Schutz von Weidetieren KI-Zaun soll Wölfe vertreiben

Nicht überall gerne gesehen: In der Nähe von Weidetieren soll der Wolf bald mithilfe Künstlicher Intelligenz vergrämt werden.

Bild: iStock, AB Photography
14.09.2021

Künstliche Intelligenz hält Einzug in den Herdenschutz: In einem Projekt der Universitäten Bremen und Gießen wird ein modularer, autonomer und intelligenter Zaun entwickelt, der Gefahren wie Wölfe abwehren soll. Im Gegensatz zu gängigen Schutzmaßnahmen schont er die Landschaft und ist vergleichsweise günstig. Zum Problem könnte allerdings die hohe Anpassungsfähigkeit von Wölfen werden.

Tierzucht und Tierhaltung sind wesentliche Standbeine der deutschen Landwirtschaft. Mit der Wiederansiedlung und Ausbreitung des Wolfs entsteht jedoch ein Zielkonflikt: Einerseits wird die Weidehaltung von der Gesellschaft gewünscht, weil sie gegenüber einer reinen Stallhaltung Vorteile für das Tierwohl hat, der Pflege in Naturschutzgebieten dient und den Hochwasserschutz mit Deichen ermöglicht. Mit tausenden Rissen von Schafen, Ziegen, Kälbern, Ponys und Fohlen pro Jahr stellen Wölfe jedoch auch eine zunehmende Bedrohung für Weidetiere und eine psychische Belastung für ihre Halter dar.

Nachteile aktueller Schutzzäune

Einen „wolfssicheren“ Zaun, der den ökologischen und ökonomischen Ansprüchen von Landwirtschaft, Tierhaltern und Gesellschaft entspricht, gibt es bislang noch nicht. Verfügbare Modelle sind als Festzäune ausgelegt, was häufig gegen den Einsatz in Landschaftsschutzgebieten spricht oder aufgrund der besonderen Bauart mit hohem Arbeitsaufwand durch Tierhalter verbunden ist. Darüber hinaus sind Elektrozäune bei Dürre oder Frost in ihrer Wirkung sehr eingeschränkt.

In Regionen mit besonderen Bedingungen wie Deichen, Naturschutzgebieten und flachgründigen Böden sind zusätzliche Sicherungen durch Pfähle oder Untergrabungsschutz nicht möglich. Durch ein „Zaun-Wettrüsten“ mit Wolfszäunen käme es zudem zu einer Zerschneidung der Landschaft: Wild lebende Tiere würden in ihrer Bewegung eingeschränkt, und damit auch ihre Futterquellen und genetische Vielfalt.

Auch andere Möglichkeiten des Herdenschutzes sind mit hohem Aufwand und Nachteilen verbunden. Herdenschutzhunde sind teuer in der Anschaffung und im Unterhalt; in der Nähe von menschlichen Siedlungen oder anderen Hunden kann es außerdem zu Konflikten kommen. Auch die Beschäftigung von Schäfern, die rund um die Uhr im Einsatz sind, ist wirtschaftlich nicht möglich. Jede Herde würde mindestens drei Personen erfordern.

Warnung vor Wölfen und anderen Gefahren

Im Forschungsprojekt „Modularer, autonomer und intelligenter Weide(schutz)zaun mit Erkennung und Vergrämung von Predatoren“ (oder kurz „mAInZaun“) wird nun an einer Lösung geforscht. Die Universitäten Bremen und Gießen sowie das Unternehmen RoFlexs wollen hierin mit Sensoren und KI-Methoden einen intelligenten Zaun entwickeln, der die Annäherung eines Wolfes erkennt und Maßnahmen zur Abwehr ausführt. Gefahren – etwa auch Manipulationen durch Stürme oder Dritte – werden sofort erkannt und dem Tierhalter mitgeteilt. Dabei lassen sich Polizei, Straßenmeistereien oder die Bahnaufsicht in die Alarmierungskette einbinden.

Die Sensoren und weitere Bauteile verfügen über eine eigene Stromversorgung. So sind sie unabhängig von einem vorhandenen Zaun einsetzbar. Diese Verwendung ohne klassischen Zaun als mechanische Sperre kann zusätzlich Anwendungsgebiete in unwegsamen Regionen erschließen.

Kostengünstig, digital steuerbar und energieeffizient

„Das System baut auf vorhandenen Technologien auf, muss aber dennoch einige Hürden überwinden, um praxistauglich zu werden“, sagt Prof. Anna Förster vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. „Die Sensorik und die Vergrämungslösungen sollen kostengünstig, digital steuerbar und vor allem energieeffizient sein, weil der ,mAInZaun‘ ohne externe Energiequellen auskommen muss. Gleichzeitig müssen diese Lösungen aber auch sehr genaue Ergebnisse liefern.“

Ziel sei es zum Beispiel, dass die KI nicht nur die Unterscheidung von Wölfen und anderen Tierarten lernt, sondern auch von einzelnen Wölfen untereinander. „So können die Vergrämungslösungen individualisiert werden, damit sich einzelne Tiere nicht an bestimmte Abwehrmethoden gewöhnen“, erklärt Förster.

Das ist ein wichtiger Punkt, weil Wölfe sehr intelligent und anpassungsfähig sind. „Es stellt eine der größten Herausforderungen in diesem Projekt dar, die Vergrämungsmethoden so zu entwickeln, dass sie kurz- wie auch langfristig effektiv bleiben“, betont Verhaltensforscherin Uta König von Borstel, Professorin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Gleichzeitig dürfen aber natürlich keine Weidetiere, Menschen oder Hunde zu Schaden kommen. Wir sind zuversichtlich: Mit unserem Ansatz, die Wölfe individuell zu erkennen und zu vergrämen, können wir diese Anforderungen unter einen Hut bringen.“

Kooperation mit Zaunhersteller

Werden diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert, steht eine praktische Umsetzung des Projekts laut den Forschern bereits in Aussicht. Die Firma RoFlexs aus Salzwedel bringt dafür ihre Erfahrungen aus der Metallbearbeitung und Elektrotechnik ein.

„Eine unserer Aufgaben ist die Entwicklung eines robusten und wetterbeständigen Gehäuses für die Steuerungs- und Sensortechnik“, berichtet Geschäftsführer Torsten Menzel. „Parallel werden wir zum Beispiel dabei helfen, die flexible und autarke Stromversorgung für die Module zu entwickeln und über den Projektzeitraum auch ständig weiter zu optimieren.“ RoFlexs produziert und vermarktet bereits seit 15 Jahren einen Mobilzaun, sodass sich weltweit bestehende Vertriebskanäle nutzen ließen.

Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und soll Mitte 2024 abgeschlossen sein. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit 1,1 Millionen Euro.

Details zum Projekt „mAInZaun“

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