Analysetechnik Mikroplastik in Lebensmitteln und Klärschlamm aufspüren

Das Purency-Team (von links): Michael Stibi, Valerie Hengl, Aurelia Liechtenstein und Benedikt Hufnagl

Bild: TU Wien
26.10.2020

Eine Unternehmensausgründung der TU Wien hat eine Analysetechnik entwickelt, die Mikroplastik mittels Machine Learning schnell finden und klassifizieren kann. Die Zusammensetzung und Größe der schädlichen Partikel genau zu kennen, kann dabei helfen, sie von vornherein aus Umwelt und Nahrung fernzuhalten.

Mit bloßem Auge sind sie nicht erkennbar, trotzdem können sie großen Schaden anrichten: die winzigen Partikel, aus denen Mikroplastik besteht. Sie befinden sich im Meer, im Boden, im Klärschlamm – manchmal sogar in Lebensmitteln.

Um die Gefahr, die von Mikroplastik ausgeht, richtig einschätzen zu können, muss es zunächst genau charakterisiert werden: Wie viele Partikel sind in einer bestimmten Probe enthalten, wie groß sind sie und aus welcher Art von Kunststoff setzen sie sich zusammen? Bisher war es in der Praxis kaum möglich, all das schnell und zuverlässig herauszufinden.

Eine neue, einfache und kostengünstige Analysetechnik hat nun die Firma Purency entwickelt, eine Ausgründung der TU Wien. Die Proben werden dazu mit elektromagnetischer Strahlung in einem breiten Frequenzbereich bestrahlt. Machine-Learning-Algorithmen ermitteln dann die Zusammensetzung des Mikroplastiks in der Probe.

Analyse auch von kleinen Partikeln

„Unser Wissen über Mikroplastik beruht bisher eher auf größeren Partikeln. Über Plastikteilchen mit einer Größe von weniger als 100 μm wissen wir immer noch sehr wenig“, sagt Benedikt Hufnagl, Absolvent des Studienfachs Technische Chemie und Verfahrenstechnik und Mitgründer von Purency. Das liege schlichtweg daran, dass die bisherige Datenauswertung nicht zufriedenstellend war.

„Unser Ziel ist es, die Analyse von Mikroplastik zu verbessern und auf das Niveau von Routineanalytik zu heben“, sagt Hufnagl. Hierzu sucht Purency die Kooperation mit Spektrometerherstellern, der Lebensmittelindustrie, Umweltbehörden und Laboren, die bereits Mikroplastik analysieren oder dies künftig tun wollen.

Datenauswertung mit Machine Learning

Es wurden bereits unterschiedliche Ansätze verfolgt, um Mikroplastik nachzuweisen. Einer davon ist die Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometrie (FTIR-Spektrometrie). Dabei wird die Probe mit elektromagnetischer Strahlung im Infrarotbereich beleuchtet – allerdings nicht wie bei vielen anderen Spektrometern immer nur mit einer bestimmten Wellenlänge, sondern mit vielen gleichzeitig. Diese Wellen überlagern sich auf komplexe Art miteinander, die daraus resultierenden Wellen werden gemessen und ergeben einen charakteristischen „Fingerabdruck“ der untersuchten Probe.

„Die große Herausforderung ist es nun, die gewonnenen Daten richtig zu interpretieren“, erklärt Hufnagl. „Bisher verwendete man dafür in erster Linie datenbankbasierte Ansätze. Diese sind für große Datenmengen aber nur bedingt geeignet und benötigen häufig langwierige Nachbearbeitung. Die Auswertungen sind dann schlecht vergleichbar, und detaillierte sowie nachvollziehbare Aussagen sind kaum möglich.“

Purency setzt daher auf einen neuen Weg: Die Daten werden mithilfe von Machine-Learing-Algorithmen ausgewertet. Dadurch wird es möglich, die Anzahl, Art und Größe der Partikel verlässlich zu bestimmen. In kurzer Zeit lassen sich so auch große Datenmengen analysieren.

„Das Spektrometer rastert die gesamte Probe ab, und für jedes einzelne Pixel wird ein Wellenlängenspektrum aufgenommen“, sagt Hufnagl. „So ergeben sich Bilder mit einer Million Spektren und 5 GB Größe. Trotzdem kommt unsere Software mit üblichen Office-PCs aus.“

Automatische Methode ohne manuellen Aufwand

Mehr als 20 Polymerarten kann das Verfahren von Purency unterscheiden; zudem lassen sich Partikel mit einer Größe von nur 10 μm erkennen. Die Grenze setzt dabei nur das Auflösungsvermögen des verwendeten Messgeräts, nicht die Datenverarbeitungsmethode. Als Ergebnis steht eine ausführliche Tabelle, in der alle vorhandenen Polymerarten nach Partikelgröße und Anzahl dargestellt werden. Laut den Forschern liegt diese innerhalb von etwa zehn Minuten vor.

„Unsere Methode läuft automatisch ab und kommt ohne aufwendige manuelle Nachbearbeitung aus“, sagt Hufnagl. „Und sie ist schnell.“ Besonderer Wert wurde auch darauf gelegt, dass die Ergebnisse exakt reproduzierbar sind: Mehrmalige Analysen sollen zuverlässig die gleichen Ergebnisse liefern.

Der „Microplastics Finder“, wie die Forschenden ihre Erfindung nennen, ist vielseitig einsetzbar – zum Beispiel auch für stark verschmutze Umweltproben wie etwa Klärschlamm.

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