Neues Verfahren zur Integration Metallische Mikrostrukturen machen Glas leitfähig

Mit einer neuen Technologie lassen sich metallische elektrische Leiterbahnen in Glas integrieren.

Bild: iStock, Sicha69
19.07.2022

Dünne metallische Mikrostrukturen bieten in Glas hervorragende Eigenschaften für vielfältige Anwendungen. So könnten aus ihnen Sensorelemente hergestellt werden, die unter extrem rauen Bedingungen vor Korrosion geschützt sind, formstabil bleiben und ihre Funktion gewährleisten.

Glas wird zunehmend als Basismaterial für elektrische Schaltungen genutzt. Dies ist auf die besonderen Materialeigenschaften zurückzuführen: Dazu zählen die hohe Dimensionsstabilität über einen breiten Temperaturbereich, die Verfügbarkeit in großen Formaten (zum Beispiel im Vollformat 610 mm x 457 mm2), ein hoher elektrischer Widerstand, eine glatte Oberfläche und eine hohe dielektrische Konstante (zum Beispiel 5,0 @77 GHz).

Bereits seit längerer Zeit werden aus diesem Grund elektrische Strukturen aus dünnen Metallschichten wie Leiterbahnen homogen auf und durch Glassubstrate hergestellt. Damit wird der elektrische Kontakt zu den Bauteilen nicht nur in einer Ebene, sondern auch zur elektrischen Durchkontaktierung mittels der „Through-Glass-Via“-Technik (TGV) für mehrlagige Aufbauten realisiert.

Ins Glas integrieren

Forschende des Fraunhofer IZM haben nun eine Technologie entwickelt, mit der sich metallische elektrische Leiterbahnen in Glas integrieren lassen. Die Vorteile dabei: Die für Glas typische glatte Oberfläche bleibt erhalten und es existieren keine Haftungsprobleme an der Grenzfläche zwischen dem Glas und der metallischen Lage, da diese in die Glasmatrix eingebaut ist. Daher muss kein Haftvermittler – meist ein weiteres Metall – verwendet werden.

Die Forschenden haben bei der Verfahrensentwicklung geschafft, die Bildung von metallischen Strukturen in Dünnglas zu kontrollieren. Mit dem Ziel, homogene elektrische Leiter nahe der Glasoberfläche zu bilden, analysierten sie zur Verfahrensoptimierung verschiedene Materialien und Prozesse.

Der Schlüssel zum Erfolg ist neben der Materialauswahl auch die angepasste Prozessführung: Diese metallische Schicht kann einige 100 nm hauchdünn oder auch einige Mikrometer dick sein, sodass sie mit dem bloßen Auge durch die starke Reflexion auf dem Glas gut sichtbar ist. Es entsteht ein spiegelähnlicher Effekt an der Glasoberfläche. Diese flächige metallische Schicht kann über eine Länge von einigen Millimetern bis hin zu mehr als zehn Zentimetern hergestellt werden. Ebenso gut können die metallischen Strukturen auch selektiv eingebracht werden, sodass elektrische Leiterbahnen im Glas entstehen.

„Über diese Länge kann nun Strom geleitet werden, wobei die elektrischen Leiter vor extrem rauen Umwelteinflüssen wie aggressiven Flüssigkeiten, Gasen, chemischen Reaktionen wie Korrosion und vor mechanischem Abrieb geschützt sind, denn sie sind vollständig im Glas eingeschlossen und liegen nicht auf dem Glas“, sagt Philipp Wachholz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team EOCB (Elektro-optische Leiterplatte).

Neuartige Anwendungen werden möglich

Mit dieser neuen Form der Integration von elektrischen Leiterbahnen in und nicht auf das Glas lassen sich einige neuartige Anwendungen realisieren. Beispielsweise könnten so Mikrovakuumkammern aus Glas elektrisch kontaktiert werden, ohne dass die elektrischen Leitungen die Hermetizität reduzieren.

Außerdem könnten diese Leiterbahnen in widrigen Bedingungen, denen auf das Glas aufgebrachte Leiterbahnen nicht standhalten würden, für sensorische Zwecke eingesetzt werden. Wie in der Abbildung dargestellt, könnten so winzige Mikroelektroden in Analysegeräten wie elektrochemischen Biosensoren verwendet werden, um biochemische Prozesse wie Enzymreaktionen oder Antigen-Antikörper-Interaktionen nachzuweisen. Es könnten demnach sehr robuste Sensoren für vielfältige Anwendungen gebaut werden, wobei die in Glas integrierten Strukturen dauerhaft hohen Temperaturen bis 200 °C standhalten.

An diesem Punkt möchten die Forschenden vom Fraunhofer IZM noch weitergehen: Nach den erfolgreichen Machbarkeitsstudien möchten sie gemeinsam mit Projektpartnern aus der Sensorindustrie und Forschung die Technologie in die Anwendungsreife bringen. Aktuell sind die Forschenden auf der Suche nach interessierten Unternehmen, die ihre Kenntnisse gemeinsam mit den Berliner GlasexpertInnen vertiefen wollen, und freuen sich über eine direkte Kontaktaufnahme.

Vorteile zusammengefasst

Vorteile von integrierten elektrischen metallischen Strukturen in Glas gegenüber aufgedampften metallischen Strukturen:

  • Keine Haftungsprobleme an der Glasoberfläche

  • Elektrisch leitfähige Mikrostrukturen in Glas: elektrische Durchkontaktierung

  • Integration elektrischer Strukturen (zum Beispiel Widerstände, Kapazitäten.)

  • Metallische Strukturen liegen geschützt vor Umwelteinflüssen im Glas (keine Korrosion, Abriebfest, Glasoberfläche leicht zu reinigen)

  • Metallische Mikrostrukturen leiten sehr gut Wärme durch Glas ab

  • CTE-Fehleranpassung zwischen Metall und Glas wird verringert

Bildergalerie

  • Möglicher Biosensor mit integrierten metallischen Strukturen in Glas für die Detektion von Enzymreaktionen oder Antigen-Antikörper-Interaktionen.

    Möglicher Biosensor mit integrierten metallischen Strukturen in Glas für die Detektion von Enzymreaktionen oder Antigen-Antikörper-Interaktionen.

    Bild: Fraunhofer IZM

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