Unentdeckte Potenziale Ist die Raumfahrt nur ein Statussymbol für Multimilliardäre?

Im Jahr 2021 sind die ersten Milliardäre mit Privatraketen ins Weltall geflogen. Doch die Raumfahrt birgt noch viel mehr Potenzial als nur eine Beschäftigung für Milliardäre zu sein.

Bild: iStock; peshkov
16.02.2023

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) wurde heute an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben. Darin beschäftigt sich die EFI auch mit der internationalen Transformation der Raumfahrt zu einem zunehmend privatwirtschaftlichen und kommerziell getriebenen Sektor.

Das Jahresgutachten der EFI lässt sich in vier Kernaussagen gliedern. Im Folgenden wird auf jeden dieser Aspekte genauer eingegangen und die Hintergründe erläutert.

Raumfahrt für die moderne Gesellschaft unerlässlich

Noch immer verstehen viele Menschen die Raumfahrt lediglich als kostspielige Forschung zur Exploration des Weltraums durch staatliche Raumfahrtorganisationen ohne unmittelbaren öffentlichen Nutzen oder neuerdings gar als Statussymbol exzentrischer Multimilliardäre wie in den USA. Das neue EFI-Gutachten zeigt jedoch, dass Weltraumtechnologien schon heute aus dem alltäglichen Leben nicht wegzudenken sind und ihre Bedeutung in Zukunft noch wachsen wird.

Aus Sicht der EFI können Weltraumtechnologien zudem zur Bewältigung globaler gesellschaftlicher Krisen beitragen. Prof. Dr. Till Requate von der Universität Kiel und Mitglied der Expertenkommission stellt klar: „Satelliten sind für die moderne Kommunikation und Navigation inzwischen unerlässlich. Erdbeobachtungsdaten sind nicht mehr nur militärisch von Interesse, sondern helfen bei der Erforschung des Klimawandels oder beim Katastrophenschutz. Eine solide Satelliteninfrastruktur ist für das Internet der Dinge oder autonomes Fahren nicht wegzudenken.“

Private Raumfahrt braucht verlässliches Regelwerk

Das breite Potenzial von Weltraumtechnologien wurde vonseiten der Wirtschaft längst erkannt. Zunehmend werden private Unternehmen in der Raumfahrt aktiv und entwickeln Produkte oder Technologien für die Raumfahrt selbst oder nutzen Satellitendaten für innovative Produkte und Dienstleistungen. Die deutsche Politik hat mit dieser Dynamik nicht mitgehalten. So besitzt Deutschland trotz entsprechender Ankündigungen noch immer kein nationales Weltraumgesetz.

„Die zunehmenden Raumfahrtaktivitäten nicht staatlicher Akteure sollten nicht im regulatorischen Vakuum erfolgen. Um die Risiken und Potenziale ihrer Investitionen abschätzen zu können, benötigen vor allem auch mittelständische Unternehmen zeitnah Klarheit über den künftigen Rechtsrahmen“, moniert Prof. Dr. Friederike Welter, von der Universität Siegen und dem Institut für Mittelstandsforschung sowie Mitglied der Expertenkommission

Technologische Souveränität effizient erreichen

Die breite zivile und militärische Anwendung von Raumfahrttechnologien und -produkten begründet die enorme strategische Relevanz der Raumfahrt und löst Rufe nach technologischer Souveränität aus. Gleichzeitig bleibt die Raumfahrt ein kostenintensives Unterfangen.

Prof. Dr. Uwe Cantner, von der Universität Jena und Vorsitzender der Expertenkommission, erklärt: „Spielräume für Effizienzsteigerungen müssen konsequent genutzt werden. Technologische Souveränität in der Raumfahrt muss dabei auf europäischer Ebene gedacht werden. Darüber hinaus dürfen mögliche Synergien aus der gemeinsamen zivilen und militärischen Verwendung von Weltrauminfrastrukturen nicht ungenutzt bleiben.“

Weltrauminfrastruktur ist kritische Infrastruktur

Durch die hohe Bedeutung der Raumfahrt für die Zivilgesellschaft, aber auch für die nationale und europäische Sicherheit, rücken Weltrauminfrastrukturen in den Bereich kritischer Infrastrukturen. Hier braucht es Konzepte und konkrete Maßnahmen, die diese angemessen schützen.

„Die Abhängigkeit moderner Gesellschaften von funktionierenden Satelliteninfrastrukturen wird steigen. In Zeiten zunehmender internationaler Spannungen bedarf es einer starken europäischen Antwort auf die Frage, wie wir diese Infrastrukturen schützen können“, führt Till Requate aus.

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