Trends & Technologien in der Automatisierung „Im Fokus steht die Integration“

Dr. Kerstin Höfle, VP R&D und Produktmanagement bei Körber Supply Chain: „Transparenz und Datenverfügbarkeit kann dazu führen, dass inner- und außerbetriebliche Routen optimiert und Prozesse insgesamt nachhaltiger gestaltet werden können.“

Bild: Körber Supply Chain
27.06.2025

Dr. Kerstin Höfle, VP R&D und Produktmanagement bei Körber Supply Chain, spricht über die Zukunft der Automatisierung. Digitalisierung, demografischer Wandel und Dekarbonisierung sind die treibenden Kräfte. Erfahren Sie, wie Unternehmen durch die Integration von Robotik und KI ihre Effizienz steigern und nachhaltige Lösungen schaffen können.

Welche Trends werden die Automatisierung in den nächsten Jahren prägen?

Die großen Treiber der Automatisierung sind nach wie vor Digitalisierung, demografischer Wandel, und Dekarbonisierung. Und ein weiteres „D“ ist heute aktueller denn je: De-Globalisierung. Das geopolitische Geschehen hat große Auswirkungen auf die globalen Lieferketten. Wenn Unternehmen ihre internationalen Ketten neu ausrichten müssen, spielt auch die Automatisierungsstrategie eine wichtige Rolle.

Nun sind Digitalisierung & Co ja keine ganz neuen Themen, warum stehen sie immer noch auf der Agenda?

Weil die zu Grunde liegenden Technologien sich rasant weiter entwickeln und immer neue Möglichkeiten bieten. Man schaue nur auf den Entwicklungen der letzten 2 Jahre im Bereich der Generativen KI, Stichwort „ChatGPT“. Um bei der Digitalisierung zu bleiben: Der Begriff steht eben nicht mehr nur für papierlose Prozesse, sondern für die durchgängige Vernetzung aller Unternehmensbereiche – Stichworte Smart Factory, Internet of Things oder AIoT, also die Verknüpfung von künstlicher Intelligenz und dem IoT. Unternehmen müssen mit dieser Dynamik Schritt halten. Dazu muss die Technologie beherrschbar bleiben, sie soll Entscheidungen erleichtern oder – transparent und nachvollziehbar – selbst übernehmen. Ein Beispiel dafür ist unser unser Chatbot AI – er ermöglicht eine konversationelle Interaktion mit den Systemen und liefert quasi im Gespräch Echtzeit-Einblicke für schnelle, datenbasierte Entscheidungen.

Worauf sollte der Fokus bei Automatisierungsprojekten liegen?

Im Mittelpunkt steht immer die Integration: Wie lassen sich Robotik, KI und andere neue Technologien sinnvoll in eine den Bedürfnissen angepasste Gesamtlösung implementieren, wie Produktion, Intralogistik und Transporte besser verzahnen? Wie bildet man eine durchgängig digitale Kette vom Lieferanten des Rohmaterials bis zum Endverbraucher und darüber hinaus, zum Beispiel für ein lückenloses CO2-Tracking? Und wie kann ich zum Beispiel über Gamification wirkungsvolle Anreizsysteme für junge Nachwuchskräfte schaffen? Eine große Herausforderung ist, dass viele dieser Fragen parallel adressiert werden müssen, weil sie in der Praxis nicht isoliert betrachtet werden können. Produktionslinien müssen flexibler werden, um wechselnde Losgrößen, Verpackungen und Produkte wirtschaftlich und prozesssicher verarbeiten zu können. Zugleich steigen die Anforderungen an das Handling empfindlicher Waren in immer dünneren und sensibleren Verpackungen – unter anderem aus Kosten- und Nachhaltigkeitsgründen. Hier gilt es, alle zur Verfügung stehenden Technologien sinnvoll in einem integrierten System zu kombinieren.

AMR gelten als Wunderwaffe der Automatisierung, zu Recht?

Wir werden immer mehr Autonome Mobile Roboter sehen, die den Menschen monotone oder schwere Tätigkeiten abnehmen. Sie lassen sich schnell in die Abläufe in Produktion und Logistik integrieren und flexibel skalieren. AMR sind heute in vielen Anwendungen die erste Wahl, wenn es um schnelle, wirtschaftliche und effektive Automatisierung geht. Aber nicht immer. So kann zum Beispiel bei hohen Durchsätzen die klassische Fördertechnik die bessere Lösung sein. AMRs sind immer dann eine prädestinierte Lösung, wenn lange Distanzen zu bewältigen sind, der Durchsatz im mittleren Bereich liegt, oder hohe Anforderungen an die Flexibilität gestellt werden oder dynamische Nachfrageschwankungen vorkommen. Hier sind Systemintegratoren gefragt, die sowohl einen ganzheitlichen Blick auf die Unternehmensanforderungen, den Markt, die verfügbaren Technologien und Anbieter haben, und mit ihrem Prozess- und Integrations-Knowhow die optimale Lösungen für den Kunden realisieren können. Wir beispielsweise setzen stark auf unser Ecosystem hochspezialisierter Unternehmen innerhalb und außerhalb der Körber Gruppe.

Stichwort Dekarbonisierung – welchen Beitrag kann Automatisierung heute und in Zukunft zu mehr Nachhaltigkeit leisten?

Nachhaltigkeit hat einen enormen Stellenwert und ist zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Auch wenn bei der Dekarbonisierung der Logistik das Hauptaugenmerk auf den Transporten liegt, kann natürlich auch die Automatisierung einen Beitrag leisten. Hier dreht sich alles um die Energie, den Materialeinsatz und – verbrauch. Auf die Wahl der Energiequelle haben wir als Systemintegrator nur bedingt Einfluss, sehr wohl aber auf die Optimierung der Energieeffizienz, die in unserem ureigenen Interesse liegt. Denn eine bessere Energieeffizienz ist immer verbunden mit geringeren Betriebskosten – ein Wettbewerbsvorteil sowohl für unsere Kunden als auch für uns selbst als Anbieter von energieeffizienten Lösungen. Relativ neu in der Dekarbonisierungs-Betrachtung von Automatisierungsprodukten sind die verbauten Primär- und Sekundärrohstoffe. Materialien mit einem geringeren Fußabdruck oder einem positiven GWP (Global Warming Potential) wirken sich positiv auf die Ökobilanz aus. Über die typische lange Lebenszeit muss zudem immer ein gewisses Maß an Re-Engineering gründlich eingeplant werden. Des Weiteren erwarten unsere Kunden sowie auch deren Kunden und potenziellen Mitarbeiter vor allem Transparenz: Woher stammt die Ware, auf welchem Weg ist sie zu mir gelangt, wieviel CO2 wurde dabei ausgestoßen? Allesamt Fragen, die wir mithilfe der Digitalisierung beantworten. Alle wesentlichen Informationen können über die gesamte Kette hinweg erfasst und dokumentiert. Transparenz und Datenverfügbarkeit kann dazu führen, dass inner- und außerbetriebliche Routen optimiert und Prozesse insgesamt nachhaltiger gestaltet werden können. Allerdings müssen wirklich alle an einem Strang ziehen. Gegen die Retouren-Mentalität im Online-Handel hilft auch die beste Technik nichts, hier ist der Endverbraucher gefragt. Es sollte an dieser Stelle überdies nicht unerwähnt bleiben, dass Automatisierungstechnologien stark auf die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit einzahlen. Sie entlasten in der Regel den Menschen bei körperlich anspruchsvollen Arbeiten, sowohl in der Logistik, als auch in der Fabrik.

Welchen Ratschlag würden Sie Unternehmen heute mit Blick auf die Automatisierung geben, unabhängig von der Branche oder Größe?

In a nutshell: Sehen Sie in aktuellen Herausforderungen potenzielle Wettbewerbsvorteile. Aber die lassen sich nur mit der richtigen Automatisierungsstrategie realisieren. Und bei der zählt der Blick auf das große Ganze, der vor allem die richtige Technologieauswahl beinhaltet.

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