden bereits genießt. Die optimale Grundlage für digitale Servicemodelle.

Bildergalerie

  • „Wir erleben nur zu oft, dass sowohl Software als auch Services genauso verkauft werden, wie Maschinen – und das funktioniert in der Regel einfach nicht!“ Christos Lithoxopoulos, Business Development Manager, neogramm

    „Wir erleben nur zu oft, dass sowohl Software als auch Services genauso verkauft werden, wie Maschinen – und das funktioniert in der Regel einfach nicht!“ Christos Lithoxopoulos, Business Development Manager, neogramm

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